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Unsichere Zukunft950 Spezialisten müssen Bayer verlassen

Lesezeit 4 Minuten

Was passiert mit mir? 950 Mitarbeiter von Bayer Business Services bekamen die Frage in der Rundsporthalle beantwortet.

Leverkusen – Bayer trennt sich von weiteren 950 Beschäftigten. Der Konzern gibt den größten Teil seiner IT-Dienstleistungen in Leverkusen auf und beauftragt stattdessen vier große Player aus der Branche mit der Weiterentwicklung seines IT-Bereichs. Darüber wurden die Mitarbeiter am Mittwoch in einer Betriebsversammlung informiert. Dazu hatte das Unternehmen die Rundsporthalle vis-à-vis der BayArena angemietet: Im Werk gibt es keine Halle, die groß genug ist für rund 1000 Leute.

Vor einem Jahr hatte der Konzernvorstand angekündigt, im Rahmen seines Sparprogramms auch die Tochter Bayer Business Services aufzulösen. Die Firma war in der ersten Ausgründungswelle vor 15 Jahren entstanden. Damals trennte sich Bayer von seiner Chemiesparte. Seit Mittwoch ist klar, wohin 950 von weltweit 4700 IT-Spezialisten bis zum nächsten Sommer wechseln: zu Atos, Capgemini, Cognizant und einer Tochter des indischen Multis Tata. Das bedeutet: In Leverkusen bleibt von BBS nicht viel übrig.

Neue Jobs in 50 Kilometer Umkreis

Doch sollen die Mitarbeiter nicht in alle Winde verstreut werden: Ihre neuen Arbeitgeber residieren entweder in einem Umkreis von 50 Kilometern, oder sie hätten zugesagt, in der Nähe neue Filialen aufzubauen, versicherte ein Sprecher des Konzerns. Die Verträge laufen nach Konzernangaben über sechs Jahre und können um ein weiteres Jahr verlängert werden.

Für den Bayer-Betriebsrat war entscheidend, dass die Kollegen so gut wie möglich abgesichert werden. Sie sollen bei ihren neuen Arbeitgebern vergleichbare Tätigkeiten haben, nicht weniger Geld verdienen, ihre gute Bayer-Altersversorgung behalten und – wie die im Konzern verbleibenden Beschäftigten – bis Ende 2025 vor betriebsbedingter Kündigung geschützt sein. Davon habe man im Aufsichtsrat die Zustimmung zur Trennung abhängig gemacht, sagte Heike Hausfeld, Mitglied des Kontrollgremiums und Betriebsratsvorsitzende in Leverkusen.

Die Kosten müssen runter

Hintergrund der erneuten Abspaltung sind die Kosten: Sie seien „in den vergangenen Jahren prozentual schneller gestiegen als der Umsatz des Unternehmens“. Das steht in der „Gemeinsamen Erklärung“ von Bayers Vorstand und Betriebsrat vom 28. November vorigen Jahres. Es gehe darum, die Kosten zu drücken und so die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, „die Ergebnisse zu verbessern und den Spielraum für zukunftsorientierte Investitionen zu erhöhen.“ Im Gegenzug will Bayer in den kommenden drei Jahren über 70 Millionen Euro in den Aufbau neuer Technologien und die Entwicklung der Beschäftigten im IT-Sektor investieren.

Bayers Finanzvorstand Wolfgang Nickl lenkte am Mittwoch den Fokus auf die Weiterentwicklung der Datensparte. „Wir wollen nicht nur Einsparungen erzielen, sondern die IT neu aufstellen, um digitale Lösungen in den Bereichen Gesundheit und Landwirtschaft schneller anbieten zu können.“ Daniel Hartert betonte, man habe Partner ausgesucht, die „in ihren Bereichen führend sind und mit denen wir bereits zusammenarbeiten“.

Es sei „kein einfacher Schritt, sich von so vielen Mitarbeitern zu trennen“, aber es gebe keine andere Lösung: „Bei Bayer werden diese Aufgaben nicht fortgeführt“, sagte der Chef von BBS, der auch Chief Information Officer des ganzen Konzerns ist.

Gemischte Gefühle

Die Betroffenen brachten am Mittwoch gemischte Gefühle aus der Betriebsversammlung mit. Die Stimmung in der Ostermann-Arena sei durchaus positiv gewesen: „Die meisten Leute sind froh, dass sie nicht entlassen werden. Es gab auch Applaus“, sagte ein Mann, der namentlich nicht genannt werden möchte.

Natürlich werde sich für die meisten Kollegen vieles verändern. „Wir sind dann fremd, gehören nicht mehr richtig dazu“, so ein Kollege, der seit 38 Jahren bei Bayer angestellt ist. „Ich dachte, ich bekomme 45 Jahre zusammen, aber so wird es jetzt nicht sein.“ Da er ein Altersteilzeitangebot unterschrieben hat, wird er jetzt nur „ausgeliehen“ und kann dem relativ entspannt entgegen sehen, wenn auch bei deutlichen Einschnitten bei der Rente: „Mein Rentenziel werde ich nicht erreichen.“

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Viele andere sehen in eine deutlich unsicherere Zukunft. Zum einen, was den Standort ihres künftigen Arbeitsplatzes angeht. Zudem herrscht Skepsis, dass sie ihre Position nicht halten können. „Und wenn wir bei internationalen Unternehmen arbeiten werden, muss ab sofort aber auch jeder zu 100 Prozent Englisch können“, gibt ein Mitarbeiter zu bedenken, das sei bislang nicht der Fall.

Und dann ist da noch die Frage von Tarif- und Gewerkschaftssituationen bei ausländischen Firmen. Viel Ungewissheit kurz vor Weihnachten.