DenkmalschutzReuschenberger Mühle ist seit 540 Jahren ein Arbeitsplatz
Leverkusen – Sie war immer Arbeitsplatz. Getreide wurde in der Reuschenberger Mühle in Bürrig gemahlen, Lumpen zerfetzt, Feinpapier oder Feuerlöscher produziert. Die Spuren des stetigen Wandels sind an dem klassizistischen Gebäude auch an der Fassade gut sichtbar.
Etwas heller ist das Backsteingebäude dort, wo noch gut der Giebel eines mittlerweile abgerissenen Nebengebäudes zu sehen ist. Auch die Tage des alten Schuppens sind gezählt, in dem die Schlosserei Pilgram schon in der dritten Generation arbeitet. Sie erhält am Wasser der Wehranlage ein neues Domizil.
Für Peter Odenthal, den stellvertretenden Vorsitzenden der Stadtgeschichtlichen Vereinigung, ist die Mühle ein ganz besonderer Ort. Er lebt in unmittelbarer Nachbarschaft in Alte Garten und ist mit dem Gebäude aufgewachsen.
Herausragendes Objekt
Dass der Schuppen abgerissen werden soll, ist für ihn kein Drama, es geschehe im Einklang mit der Denkmalbehörde. Aber Odenthal dokumentiert es. Denn die 540-jährige Geschichte der Mühle kennt kaum einer so gut wie er.
Jüngst wurde sie vom Rheinischen Mühlen-Dokumentations-Zentrum (RMDZ) in die Liste „herausragender Objekte“ im Rheinland aufgenommen. Der heutige Bau stammt von 1847.
Um 1840 wurden durch den Freiherrn Franz Egon von Fürstenberg-Stammheim die älteren Gebäude der Fabrikanlage errichtet. 1847 erhielt er die Konzession, eine neue Mühle anstelle der bis dahin auf dem Rittergut Reuschenberg betriebenen Mühle zu errichten. Energetisch genutzt wurde das Gefälle zwischen Wehr und Untergraben mittels Turbinenkraft.
Wie das Stadtarchiv zusammengefasst hat, wurde die alte Ölmühle seit 1863 nicht mehr betrieben. Die alte Schrot-Mühle arbeitete noch bis 1872 als Lohmühle.
„Die alte Anlage, die mit einer Abteilung des neuen Mühlengrabens zu den alten Wasserrädern betrieben worden war, wurde Mitte der 80er-Jahre des 19. Jahrhunderts abgebrochen.“ 1881 kaufte Peter Cremer das Mühlenanwesen und ließ neue Turbinen einbauen und einen Holzschleifereibetrieb einrichten.
Holzschliff wurde zur Gewinnung von Rohstoffen zur Papiererzeugung benötigt. Cremers Sohn Gisbert baute den Betrieb zu einer modernen Papierfabrik aus und erweiterte sie später mit seinem Teilhaber, dem Verleger Jean Marie Neven DuMont. In den 30er-Jahren kaufte die Firma Schusterinsel, Textilveredelungsgesellschaft die Anlage.
Dass der Denkmalschutz so gut greift, ist laut Odenthal vor allem dem früheren Denkmalpfleger Meinolf Hehmann zu verdanken, der sich für das Gebäude einsetzte. Seit 2011 ist die Reuschenberger Mühle in Besitz der Firma Josef Rappel GBR, Wasserkraftanlagen in Rötz in der Oberpfalz.
Fahrradhändler und Architekt
Ein Fahrradhändler, das Architekturbüro Wirtz und Kölsch, Künstler und Schlosser Pilgram gehören zu den Mietern. Um das Hauptgebäude mit einem Treppenhaus besser erschließen zu können, soll der alte Schuppen vor der prächtigen Fassade abgerissen werden. Bewahrt wird der alte Seilaufzug, der in den 50er-Jahren stillgelegt wurde und für die Mehlproduktion benötigt wurde.
Geräuschempfindlich darf man im Mühlenhaus allerdings nicht sein, ein Tonstudio käme als Mieter wohl nicht in frage. Denn mitunter rauscht das Wasser besonders laut im Mühlengraben, die Turbinen surren und immer noch ist es eben ein Arbeitsplatz.
Ein besonders schöner, wie Architekt Bernd Kölsch befindet. Solche Gebäude hätten in Leverkusen Seltenheitswert.
Peter Odenthal freut es, dass der neue Besitzer ein gutes Gespür für die historische Bedeutung hat. Er überließ dem passionierten Historiker so manchen Schlüssel und Odenthal hat in im alten Treppenhaus Erläuterungstafeln und sogar eine Dampfmaschine aufgestellt.
„Für die Kinder reicht meist ein altes Fahrrad, um ihnen zu demonstrieren, wie Strom produziert wird.“ Regelmäßig gibt es Führungen wie am Mühlentag und da ist für Odenthal die Resonanz mitunter schon überwältigend. Laut Stadtarchiv stellt insbesondere das Hauptgebäude „eine der – im nordrhein-westfälischen Vergleich zu sehenden – qualitätsvollsten Industriearchitekturen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dar.“ Sie sei Markenstein des sich im 19. Jahrhundert etablierenden Industriebaus.