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Jusos Leverkusen„Die Meisten wollen lieber innerhalb der Partei etwas verändern“

Lesezeit 7 Minuten
Joelina Peters und Sebastian Kocks bilden die Doppelspitze der Leverkusener Jusos.

Joelina Peters und Sebastian Kocks bilden die Doppelspitze der Leverkusener Jusos.

Wie kann man sich als junger Mensch wirkungsvoll politisch einbringen? Die Leverkusener Jusos glauben, dass sie dafür am richtigen Ort sind.

Joelina Peters und Sebastian Kocks, seit Beginn dieses Jahres sind Sie die Vorsitzenden der Leverkusener Jusos. Was hat Sie zuvor zum Beitritt bewogen?

Kocks: Ich bin 2017 nach der Bundestagswahl eingetreten, weil das die Wahl war, bei der die AfD erstmals in den Bundestag eingezogen ist. Das hat mir sehr viel Angst gemacht. Ich wollte etwas in der Politik tun und habe mich dann umgeschaut, welche Partei am nächsten an meine politischen Überzeugungen heran kommt. Die meisten Überschneidungen habe ich bei der SPD gesehen.

Peters: Ich bin seit 2021 Juso-Mitglied. Das war kurz vor der damaligen Bundestagswahl. Der Grund dafür war ebenfalls der drohende Rechtsruck. Der ist, seitdem es die AfD gibt, immer stärker geworden. Ich war schon früher SPD-Wählerin, aber hatte mich vorher häufig ohnmächtig beziehungsweise der Politik ein Stück weit ausgesetzt gefühlt. Ab diesem Zeitpunkt wollte ich dann selbst politisch aktiv werden und zumindest auf kommunaler Ebene etwas verändern.

Was hat Sie bei der SPD inhaltlich am meisten überzeugt?

Kocks: Bei mir war es vor allem der soziale Aspekt. Bei den Grünen hat mir beispielsweise häufig der Blick auf die finanziell Schwachen in der Gesellschaft gefehlt. Da habe ich mich bei der SPD besser aufgehoben gefühlt.

Peters: Dem kann ich mich nur anschließen. Ich komme selbst aus einer sozial schwachen Familie. Da war es für mich sehr wichtig, dass soziale Ungleichheit bekämpft wird, damit Kinder aus einem schlechteren sozioökonomischen Umfeld insbesondere bei der Bildung dieselben Chancen haben. Das hat die SPD für mich immer recht gut getroffen.

Wie sind Ihre Arbeitsschwerpunkte bei den Leverkusener Jusos?

Kocks: Antifaschismus ist für uns ein wesentlicher Bestandteil. Wir waren eine der federführenden Kräfte bei der großen Demonstration gegen Rechts. Allgemein betreiben wir viel Aufklärungs- und Bildungsarbeit zum Thema Rechtsradikalismus gerade im Bereich Social Media. Es ist ja leider so, dass das gesellschaftliche Klima deutlich rechter wird.

Peters: Wir schreiben natürlich auch fleißig Anträge für unsere Juso-Parteitage. Zuletzt haben wir zum Beispiel einen Antrag gegen die Bezahlkarte für Geflüchtete geschrieben. Das ist jetzt ein Parteitagsbeschluss. Darauf sind wir sehr stolz.

Die Bezahlkarte steht in gewisser Weise sinnbildlich für die sich gegenwärtig verschärfende Migrationsdebatte. Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang aus Ihrer Sicht die Mutterpartei?

Kocks: Ich glaube, sehr viele Jusos sind nicht zufrieden mit der nach rechts driftenden SPD-Politik im Bund. Von uns sind eigentlich alle gegen das Sicherheitspaket der Bundesregierung. Wir finden, es sollte nicht das Narrativ vom gefährlichen Geflüchteten weiter bespielt werden. Wir sehen uns selbst da auch häufig als Opposition in der eigenen Partei – gewissermaßen als linkes Gewissen. Es gibt auch Jugendverbände, die dann lieber die Partei verlassen, aber wir sehen es so, dass unsere Positionen sonst gar nicht mehr vertreten wären, wenn wir alle austreten.

