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Jugendstadtrat fasst BeschlüsseWas Leverkusener Kinder sich für ihre Stadt wünschen

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Alle dafür: Das Projekt Jugendstadtrat war ein Erfolg.

Leverkusen – Die Aufregung ist noch in der Pause groß: Ausgerechnet die Grünen haben gegen neue Radwege gestimmt. „Wir haben es in der Fraktion halt anders entschieden!“, rechtfertigt sich einer. „Alles wie bei den Großen“, sagt Dezernent Marc Adomat und schmunzelt.

Jugendstadtrat Leverkusen: Anträge selbst erarbeitet

Tatsächlich sind es rund 50 Jugendliche zwischen zwölf und 16 Jahren, die an diesem Tag im Ratsaal sitzen und über Anträge diskutieren und abstimmen, die sie in ihren Fraktionen oder in selbst gebildeten Koalitionen vorab eigenständig erarbeitet haben.

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Es war der „große“ Stadtrat, der vor einem Jahr beschlossen hatte, einen Jugendstadtrat ins Leben zu rufen, der in Form eines Planspiels die Arbeitsweise der Kommunalpolitik für Jugendliche erlebbar macht. Organisiert hat das Projekt Simon Frädrich vom Fachbereich Kinder und Jugend. „Es geht darum, Jugendliche für Politik zu begeistern und auch Hürden abzubauen“, erklärt Frädrich. Politiker würden – nicht nur von Jugendlichen – häufig nur als „die da oben“ wahrgenommen. Bei einem gemeinsamen Abendessen konnten die Teilnehmer viele lokale Politiker kennenlernen.

Diskothek und Skaterpark

„Die waren alle sehr nett, ich habe direkt drei Anfragen bekommen, ob ich mich nicht in der Partei engagieren möchte“, erzählt Laura Rehm. Die 16-Jährige geht auf die Gesamtschule Schlebusch und will vor allem der Politik zeigen, dass die heutige Jugend sehr wohl eine Meinung hat. „Ich will zeigen, was für uns wichtig ist.“

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Lorin Baydan (14)

Das sind zum Beispiel: Eine Diskothek – vorzugsweise in Wiesdorf –, der Ausbau der Skateranlage in der Neuen Bahnstadt, mehr Schulsozialarbeiter: All diese Anträge haben im Jugendstadtrat eine klare Mehrheit bekommen und sollen auch im nächsten echten Stadtrat behandelt werden. „Die Fraktionsvorsitzenden jener Partei, die den Antrag gestellt hat, soll im Stadtrat die Chance bekommen, diesen den Politikern vorzustellen“, erklärt Frädrich.

Hinter die Kulissen blicken

Vorsitzende der SPD-Fraktion ist Lorin Baydan. Die Neuntklässlerin am Freiherr-vom-Stein Gymnasium wurde von ihrer Geschichtslehrerin gefragt, ob sie beim Jugendstadtrat mitmachen wolle. „Ich finde es toll, hier mal die Hintergründe zu sehen, ich wusste vorher überhaupt nicht, was alles dahinter steckt.“

Fraktionssitzungen, Wahlen von Vertretern für die Fachausschüsse, die dann ebenfalls tagen, Anträge formulieren, Mehrheiten finden – all das haben die Jugendlichen in drei Tagen durchgespielt. Von der Schule waren sie dafür freigestellt, die Teilnahme soll auch auf den Zeugnissen vermerkt werden.

Zu viel im Internet

Lorin Baydan hat sich in den Ausschuss für Kinder und Jugend wählen lassen. „Mir ist es wichtig, die Situation für Kinder hier in Leverkusen zu verbessern. Zu viele hängen nur im Internet. Wir sollten die Jugendhäuser stärken, damit sie mehr anbieten können“, sagt die 14-Jährige. Auch sie mache mit ihren Freundinnen häufig das Gleiche. „Letztens waren wir mal in Köln in einem Escape-Room, das war echt cool, aber so etwas gibt es hier nicht.“

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Aaron Neufeld (14)

Die Argumente, die die Jugendlichen für und gegen die Anträge einbringen, sind politischen Diskussionen durchaus ähnlich: Stört der Lärm einer neuen Skateranlage die Anwohner? Was kostet das und wovon soll es bezahlt werden? Auch wenn die Wortwahl zuweilen abweicht: „Kennt ihr Personen, die sich das so richtig krass wünschen?“ fragt ein Mädchen. Und der etwas lapidar vorgebrachte Vorschlag, für bessere Schulausstattung könnte doch jeder Leverkusener mal einen Euro mehr Steuern bezahlen, sorgt für Aufregung. Dass das so einfach nicht geht, wissen schon viele hier.

OB Richrath: „Wir haben nicht die Zeit, zu warten“

Oberbürgermeister Uwe Richrath ist begeistert von dem Engagement der Jugendlichen: „Sie müssen sich sofort einmischen! Wir haben nicht die Zeit, zu warten, bis Sie erwachsen sind“, sagt er in seiner Begrüßungsrede. „Müssen Antworten finden, Bildungssysteme voranbringen, den Klimawandel in den Griff bekommen.“

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Hendrik Liese (13)

Diese weltpolitischen Themen standen nicht auf der Tagesordnung. Sondern Dinge aus der Lebenswirklichkeit der Jugendlichen: „Ich sehe an meiner Schule, dass wir mehr Schulsozialarbeiter brauchen“, sagt Aaron Neufeld vom Landrat-Lucas-Gymnasium, der sich auch bereits bei den jungen Liberalen engagiert. „Ich fahre mit dem Bus zur Schule“, berichtet Hendrik Liese von der Opladener Marienschule. „Ich könnte auch Fahrrad fahren, aber die Fahrradwege sind einfach zu schlecht.“ Und so kommt der Antrag auf bessere Radwege auch gegen die Stimmen der Grünen durch.

Lorin Baydan glaube daran, dass sie mit ihren Anträgen etwas ändern können. „Wenn wir zusammenhalten und zu einem guten Ergebnis kommen, glaube ich schon, dass das von der Politik gehört wird.“ Auf jeden Fall sind die 50 Jugendlichen einen großen Schritt weiter gekommen. Viele von ihnen sagen hinterher, dass sie sich künftig politisch engagieren wollen. Und auf jeden Fall im nächsten Jahr wieder im Jugendstadtrat sitzen.