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Kita-NotstandVerzweifelte Eltern suchen selbst nach Erzieherinnen in Leverkusen

Lesezeit 5 Minuten
Carina Jänicke und Nadine Schultens vom Elternbeirat vor der Tür der Kita Borkumstraße

Stehen häufig vor verschlossenen Türen: Carina Jänicke und Nadine Schultens vom Elternbeirat der Kita Borkumstraße

An der Kita Borkumstraße müssen Kinder regelmäßig an zwei Tagen die Woche zu Hause bleiben.

Mittlerweile ist Nadine Schultens bereit, selbst als ehrenamtliche Aushilfe in der Kita ihrer Kinder einzuspringen. Eigentlich hat sie dafür keine Zeit neben ihrer beruflichen Tätigkeit. Aber wenn sie und weitere Eltern jeweils einen Vormittag die Woche aushelfen, dann könnte sie vielleicht zumindest den Rest der Woche arbeiten gehen, so die Hoffnung.

Aktuell geht das praktisch nicht: Zwei ihrer drei Kinder besuchen die städtische Kita Borkumstraße. Hier sind schon seit Mai die Betreuungszeiten um täglich 45 Minuten gekürzt. „Damals sagte man, das sei eine vorübergehende Maßnahme, um tageweise Schließungen zu vermeiden“, sagt Schultens. Gelungen ist das nicht: Seit mittlerweile vier Wochen schließt die Kita im rollierenden System jeden Tag zwei der sechs Gruppen.

Mutter arbeitet zu nächtlichen Stunden

„Praktisch bedeutet das, dass jedes Kind die Kita an zwei aufeinanderfolgenden Wochen nur an drei statt fünf Tagen besuchen kann und in der dritten Woche an vier statt fünf Tagen“, rechnet Schultens vor. Das heißt: In drei Wochen werden die Kinder nur an zehn Tagen betreut, statt wie vertraglich vereinbart an 15 Tagen. Und das auch nur zu verkürzten Öffnungszeiten. Für Nadine Schultens bedeutet das: „An diesen Tagen fange ich um sechs Uhr an zu arbeiten, bis mein Mann um neun Uhr zur Arbeit fahren muss und dann mache ich bis 22 Uhr weiter, nachdem die Kinder im Bett sind.“ Homeoffice ist theoretisch möglich, mit einem vier- und einem zweijährigen Kind praktisch aber nicht.

Innerhalb von zwei Tagen haben wir vier ausgebildete Erzieherinnen gefunden, die bereit sind, kurzfristig bei uns einzuspringen.
Carina Jänicke, Elternbeirat

„Von der Stadt bekamen wir nur zu hören, dass man die Situation bedauere, aber eben nicht genug Erzieherinnen da seien“, sagt Carina Jänicke, ebenfalls Mutter von einem Schul- und zwei Kita-Kindern. Deswegen hat sich der Elternbeirat der Borkumstraße selbst auf die Suche nach Personal gemacht. „Innerhalb von zwei Tagen haben wir vier ausgebildete Erzieherinnen gefunden, die bereit sind, kurzfristig bei uns einzuspringen“, berichtet Jänicke.

In Absprache mit der Kita-Leitung sollte eine davon bereits an diesem Montag eine Hospitanz in der Einrichtung machen, um bei gegenseitigem Einvernehmen direkt am Dienstag anzufangen. „Aber da hat uns die Stadt einen Strich durch die Rechnung gemacht“, erzählt Jänicke. Alle Interessenten müssten sich über das Stellenportal der Stadt bewerben, auch das habe die Interessentin mit allen erforderlichen Unterlagen umgehend getan.