Jusos Leverkusen: Spaltung des linken Lagers kontraproduktiv

Wie bewerten Sie in dem Zusammenhang den Rücktritt des ehemaligen Vorstandes der Grünen Jugend? Dieser hätte sich mit Sicherheit ebenso als linkes Gewissen der Mutterpartei bezeichnet.

Kocks: Ich kann den Rücktritt überhaupt nicht nachvollziehen. Ich glaube, es ist generell ein Problem linker Parteien, dass sie sich zu sehr aufspalten. Viele junge Leute wählen mittlerweile Kleinparteien. Diese Stimmen verfallen dann in der Regel. Obwohl wir im demokratischen Spektrum eigentlich immer noch mehr sind, schaffen wir es dann so häufig nicht, die vorhandene „PS“ gegen Rechts auf die Straße zu bringen. Die Rechten schaffen es für gewöhnlich schon, sich hinter einer großen Partei zu versammeln. Wir haben das Thema auch bei uns Jusos viel beredet. Die Meisten wollen lieber innerhalb der Partei etwas verändern.

Peters: Wenn es mit der zunehmenden rechten Politik einen großen Gegner gibt, wie sinnvoll ist es dann, sich in viele kleine Positionen aufzusplittern, um dagegen anzukommen, anstatt sich zusammen zu tun?

Nichtsdestoweniger haben viele ehemalige Jusos in der Vergangenheit deutlich gemäßigtere Positionen vertreten, nachdem sie ein Amt bei der Mutterpartei übernommen haben. Sehen Sie da keinen systemisch bedingten Konflikt?

Peters: Auf Bundesebene hat man das sicherlich schon häufig beobachten können. Hier in Leverkusen sehe ich da aktuell noch kein Problem. Einer unserer Jusos, Darius Ganjani, ist jetzt Parteivorsitzender geworden und ich habe nicht das Gefühl, dass er seitdem weniger links ist. Außerdem sehen wir ja, welche Einflussmöglichkeiten wir haben, wenn wir bei Parteitagen unsere Positionen durchbringen, obwohl wir da nicht die Mehrheit stellen.

Kocks: Auf Bundesebene ist das, speziell in Regierungsverantwortung, auch nochmal etwas anderes, weil man einfach in Sachzwängen gefangen ist. Wir waren sicherlich bei einigen Entscheidungen von ehemaligen Jusos enttäuscht, aber im Grunde kann man schon sagen, dass vor der letzten Bundestagswahl viele „Juso-Themen“ mit ins Wahlprogramm eingeflossen sind. Gerade durch den Ukraine-Krieg und andere Katastrophen sind dann viele Dinge nicht umgesetzt worden, aber aus meiner Sicht war dieses SPD-Programm deutlich linker als vorherige, was nicht zuletzt an uns lag.

Welche Themen sehen Sie auf kommunaler Ebene am drängendsten?

Peters: Für uns ist es am wichtigsten, dass trotz der Haushaltssperre soziale Themen nicht vernachlässigt werden und dadurch die Ungleichheit zunimmt. Darüber hinaus sollen die Anliegen junger Menschen wegen der angespannten finanziellen Situation nicht zu kurz kommen: Wir setzen uns beispielsweise für einen neuen Skatepark ein, wenn der Aktuelle unter der Stelze abgerissen wird und auch die Schulen dürfen nicht zu kurz kommen. Die Haushaltssperre darf nicht zu einem riesigen Investitionsstau führen.

Lokalpolitik in Leverkusen als Mittel gegen Ohnmachtsgefühl

Wie können Sie sich in dieser Hinsicht als Leverkusener Jusos einbringen?

