Sie brachen in Berlin zu einer Bootstour auf – jetzt führen sie das Hafencafé in Hitdorf.
Neueröffnung HafencaféWie zwei Berliner in Hitdorf strandeten und zu Gastronomen wurden
Gabriele Klein und Ben Sanders sind wortwörtlich in Hitdorf gestrandet. „Wenn mich vor drei Jahren jemand gefragt hätte, wo Hitdorf am Rhein ist – ich hätte keine Ahnung gehabt“, sagt Klein. Damals lebten sie und Ben Sanders in Berlin, er als Rentner, sie hatte eine Maßschneiderei als selbstständige Schneiderin.
Dann kam Corona. Und die Frage: Was wollen wir mit unserem Leben noch machen. „Eine große Reise“, war die einstimmige Antwort. Und zwar auf dem kleinen Boot, dass beide schon länger in Berlin für kleinere Ausfahrten liegen hatten.
Das ganze alte Leben aufgelöst
Und so haben sie ihr ganzes Leben in Berlin aufgelöst: Atelier und Wohnung aufgegeben, nur das allernötigste konnte mit auf das Schiff. „Meine Freunde haben alle gesagt: Aber Ele, du kannst doch nicht ohne eine Nähmaschine sein“, erinnert sich Klein. Aber sie konnte.
Eineinhalb Jahre lang waren sie unterwegs, zuerst immer Richtung Süden, bis Toulouse, wo sie im Hafen überwinterten. „Das war so schön dort, die vielen Märkte und netten Menschen“, erinnert sich Sanders. Im Frühling 2022 ging es zurück Richtung Deutschland, ohne festes Ziel. Der Abend näherte sich, als sie Leverkusen passierten, zur Nacht machten sie im Yacht-Club Wuppertal-Hitdorf fest.
Am nächsten Morgen der Schock: Motorschaden. „Wir haben eine alte niederländische Motorjacht mit einem amerikanischen Motor, dafür Ersatzteile zu bekommen war sehr schwierig und hat ewig gedauert“, erzählt Sanders. Als sie dann da waren, kam zuerst das Niedrigwasser, dann der Winter – das Ehepaar steckte in Hitdorf fest.
Die Schneiderin suchte sich also einen Job und wurde schnell in der „Nähszene“ in der Schlebuscher Innenstadt fündig. Jeden Tag fuhr sie mit dem Fahrrad von Hitdorf nach Schlebusch und zurück, entlang der Dhünn, der Wupper und schließlich zum Rhein, der im Sonnenlicht glitzert. „Was ist das hier nur für ein schöner Ort?!“, sagt die Berlinerin mit verträumten Blick.
Und dann kam das Angebot: Die vorherigen Betreiber des zum Yacht-Club gehörenden Cafés wollten aufhören. „Und da hat man uns gefragt, ob wir das nicht machen wollen“, sagt Klein. Mit 59 und 70 Jahren noch ins Gastronomie-Geschäft einsteigen? Natürlich ist das ein Risiko. Aber auch nicht mehr, als sein ganzes altes Leben zurückzulassen und auf ein Schiff zu ziehen.
Also sagen sie ja und eröffneten am 1. Mai das neue „Hafencafé“. Alles, was es hier gibt, machen die beiden leidenschaftlichen Köche selbst. „Wir haben das zwar nie gelernt, aber kochen war uns immer wichtig, auch unterwegs in unserer kleinen Bootsküche haben wir immer aufwendig gekocht“, sagt Ben Sanders. „Wenn ich ein Schneidebrett und ein Messer habe, bin ich glücklich.“
Süße und herzhafte Kuchen
Aktuell bietet das Hafencafé vor allem süße und herzhafte Kuchen und Quiches an. Die Tagesangebote stehen auf liebevoll handgeschriebenen Zetteln. „Wir probieren erst einmal aus, was gefragt ist und passen uns dann an“, sagt Ele Klein. Wünsche werden gerne aufgenommen. Wichtig war Klein vor allem auch guter Kaffee, für den sie sich den Traum einer Siebträgermaschine erfüllt hat.
Zum Pachtvertrag für das Café gehört eine kleine Wohnung über dem Gastraum. Hier wohnt das Ehepaar aber nicht, Ele Klein schüttelt kräftig mit dem Kopf. „Meine Bedingung war ganz klar, dass wir weiter auf dem Boot schlafen“, sagt die 59-Jährige. Und brauchte dafür keine Überredungskunst.
Auch Sanders liebt das Leben auf gerade einmal 17 leicht schaukelnden Quadratmetern mit seiner Frau, die er erst kurz vor Corona geheiratet hat. „Wir haben uns zwar schon vor 25 Jahren in einem Tangokurs kennengelernt, aber dann wieder aus den Augen verloren“, erinnert sich Sanders. 22 Jahre später war er in Berlin, besuchte sie – und dann ging alles ganz schnell.
Über dem Café hat sich Ele Klein dafür ein kleines Atelier eingerichtet. Hier hat sie auch wieder eine Nähmaschine. Die Berliner sind jetzt fest in Hitdorf verankert.
Das Hafencafé, Rheinstraße 166, ist mit dem Fahrrad über den Radweg am Rheinufer zu erreichen. Von der Rheinstraße aus gibt es eine Zufahrt in den Innenhof vor dem Café. Geöffnet ist Mittwoch bis Sonntag jeweils von 12 Uhr bis 22 Uhr. Das Angebot an süßen und kleinen herzhaften Speisen wechselt, eine Reservierung ist nicht erforderlich. Das Café kann auch für Veranstaltungen mit externem Catering gebucht werden.