Vorstellungstermin in drei Wochen

Jubel in der Elternschaft. Doch zu früh: „Ihr wurde gesagt, es müsse zwingend ein Vorstellungsgespräch bei der Stadt wahrgenommen werden, der nächste freie Termin hierfür sei der 17. November“, berichtet Schultens. „Im Anschluss daran müsse der Vorstand zustimmen. Als realistischer Termin, an dem der Vertrag unterschriftsbereit sein könnte, wurde uns der 5. Dezember genannt.“

Die Erzieherin steht allerdings nur bis Jahresende zur Verfügung, auch die weiteren drei Kandidatinnen könnten akut helfen, aber nicht langfristig. „Aber genau das brauchen wir, akute Hilfe jetzt und nicht in fünf Wochen“, klagt Schultens. Für sie als Mutter zähle jeder Tag, den sie regulär arbeiten kann. „Wäre mein Arbeitgeber nicht so verständnisvoll, hätte ich längst eine Kündigung und das könnte ich ihm nicht einmal verübeln.“

Und auch für die Kinder zählt jeder Tag. „Mein Sohn steht jeden Morgen auf und fragt: Ist heute Kita?“, sagt Schultens. Einen geregelten Alltag kennt er nicht. Den Erzieherinnen machen sie aber ausdrücklich keine Vorwürfe: „Die, die da sind, geben ihr Bestes, das ist ganz toll.“

Elternhilfe gestaltet sich auch schwierig

Dann also die Idee mit der ehrenamtlichen Elternhilfe: Vorlesen, Schuhe binden, Türen öffnen, Tisch decken oder was sonst so anfällt, um das Personal zu entlasten. Ursprünglich wollte die Kitaleitung das nicht, berichten die Eltern, die große Not habe sie jetzt aber auch einlenken lassen. Aber auch hier bremst wieder die Stadt. „Die Kita-Leitung hat das bei der Stadt angefragt, allerdings liegt es da seit zwei Wochen ergebnislos“, berichtet Schultens. Angeblich, weil die zuständige Mitarbeiterin in Urlaub ist.

Das bestätigt Sabine Jarosch vom Fachbereich Kinder und Jugend. Grundsätzlich ist sie der Idee aber aufgeschlossen: „Solange es im Einvernehmen von Kitaleitung und Eltern geschieht und in den rechtlichen Rahmenbedingungen liegt.“ Nicht verhandelbar sei ein polizeiliches Führungszeugnis nicht älter als drei Monate und eine arbeitsmedizinische Untersuchung. „Da kommen wir aus rechtlichen Gründen nicht dran vorbei.“

Liegt das vor, will sie sich aber für einen schnelleren Bewerbungsprozess einsetzen. Aktuell dauere es aufgrund der Formalien tatsächlich im besten Fall drei bis vier Wochen, bis eine Bewerbung zu einem Anstellungsverhältnis kommen kann, realistisch seien aber eher vier bis sechs Wochen.

Es sei zermürbend, sagen die Eltern. Dass die Kinderbetreuung nicht funktioniert, sowieso. Und noch mehr, dass ihre Eigeninitiative bislang im Sand verläuft. Sie haben nicht das Gefühl, dass die Stadt wirklich alles versucht, um mehr Personal zu finden, es unkompliziert an die Stadt zu binden und auch selbst die kreativen Wege geht, die von Erzieherinnen und Eltern eingefordert werden. Einige Eltern sind mittlerweile so weit, ihre Kinder so früh wie irgendwie möglich in der Schule anzumelden. „Dann im Notfall lieber ein Jahr in der Schule wiederholen, als noch ein Jahr dieses Desaster“, sagt man hinter vorgehaltener Hand.


Sieben Kinder mit verkürzter Betreuung

Aktuell sind laut Angaben des Fachbereichs Kinder und Jugend in sieben städtischen Kitas die Betreuungszeiten eingeschränkt. Neben der Borkumstraße müssen in zwei weiteren Kitas regelmäßig zusätzlich Gruppen geschlossen werden. An zwei weiteren städtischen Kitas gibt es keine reduzierten Betreuungszeiten, aber regelmäßige Gruppenschließungen. Feste Kriterien, wann von Gruppenschließungen zu eingeschränkten Betreuungszeiten übergegangen wird, gibt es nicht.

Wenn aber absehbar sei, dass Erzieherinnen längerfristig krank oder abgängig seien, würde man zu diesem Mittel greifen, sagt Jugendamtsleiter Michael Küppers. Grundsätzlich empfiehlt er, Elternbeirat und Kitaleitung ins Boot zu holen, dann könne man im Fachbereich darüber reden, welche Lösung für die jeweilige Einrichtung die bessere ist.