Auf einen Vergleich ließ sich das Unternehmen vor Gericht nicht ein – und erntete ein überraschend positives Urteil.
Kündigung nach 20 JahrenBayer siegt in erster Instanz gegen altgediente Angestellte
Vor einem Vierteljahr war es für Hendrik van Laak noch „eine harte Nummer“, die Bayer gegenüber seiner Angestellten durchziehen wollte. Am Dienstag zog der Arbeitsrichter diese harte Tour selbst durch. Allerdings war van Laak im Opladener Gericht sehr deutlich anzumerken, dass er den „spannenden Fall“ sehr gern von einer höheren Instanz bewertet sehen will. Wird er: „Wir gehen in Berufung, selbstverständlich“, reagierte Peter Orlowski auf den für ihn „schockierenden“ Urteilsspruch. Seine Mandantin brach in Tränen aus. Sie hatte sich nicht vorstellen können, dass der Richter am Ende nur Bayer glauben könnte und ihr kein bisschen.
Worum geht es? Bayer wirft der früheren Assistentin eines Abteilungsleiters in der Pharma-Sparte Vital vor, fortgesetzten Arbeitszeitbetrug begangen zu haben. Die Frau soll in der Corona-Pandemie immer weiter mehr Stunden aufgeschrieben haben als normal. Gemeint ist eine halbe Stunde täglich. Das mit der halben Stunde stimme, hatte Kim Riemer schon Ende August im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht eingeräumt. Aber: Das sei mit ihrem Chef so abgesprochen gewesen. Nur so habe man abbilden können, dass sie immer wieder am Wochenende, im Urlaub und sogar an Tagen, an denen sie eigentlich krank war, geholfen habe.
Whatsapp-Chats als Beweis
Die Assistentin musste zum Beispiel Messe-Auftritte von Bayers deutscher Pharma-Sparte organisieren und Kongresse im Ausland. Beispielhaft hatte sie das auf Geheiß des Gerichts dokumentiert. In der Stellungnahme ihres Anwalts Peter Orlowski finden sich entsprechende Whatsapp-Nachrichten.
Bayer hingegen argumentiert mit E-Mails. Aus denen gehe klar hervor, dass die Frau, die seit 20 Jahren im Unternehmen ist und vor gar nicht langer Zeit befördert wurde, nur wenig geleistet habe. Eine halbe Überstunde am Tag sei durch nichts gerechtfertigt, heißt es.
Allerdings ist es strittig, ob überhaupt ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber nachweisen muss, was er an bestimmten Tagen so gemacht hat. Ganz abgesehen davon, dass Mail-Verkehr nicht unbedingt geeignet ist, Tätigkeit nachzuvollziehen – oder nicht. Richter van Laak stellte diese Frage auch am Dienstag nochmals in den Raum – ohne eine Antwort zu geben. „Wir tun uns extrem schwer.“ Allerdings überzeugten ihn auch die Argumente der Klägerin Kim Riemer nicht. Die Tätigkeitsnachweise seien „dünn“, findet der Richter.
Ein Vergleich wurde abgelehnt
Der Streit hätte indes aus der Welt geschafft werden können, wenn sich die Parteien auf einen Vergleich geeinigt hätten. Hendrik van Laak hatte vorgeschlagen, dass Bayer die Kündigung zurücknimmt und das Beschäftigungsverhältnis mit Kim Riemer nächsten Sommer enden lässt. Arbeiten hätte sie nicht mehr müssen. Außerdem sollte eine „Regelabfindung“ fließen: Das ist ein halbes Monatsgehalt für jedes Jahr, in dem Riemer bei Bayer angestellt war. Van Laak hatte die Abfindung sogar noch großzügig berechnet. Dennoch ist die Summe nicht annähernd mit dem vergleichbar, was Bayer Leuten mitgibt, die freiwillig gehen.
Aus Bayer-Sicht war das Angebot des Richters nicht akzeptabel. Also gab es ein Urteil, das für den Konzern mindestens einem Etappensieg gleichkommt. Das könnte wichtig sein: Aus dem Unternehmen hört man, dass weitere Beschäftigte mit dem Vorwurf des Arbeitszeitbetrugs konfrontiert sind. Die „harte Nummer“ könnte Bayer also noch häufiger anwenden.