Keine Kirchensteuer und ein sehr aktives Gemeindeleben: In Burscheid und Lützenkirchen halten sich die evangelischen Freikirchen gut.
ReligionFreikirchliche evangelische Gemeinden in Leverkusen und Burscheid feiern Jubiläum
„Wir haben noch Einiges zu tun“, stellt Norbert Meyer, erster Vorsitzender der evangelischen Freikirche Lützenkirchen, lachend fest und verweist auf ein Paket mit weißen Luftballons. „Die müssen alle noch aufgeblasen werden!“ Anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Gemeinde sollen die Räumlichkeiten an der Lützenkirchener Straße festlich geschmückt werden, um am Wochenende das Jubiläum angemessen begehen zu können.
„Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir keinem Verband angehören wollen“, beschreibt Meyer die Ursprünge der gegründeten Gemeinde, die aus sogenannten Hauskreisen hervorging und rund 20 Mitglieder zählt. Die inhaltliche und administrative Unabhängigkeit sei der Grund für diese Entscheidung gewesen, so der Leiter der Lützenkirchener Freikirche. Für ihn zähle keine Mitgliedschaft in einer Kirche, sondern ausschließlich der persönlich gelebte Glaube auf Grundlage der Bibel und das öffentliche Bekenntnis dazu.
Keine Säuglingstaufe in den Freikirchen
Diese Grundhaltung drücke sich auch in den wöchentlich stattfindenden Gottesdiensten und Bibelstunden aus: Neben gemeinsamem Gesang stehe vornehmlich die von einer gehaltenen Predigt ausgehende Diskussion sowie die Besprechung von Bibeltexten im Mittelpunkt, erläutert Meyer. Dies geschehe in einer ungezwungenen Atmosphäre, wobei der Bezug zum Alltag entscheidend sei: „Wir wollen die Menschen dort abholen, wo sie wirklich im Leben stehen“, betont der seit 38 Jahren gläubige Christ.
Diese enge Gemeinschaft werde darüber hinaus auch bei dem monatlichen, offenen Treff „Sterncafé“ und regelmäßigen Ausflügen gelebt. „Bei einer Fahrt zum Sorpesee im Sauerland hat zum Beispiel eine Taufe stattgefunden“, berichtet Meyer. „Bei uns gibt es keine Kindertaufe. Davon steht auch nichts in der Bibel“, führt er weiter aus. Die Taufe werde erst gespendet, wenn von dem Täufling ein aufrichtiges Glaubensbekenntnis ausgehe.
Mehr ehrenamtliches Engagement
Dies sei auch immer das Erste, was er Menschen erzähle, die nach Unterschieden zu den institutionalisierten Kirchen fragen würden, bestätigt der amtierende Pastor der freikirchlichen evangelischen Gemeinde Burscheid Philipp Herrmannsdörfer. Auch diese Glaubensgemeinschaft existiert bereits seit zehn Jahren, weshalb Ende September eine Jubiläumsfeier mit musikalischem Programm und einem Festgottesdienst stattfand.
Eine weitere Abweichung bestehe in einer nicht stark ausgeprägten Hierarchie innerhalb der Gemeinde, erklärt Herrmannsdörfer. Aktuell seien 92 Gläubige Mitglied, was nicht sonderlich viel sei, „aber diejenigen, die da sind, haben sich bewusst dazu entschieden und bringen sich sehr stark ein“, so der Pastor weiter. In den „normalen“ evangelischen und katholischen Gemeinden sei der Prozentsatz von sich ehrenamtlich Einbringenden deutlich geringer.
„Modernere“ Gottesdienste mit Livemusik
In den grauen Wintermonaten fände beispielsweise jeweils freitags und samstags für Kinder ein kostenloser Winterspielplatz in den Gemeinderäumen statt, führt Herrmannsdörfer aus. Dieser diakonische Aspekt der Gemeindearbeit sei ihm besonders wichtig. Neben dem ehrenamtlichen Engagement seien die Mitglieder der evangelischen Burscheider Freikirche auch aktiv in die Gestaltung der Gottesdienste eingebunden: Während ihm als Pastor die Predigt zufalle, erfolge die Moderation immer durch ein anderes Gemeindemitglied, erläutert Herrmannsdörfer. Insgesamt sei die Form dabei sicherlich „einen Tick moderner“, was sich unter anderem in Livemusik ausdrücke.
Wichtiger als die Liturgie sei für ihn, das weiter zu leben, was Jesus Christus gelebt habe, bekräftigt Herrmannsdörfer. Dieser Ansatz wende sich gegen die Instrumentalisierung des Christentums, wie sie von anderen Menschen praktiziert werde. Teilweise mache er auch die Erfahrung, dass man wegen der Verfehlungen anderer „in einen Topf geschmissen“ werde. „Ich glaube, wir leben in einer polarisierten Zeit, wo man sich gegenseitig in Schubladen steckt“, so der Pastor. Von Jesus habe er gelernt, anderen Menschen möglichst unvoreingenommen zu begegnen. Werde dies beherzigt, so könne man sich gegenseitig bereichern.
Jubiläumsfeier in Lützenkirchen:
Die freikirchliche evangelische Gemeinde Lützenkirchen feiert ihr zehnjähriges Bestehen am Samstag und Sonntag, 19. und 20. Oktober, in ihren Räumlichkeiten an der Lützenkirchener Straße 301. Am Samstagnachmittag gibt es ab 15 Uhr verschiedene Kuchen und Getränke sowie einen geselligen Rahmen mit Gesprächen und Gesang. Am Sonntag findet ab 10.30 Uhr ein Festgottesdienst statt. Anschließend soll der Tag bei Fingerfood gemütlich ausklingen gelassen werden. Auch die Nachbarschaft ist zu der Jubiläumsfeier eingeladen.