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Besonderes KonzertLeverkusen findet im Weihnachtsoratorium zusammen

Lesezeit 3 Minuten
Tenor Benjamin Bruns steht am Dirigentenpult: ein Debüt

Dirigentendebüt eines Tenors: Benjamin Bruns singt die Tenorarien vom Pult.

Was passiert, wenn die Stadt ihre musikalischen Kräfte bündelt und das Publikum einlädt, mitzumachen? Etwas Großartiges.

Am Nikolausabend wurde im Forum Tradition mit gemeinschaftlicher Teilhabe neu gedacht: Es ist kein gewöhnliches Konzert, das im Terassensaal erklingt, sondern eine leidenschaftliche Gemeinschaftsleistung, die wichtige kulturelle Akteure der Stadt vereint: Bayer Kultur, das Bayer-Blasorchester, die Bayer Philharmoniker, den Städtischen Chor, das Barock-Ensemble „l’arte del mondo“ sowie als Verstärkung den Chor der Abtei Brauweiler. Gemeinsam präsentieren sie Bachs Weihnachtsoratorium, Kantaten eins bis drei – was super klassisch klingt, kommt dann ganz überraschend.

Leverkusener sollen mitsingen: Intimität statt Monumentalität

Das Forum ersetzt an diesem Abend einen Kirchenraum – der üblicherweise Schauplatz solcher Werke wäre. Es ist bewusst so gewählt, als ob man das Weihnachtsoratorium zu Hause erlebt, in einer vertrauten, fast intimen Atmosphäre. Der Terrassensaal wirkt dabei wie ein gemütliches Wohnzimmer – ein Ort, an dem Bach auf Vinyl rotiert, während Familie und Freunde lauschen und mitsummen. Doch dieses Wohnzimmer hat einhundertfünfzig Musikerinnen und Musiker und ein Publikum, das eingeladen ist, mitzusingen. Die Choräle, fest eingebettet in Bachs Werk, verbinden Bühne und Zuschauerraum, wo auch das Bayer Blasorchester sitzt, bis die Grenzen verschwimmen und ein harmonisches „Wir“ entsteht.

Benjamin Bruns: Weltstar und Dirigentendebütant

Benjamin Bruns ist einer der gefragtesten Wagner-Tenöre unserer Zeit. Bruns, der an den renommiertesten Opernhäusern „Parsifal“ und „Lohengrin“ singt, glückt in Leverkusen ein künstlerisches Experiment: Zum ersten Mal steht er als Dirigent vor einem Ensemble – und singt von seinem Dirigentenpodest dabei auch noch die Tenorarien. Bruns’ Interpretation von Bach trägt eine besondere Handschrift: lebendig, flüssig und dennoch tiefgründig. Es ist ein Bach, der perlt wie eine Kette aus klangvollen Perlen, dabei jedoch niemals steif oder zu romantisch wirkt.

Die Solistenriege des Abends, ist ein „Who’s Who“ der Klassikszene: Nadine Weissmann, bekannt von den Wagner-Festspielen in Bayreuth, Wiard Witholt, ein charismatischer Bassbariton aus Augsburg, und Caroline Bruker, die mit ihrer klaren Sopranstimme den Raum erhellt. All diese Stimmen hätten sicher ganz woanders auftreten können – doch sie kommen nach Leverkusen, um dieses einmalige Projekt mit ihrem Freund Bruns zu verwirklichen. Und dieses Verhältnis hört man heraus.

Das Forum Leverkusen wird zu einem Wohnzimmer voller Klang

Ein besonderer Reiz des Abends liegt in seiner Vielseitigkeit. Das Bayer-Blasorchester bringt eine völlig neue Klangfarbe ins Spiel. Es begleitet nicht nur die Choräle, sondern präsentiert zwischen den Kantaten moderne Stücke, die bewusst kontrastieren. So zum Beispiel „Gloria“ von Randol Alan Bass. Diese Ergänzungen erweitern das Spektrum der Aufführung und machen sie gleichzeitig zu einem Leverkusener Unikat. Der volle, warme Klang der Bläser verleiht den Chorälen eine orgelartige Wucht, die das Publikum im wahrsten Sinne umhüllt.

Die wahre Kraft des Abends liegt in seiner Gemeinschaftlichkeit. Dieses Weihnachtsoratorium entsteht aus Zusammenarbeit – einer kulturellen Allianz, die zeigt, was möglich ist, wenn Stadt und Kultur gut zusammenarbeiten. Vielleicht wird diese Aufführung ja zur Tradition, bei der Profis und Laien, Publikum und Musikmachende, alle gemeinsam etwas Großes schaffen. Ein Weihnachtsoratorium, wie es sein sollte – für alle.