Peters: Wir haben Jusos in der Gesamtfraktion, die als Vertreter in den Ausschüssen fungieren. Ich vertrete zum Beispiel jemanden im Bildungsausschuss und kann dadurch sehr oft an den Sitzungen teilnehmen. Außerdem können wir uns in den Arbeitskreisen der Fraktion einbringen, die die jeweilige Ausschusssitzungen vorbereiten. Im Sozialausschuss ist sogar jemand von uns festes Mitglied. Viele Anträge werden erstmal dahingehend überprüft, ob das überhaupt mit der Haushaltssperre funktioniert. Hier sind wir ganz nah dran und können uns gegen Sparvorhaben einsetzen. Auf kommunaler Ebene betreiben wir also nicht Oppositionsarbeit innerhalb der eigenen Partei.

Kocks: Unsere Fraktion hat in den letzten Jahren darauf geachtet, immer mehr Jusos in die Fraktion mit reinzunehmen und diese zu verjüngen. Sehr viele Mitglieder von uns sind sachkundige Bürger. Ich bin eine Vertretung im Ausschuss für Stadtentwicklung, Planen und Bauen. Dadurch hat man wirklich einen konkreten Einblick in die Abläufe der Kommunalpolitik. Wir bereiten auch Anträge vor, die in den Stadtrat kommen oder in den einzelnen Ausschüssen abgestimmt werden. Das macht schon richtig Spaß, konkret mitzuarbeiten und nicht nur einfach Außenstehender zu sein.

Das klingt danach, als ob Sie über Ihre Arbeit Selbstwirksamkeit erfahren. Oft heißt es, junge Menschen seien wegen eines Ohnmachtsgefühls politikverdrossen. Wie nehmen Sie das wahr?

Kocks: Ich würde die These aufstellen, dass junge Leute deutlich politischer sind als noch vor ein paar Jahren. Ich nehme aber wahr, dass sich die meisten Jugendlichen nicht mehr in Parteien organisieren. Sie davon zu überzeugen, ist schwierig, weil Parteien von Grund auf träger als aktivistische Organisationen sind, weshalb diese erstmal attraktiver erscheinen. Das beste Beispiel ist „Fridays for Future“. Die wenigsten der sich dort Engagierenden sind schlussendlich in Parteien gegangen. Das ist aber schade, weil dadurch die Positionen jüngerer Menschen unterrepräsentiert sind. Parteien sind nun mal die Einrichtungen, die aktiv in der Demokratie mitgestalten.

Peters: Ich teile den Eindruck. Viele junge Menschen politisieren sich und wir können sie an der Stelle häufig nicht abholen. Da müssen wir besser werden und konkret aufzeigen, was wir mit mehr Unterstützung erreichen können. Wie eingangs erwähnt, habe ich tatsächlich erst durch die Parteiarbeit das Gefühl bekommen, etwas bewirken zu können und auch Kommunalpolitik besser verstanden. Diejenigen, die zu uns kommen, machen das in der Regel wegen der Bundespolitik und merken erst danach, dass hier in Leverkusen viel bewegt werden kann. Ich nehme wahr, dass sich das durch die Bundespolitik vermittelte Ohnmachtsgefühl dann auflöst.


Die Doppelspitze der Leverkusener Jusos

Joelina Peters ist 25 Jahre alt und lebt seit 2019 in Bürrig. Neben ihrem politischen Engagement ist sie aktuell Lehramtsanwärterin. Ihr Co-Vorsitzender Sebastian Kocks ist ebenfalls 25 Jahre alt und gebürtiger Leverkusener. Er studiert Politikwissenschaft an der Bergischen Universität Wuppertal und lebt in Küppersteg.


Die Serie

In unserer Serie „Junge Politik in Leverkusen“ treffen wir Vertreterinnen und Vertreter der Jugendorganisationen der demokratischen Parteien in der Stadt. Wir sprechen mit ihnen über aktuelle lokale und überregionale Themen. (nip)