Im Nürnberger Prozess entlastetBayer-04-Spieler stellte Werksleiter Persilschein aus
- Richard Job, der heute 100 geworden wäre, gab 1948 eine Erklärung für Hans Kühne ab
- Der Persilschein verschwand im Bayer-Archiv.
Leverkusen – Sogenannte Persilscheine, wie nach dem Zweiten Weltkrieg das Reinwaschen einer Person bei der Entnazifizierungsbehörde bezeichnet wurde, sind als Quellen mit Vorsicht zu genießen. Wer garantierte für die Objektivität, waren alle genannten Argumente schlüssig, wer stellte die Scheine aus und mit welcher Intention?
Manches ist in den Archiven verschwunden, wie auch drei Schreibmaschinenseiten, auf denen der Leverkusener Fußballer Richard Job zur Entlastung des ehemaligen Bayer-Werkschefs Hans Kühne im Nürnberger Prozess gegen die I. G. Farben seine eidesstattliche Aussage unterschrieben hatte. Kühne war 1947 von der US-Militärregierung verhaftet und 1948 in Nürnberg wegen Plünderei angeklagt worden.
Später sprach das Gericht ihn und zwei weitere Angeklagte frei, da „das Beweisergebnis nicht ausreichend [sei], um eine in voller Kenntnis der Tatumstände begangene, in zustimmendem Verhalten bestehende Handlung festzustellen, die weitgehend genug ist, um als strafbar angesehen zu werden und somit eine Verurteilung dieser drei Angeklagten zu rechtfertigen“, wie es im Wollheim-Memorial der Frankfurter Holocaust-Gedenkstätte zu lesen ist.
Dokument gefunden
Kühne erhielt später eine Anstellung bei Bayer Elberfeld, wo Industrie-Manager Ulrich Haberland vielen ehemaligen I. G. Farben-Kollegen zu neuer Tätigkeit verhalf. Hans Kühne starb im Februar 1969 in Lindau.
Der Leverkusener Historiker Reinhold Braun, Vorsitzender des Bergischen Geschichtsvereins, Abteilung Leverkusen-Niederwupper und Mitglied der Stadtgeschichtlichen Vereinigung, stieß bei seinen Recherchen im Bayer-Archiv auf Richard Jobs eidesstattliche Aussage über den Fußballverein Bayer 04 im Zweiten Weltkrieg und über Spiele mit Ausländern, Fremdarbeitern und Internierten. Es ist ein seltenes Dokument. Rüdiger Vollborn, Direktion Fans und Soziales, kannte es nicht. „Das einzige, was ich in den Ordnern finden konnte, ist ein Artikel über ein Spiel gegen eine Flamenauswahl, sonst leider nichts über Freundschaftsspiele gegen Kriegsgefangene .“
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Richard Job starb im April 2010 und hätte am Dienstag, 9. März, hundertsten Geburtstag gefeiert. Seine eidesstattliche Erklärung gibt auch etwas über seine eigene Herkunft preis: „Meine Eltern waren früher russische Staatsangehörige, wohnten in Lodz, sind aber während des Ersten Weltkriegs nach Leverkusen gezogen und hier wohnen geblieben.“ Job hatte in Langenfeld den Beruf des Schriftsetzers gelernt und arbeitete als solcher ab August 1945 bei der I. G. Farben in Leverkusen. In seiner Aussage erklärt er: „Ich bin Sportsmann und gehöre seit 1930 der Fußballabteilung der Sportvereinigung Bayer 04 Leverkusen, einem Verein, den praktisch nur Angehörige der I. G. Leverkusen angehören, und den die Leitung des Werks ideell und finanziell besonders unterstützte (Herr Doktor Hans Kühne war selbst Mitglied) – an und bin daher in der Leverkusener Sportbewegung bestens bekannt.
Der Fußball-Sportbetrieb der Sportvereinigung Bayer 04 Leverkusen wurde auch während des Krieges bis Ende 1944 hier weiter betrieben. Obwohl die Vorschriften der Polizei und Partei es Ausländern mit Kennzeichen „Ost“ und „P“ verboten, an öffentlichen Veranstaltungen, wie Kino, Sport usw. teilzunehmen, hat die Sportvereinigung Bayer 04 Leverkusen sich hieran nie gehalten und hat zum Beispiel alle Ausländer, die dafür Interesse zeigten, zu Fußballspielen auf unserem Sportplatz ohne Unterschied zugelassen. Gegen Belgien haben unsere Mannschaften sogar während des Krieges Wettspiele ausgetragen, die ziemlich groß aufgezogen worden sind.“
Es dürfte allenfalls eine Randnotiz der Geschichte sein, die die Rolle der I. G. Farben im Unrechtsregime keinesfalls relativiert. Wie der Historiker Norbert Frei festhält, „waren annähernd die Hälfte der 333 000 Menschen, die das 1925 zusammengefügte Kartell gegen Kriegsende in seinen 334 Betrieben beschäftigte, Fremd- und Zwangsarbeiter. Kein anderes Privatunternehmen war in höherem Maße Teil der Kriegsmaschine geworden – obwohl die Vorstellungen der Nationalsozialisten von einer rassenimperialistisch geprägten Großraumwirtschaft der ursprünglich liberalen Weltmarktorientierung des Unternehmens zuwiderliefen.“
Inwiefern die „Feinde als Fans beim Fußball“ zusammenfanden, lässt sich aus Jobs Aussage nicht herauslesen. Er nennt die Spiele. Auf dem Sportplatz „Wirtschaft Lützenkirchen“ habe während des Krieges ein Fußballturnier stattgefunden, an dem sowohl Kriegsgefangene, als auch die italienischen Militär-Internierte und Zivilausländer teilnahmen. „So viel ich mich erinnere, hat die polnische Mannschaft dieses Fußballturnier gewonnen. Diese sportlichen Veranstaltungen waren nur möglich, weil die Leitung des Werkes der I. G. Leverkusen alles, was mit diesen sportlichen Bestrebungen auch der Ausländer zusammenhing, weitgehend unterstützte“, so Job .