GrundstücksdealLeverkusen will Dynamit Nobel Mülldeponie abnehmen – für einen Euro
Leverkusen – Erneut versucht die Stadtspitze, den Politikern eine recht seltsam erscheinende Idee schmackhaft zu machen: den Kauf einer ehemaligen Mülldeponie, deren Inhalt nicht bekannt und eine sehr teure Sanierung durchaus denkbar ist.
Am Montagabend soll der Stadtrat den Deal mit Dynamit Nobel hinter verschlossenen Türen endlich beschließen – im Juni vorigen Jahres hatte er sich geweigert und den Kauf von einer gründlichen Untersuchung der Altlast abhängig gemacht.
Was im Boden schlummert, wurde nicht untersucht
Die gibt es bis heute nicht, was die Stadtverwaltung allerdings nicht von ihrem erneuten Vorstoß abhält. Der Versuch, ein Gutachten über die frühere Petersberg-Deponie zu bekommen, sei gescheitert, schreibt sie in einer vertraulichen Mitteilung: Man habe die Einrichtung neuer Messstellen für das Grundwasser im Gebiet zwischen Willy-Brandt-Ring, der Eisenbahnstrecke und der Petersbergstraße ausgeschrieben, aber kein Angebot bekommen. Danach wurde die Sache aufgegeben, heißt es in der neuen Vorlage. Für das Umweltamt der Stadt ist das kein Problem.
Dabei hatte ein Zeitzeuge dem „Leverkusener Anzeiger“ geschildert, dass die 15 Meter mächtige Deponie am Fuß des Dynamit-Nobel-Hügels nicht ohne ist: Von ausgekippten Ölfässern der Bahn war die Rede, von einem Maschinengewehr aus Weltkriegstagen.
Gilt die „Störerhaftung“?
Statt einer Grundwasseruntersuchung, die Klarheit über die Gefährlichkeit der Petersberg-Deponie verschaffen könnte, bringt die Stadtverwaltung ein neues Argument für den Kauf der Altlast: 1962 habe die Stadt das Gelände an Dynamit Nobel verkauft. Aber davor habe sie die Deponie selbst betrieben – und sich im Kaufvertrag verpflichtet, das Loch zu verfüllen und einen Sportplatz für die Sprengstoff-Firma zu bauen. Alles auf eigene Kosten. Den Sportplatz habe es aber nie gegeben.
Doppelter Preis? Kein Problem
Eigentlich sollten die Entsorger Avea und Reloga zuschlagen. Das klappt aus formalen Gründen nicht. Und so will die Stadtverwaltung ein 26.400 Quadratmeter großes Grundstück am Südende der Stixchesstraße in Manfort nun ebenfalls von Dynamit Nobel erwerben. Es ist laut einem drei Jahre alten Gutachten 78.000 Euro wert, aber das sei „unerheblich, da der Vertragspartner auf einen Kaufpreis von 150.000 Euro besteht“, heißt es in einer Vorlage für die Ratssitzung am Montag.
Der Deal gehört zum Gesamtpaket mit dem Sprengstoff-Spezialisten: Schießsportgemeinschaft Bayer und die Jägerschaft wollen sich ihren Schießplatz an der Kalkstraße für immer sichern. Auch er gehört Dynamit Nobel. Um das Geschäft nicht zu gefährden, will die Stadt dem Konzern nun etwas mehr zahlen. (tk)
Dass die Stadt selbst einmal die Petersberg-Deponie betrieb, habe erhebliche Folgen, heißt es weiter: Muss sie saniert werden, sei das Sache der Stadt. So etwas nennt man „Störerhaftung“. Vor diesem Hintergrund vergebe man sich nichts, wenn man das knapp 50.000 Quadratmeter große Areal für einen symbolischen Euro kaufe. Für die Übernahme von Dynamit Nobel spreche auch, „dass das ökologisch wertvolle Areal unter Umständen einmal eine Aufwertung erfährt“ – gäbe es die Altlast im Boden nicht, wäre das Grundstück wohl 248.000 Euro wert, heißt es weiter.
Käme es zum Kauf, wäre der heutige Eigentümer aus dem Schneider, was eine unabsehbar teure Bodensanierung angeht: Die Stadt „verzichtet auf jegliche Ansprüche nach dem Bundesbodenschutzgesetz und stellt die Firma Dynamit Nobel vertraglich frei“, heißt es in der Vorlage.
Ob die Lesart des Rechtsamts richtig ist, wird aber bezweifelt. Im Bodenschutzgesetz steht: „Der frühere Eigentümer eines Grundstücks ist zur Sanierung verpflichtet, wenn er sein Eigentum nach dem 1. März 1999 übertragen hat und die schädliche Bodenveränderung oder Altlast hierbei kannte oder kennen musste.“ Der Leverkusener Deal war aber schon 1962.