Vor Leben im Rollstuhl bewahrtEdna geht aufrecht zurück nach Bosnien
Leverkusen – Mit 14 Jahren bekommt Edna Bjelosevic plötzlich Rückenschmerzen, vor allem in der Nacht. Dann kribbeln die Füße, sie stolpert immer wieder, merkt beim Fußballspielen, dass ihr die Schritte schwerer fallen. Ihr Mutter Amela Bjelosevic erinnert sich gut an den Tag, als ihre Tochter zu ihr sagte: „Mama, ich kann nicht mehr richtig laufen.“
Die erste Diagnose: Skoliose, eine Verkrümmung der Wirbelsäule. Die junge Bosnierin bekommt Reha, doch danach ist ihr Zustand eher schlechter, mehrfach fällt sie beim gehen einfach um. Dann wird der Tumor gefunden: Ein Wirbelkörper ist von einem gutartigen Tumor befallen, der die Wirbelsäule krümmt und auf das Rückenmark drückt. 2018 wird Edna in Belgrad operiert und ein Teil des Tumors entfernt. Danach geht es ihr besser, sie kann wieder richtig laufen, doch der Tumor ist noch da – und wächst wieder.
Hoher Blutverlust
Die Ärzte in Bosnien sehen keinen Weg, den Tumor vollständig zu entfernen, da er aus stark durchbluteten Blutgefäßen besteht, bei einer Operation droht enormer Blutverlust. Ohne Operation droht der heute 18-Jährigen aber eine Querschnittslähmung und ein Leben in Rollstuhl. Da kommt ein Bekannter in Deutschland ins Spiel, der Ednas Schicksal Dr. Cornelius Jacobs berichtet, dem Chefarzt des Wirbelsäulenzentrums in St. Remigius Krankenhaus. „Die Zeit drängte und ich sah die Chance, dass wir mit unseren Möglichkeiten hier Edna heilen können“, sagt Jacobs. Die Zustimmung der Klinikleitung, die Behandlung der in Deutschland nicht versicherten Bosnierin kostenfrei anzubieten, hatte er schnell.
Das Wirbelsäulenzentrum
Rund 880 Patienten werden jährlich im Wirbelsäulenzentrum am St. Remigius Krankenhaus Opladen stationär behandelt. Der Chefarzt des Zentrums ist seit April 2019 Cornelius Jacobs. 2021 erhielt er das Focus-Siegel Top-Mediziner für Wirbelsäulenchirurgie. Behandelt werden hier degenerative Veränderungen, Verletzungen, Entzündungen, Deformitäten sowie Tumoren der Wirbelsäule, sowohl konservativ wie operativ. Dazu zählen unter anderem Bandscheibenvorfälle, Wirbelgleiten oder -brüche und Wirbelkanaleinengungen. (stes)
Ein bis zwei Mal im Jahr mache das Remigiuskrankenhaus solche Pro-bono-Operationen. „Aus Nächstenliebe, wie es unser Selbstverständnis als christliches Krankenhaus ist“, sagt Sprecherin Cerstin Tschirner. Rund 7000 Euro musste die Klinik für den Wirbelkörperersatz aufbringen, der Rest wurde aus der eigenen Infrastruktur gestemmt. „Wenn man das bei der Krankenkasse abrechnen würde, wäre man wohl bei über 50 000 Euro“, vermutet Jacobs.
Auf vier Operationen wurde der Eingriff verteilt, um den Blutverlust in Grenzen zu halten. Dabei wurde der vom Tumor befallene Wirbel entfernt und durch einen sogenannten „Cage“, einen expandierbaren Wirbelkörperersatz ersetzt. Dieser musste am Rückenmark vorbeigeschoben werden, ein heikler Eingriff.
Neu laufen lernen
Doch alles ist gut gegangen. Zwei Wochen ist die letzte Operation nun her. „Heute bin ich schon einige Schritte gegangen, ohne auf meine Füße zu schauen“, sagt Edna strahlend. Dass sie das erst wieder lernen muss, sei ganz normal, berichtet Jacobs: „Das Rückenmark ist erst einmal beleidigt und die Rückkopplung der Bewegung über das Gehirn funktioniert nicht mehr automatisch.“ So muss Edna jetzt mit einem Rollator wieder neu laufen lernen. „Aber es geht heute schon besser, als gestern“, sagt sie zuversichtlich.
Angst vor dem Rollstuhl
Die Familie ist Deutschland eng verbunden, Mutter Amela ist in Duisburg aufgewachsen, als sie in die vierte Klasse ging, zog sie mit ihrer Familie zurück nach Bosnien. Von 1993 bis 1998 kamen sie als Kriegsflüchtlinge wieder nach Deutschland. Und nun, um Ednas Rücken zu heilen. „Es ist ein Geschenk Gottes“, sagt Amela sichtlich gerührt. Natürlich hatten sie Angst vor Komplikationen, aber Zweifel an der Entscheidung hatte Edna nie. „Ich war bereit“, sagt die 18-Jährige. Nur kein weiterer Ärztemarathon mehr und kein Leben in Angst vor dem wachsenden Tumor.
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Am Montag fliegen Edna und Amela Bjelosevic zurück in die bosnische Heimat, wo Edna die Schule und eine mehrwöchige Reha erwartet. Dass sie ihren 19. Geburtstag in der nächsten Woche aber ohne Angst vor dem Rollstuhl feiern kann, ist ihr größtes Geschenk. „Edna ist gesund und sie wird ohne große Einschränkungen leben können“, sagt Dr. Jacobs.