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InsolvenzenWarum so viele Privatleute nicht mehr zahlen können

Lesezeit 2 Minuten
Ein Kugelschreiber liegt auf einem Antrag zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.

Viele warten zu lange. Die Zahl der Privatinsolvenzen ist deutlich gestiegen.

Ratenzahlung ist zu leicht, zu viele verlieren den Überblick. Die Anwältin Magdalena Konschalla gibt Einblicke.

Nicht nur Unternehmen können pleitegehen, sondern auch Privatleute. Ihre Zahl steigt stetig; letzte Zahlen für das erste Halbjahr aus Nordrhein-Westfalen zeigen eine Zunahme von gut fünf Prozent auf 8748 Fälle. Dem stehen 2722 Firmenpleiten gegenüber, was indes einem erschreckenden Plus von 26 Prozent entspricht. Betroffen von den Firmenpleiten waren fast 40.000 Beschäftigte. Das waren in etwa so viele wie im ersten Halbjahr 2023. Die finanziellen Forderungen allerdings sind extrem gestiegen: um fast 70 Prozent von 5,7 auf 9,6 Milliarden Euro.

Anwältin Magdalena Konschalla, die sich auf Insolvenzrecht spezialisiert hat, kennt auch viele Privatleute, die nicht mehr bezahlen können und ein Insolvenzverfahren durchlaufen müssen. Ihre Erfahrung: „Schicksalsschläge sind nicht häufig.“ Also Krankheit oder Tod. Sehr viel häufiger würden Menschen Opfer der Verlockungen im Internet. Bestellen ohne sofort zu bezahlen, das würde oft falsch gedeutet: „Die Leute verstehen nicht, dass sie einen Kredit abbezahlen“, wenn sie nach der Bestellung einen Aufschub vereinbaren, was mit ein paar Klicks geht.

Überbrückungen, die nirgendwohin führen

Typisch sei, sich mit Überbrückungsfinanzierungen über Wasser zu halten, wenn man mit dem Geld nicht auskommt: Da würden Mietkautionen vorfinanziert. Oder das Auto verpfändet, weiß Konschalla. Natürlich zu maximal ungünstigen Konditionen. Mit dem Auto, das sei ohnehin eine besondere Sache: „Das ist heilig.“ Lieber begebe sich mancher in eine finanzielle Schieflage, als sein zu teures Auto aufzugeben.

Magdalena Konschalla mit ihrer Kollegin Ulrike Schraad

Magdalena Konschalla (rechts) mit ihrer Kollegin Ulrike Schraad

Viele Menschen, die in akute Zahlungsschwierigkeiten geraten seien, kennen auch die Regeln nicht, so Anwältin Konschalla. Zum Beispiel bei Steuererstattungen. Das Geld vom Finanzamt dürfe man bei einer Privatpleite nicht behalten, „das fällt in die Insolvenzmasse“ – müsse also verwendet werden, um die Gläubiger zu befriedigen.

Gerade bei Privatinsolvenzen spiele auch die Scham eine Rolle: „Einigen ist das zutiefst peinlich“, ist Konschallas Erfahrung. Und das sei oft ein Problem. Weil es verhindert, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen. Dabei sei es enorm wichtig, „sich früh beraten zu lassen“. Und dann eben auch die Reißleine zu ziehen. „Mit dem Trümmerhaufen in die Insolvenz zu gehen, ist der falsche Weg.“

Mancher Schuldner nehme die Zahlungsunfähigkeit allerdings auf die leichte Schulter. Und werde der Situation nicht gerecht. Es dauere nach einer Privatinsolvenz schließlich Jahre, um seine Kreditwürdigkeit wiederzuerlangen. Das werde oft unterschätzt, ist die Erfahrung der Spezialistin.

Während des Verfahrens indes sollten Schuldner auch selbst aktiv werden und sich nicht komplett auf die Insolvenzverwalterin verlassen. „Ich bin kein Betreuer.“