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Leverkusener KonzernViel Kritik an Bayer vor der Hauptversammlung

Lesezeit 4 Minuten
Protest vor der Konzernzentrale der Coordination gegen Bayer Gefahren zur Online-Aktionärsversammlung am 28. April 2023

Am Freitag, 26. April, wird es ähnlich aussehen wie vor ziemlich genau einem Jahr. Die „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ wird anlässlich der Hauptversammlung vor der Konzernzentrale protestieren.

Erneut setzt Bayer auf ein virtuelles Aktionärstreffen. Dabei bietet das Geschäftsergebnis und die Lage besonders viel Gesprächsstoff.

Die maue Bilanz hat zwar die Boni der Bayer-Vorstände in großen Teilen gefressen. Nur Bill Anderson musste voriges Jahr kaum darunter leiden, dank einer erklecklichen Sonderzahlung, mit der Nachteile seines Wechsels von Roche zu Bayer ausgeglichen wurden. Trotzdem gibt es vor der Hauptversammlung (HV) am Freitag nächster Woche wiederum viel Kritik an der Vergütung, auch wenn das System neu gefasst werden soll. Doch auch dagegen spricht sich die „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ aus.

Sie hat angekündigt, am 26. April vor der Konzernzentrale in der Kaiser-Wilhelm-Allee zu protestieren – auch dagegen, dass Vorstand und Aufsichtsrat erneut die persönliche Konfrontation mit den Anteilseignern scheuen und die HV wiederum nur als Internet-Stream läuft.

Bill Anderson kann 69 Mal so viel verdienen wie ein Tarif-Beschäftigter

Neben den Protesten hat die „Coordination“ wiederum einen ganzen Packen Gegenanträge eingereicht. In einem fordert sie Bayers Aktionärinnen und Aktionäre auf, das neue Vergütungssystem nicht zu billigen. Aus Sicht der organisierten Bayer-Kritiker hat auch das veränderte System erhebliche Mängel. Allein die Höhe des Gehalts von Vorstandschef Anderson von bis zu 8,5 Millionen Euro sei nicht in Ordnung, sondern „viel zu viel“. Vor allem im Verhältnis zu den sonstigen Gehältern unter dem Bayer-Kreuz „sprengen die Summen jedes vernünftige Maß“. Andersons Salär liege um den Faktor 69 über dem durchschnittlichen Jahreslohn eines Tarif-Beschäftigten bei Bayer. „Die restlichen Vorstandsmitglieder streichen das elffache ein“: Ihr Zielgehalt liege bei 1,3 Millionen Euro.

Derartige Gehaltsunterschiede habe man schon auf der vorigen Hauptversammlung kritisiert, daran erinnert die „Coordination“. „Aber der Aufsichtsratsvorsitzende Norbert Winkeljohann zeigte sich empfindungslos für die soziale Sprengkraft einer solchen Spreizung. Im Auseinanderklaffen der Gehaltsschere sah er vielmehr »eine in sich konsistente Abstandslogik« am Werk.“

Überdies binde Bayer Konzern die erfolgsabhängigen Bestandteile der Vorstandseinkünfte „fast ausschließlich an ökonomische Kriterien. Das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele fließt lediglich in die Berechnung der langfristigen Bar-Vergütung ein und hat insgesamt nur einen Anteil von rund neun Prozent an der Gesamtvergütung“, kritisiert die „Coordination“. Die Kritiker vermissen auch eine konkretere Definition von Nachhaltigkeit: Denkbar wäre zum Beispiel Bayers Kohlendioxid-Ausstoß als Maßstab.

Bayers Treibhausgas-Ausstoß ist voriges Jahr kaum gesunken

Dass Bayer den Ausstoß von Treibhausgasen im vorigen Jahr um rund 28.000 Tonnen verringert habe, befriedige nicht. Erst recht nicht, weil die Emissionen des Klimakillers Methan seit 2019 sogar um 1000 Tonnen CO2-, Äquivalente gestiegen seien. Auch der Ausstoß von fluorierten Kohlenwasserstoffen und Lachgas sei gestiegen.

Einen großen Anteil an Bayers Treibhausgas-Aufkommen habe Glyphosat, klagt die „Coordination“. Für die Herstellung des Breitband-Unkrautvernichters müsse zum Beispiel der Ofen im Werk Soda Springs auf 1500 Grad erhitzt werden, um aus Phosphorit das Glyphosat-Vorprodukt Phosphor herauszulösen. Als Folge seien alleine dort im Jahr 2022 mehr als 500.000 Tonnen CO₂ und über sieben Tonnen Methan ausgestoßen worden. Bei der Weiterverarbeitung des Phosphors zum Endprodukt Roundup – unter diesen Namen kommt Glyphosat in den Handel – in Luling seien 2022 weitere gut 85.000 Tonnen Kohlendioxid emittiert worden, außerdem gut 1,6 Tonnen Methan.

Bei PCB könnte Bayer ein positives Zeichen setzen

Neben Glyphosat beschäftigt PCB Bayers Juristen zunehmend. Aus Sicht der Kritiker ist es mindestens unklug, in Schadensersatz-Prozessen „alle Schuld von sich abzuwälzen“. Die in zahllosen Häusern verbauten und seit langem verbotenen Polychlorierten Biphenyle richteten noch heute immense Schäden an. Die „Coordination“ findet, dass Bayer in diesem Komplex sein durch Glyphosat ramponiertes Image aufbessern und sich aktiv an der Sanierung von Gebäuden beteiligen sollte. Das wäre fraglos „ein Strategiewechsel“.

Seine Generalkritik an der Bayer-Führung hat auch Aktionär Niklas Wischkony in einen Gegenantrag für die Hauptversammlung gegossen. Er hält es ebenfalls nicht für angemessen, Bayers Vorstand zu entlasten. Die Führung habe es versäumt, „das volle Potenzial des Unternehmens auszuschöpfen“. Bei Umsatz und Gewinn habe Bayer schlechter abgeschnitten als erwartet. Das sei „auf eine unzureichende strategische Ausrichtung und Umsetzung zurückzuführen“. Wischkony hebt „Misserfolge im Bereich der Entwicklung neuer Medikamente“ hervor.

Was ihm auch nicht gefällt: die Kommunikation des Vorstandes mit den Aktionären und anderen Stakeholdern. Wichtige Entscheidungen seien „nicht ausreichend erklärt“ worden. Das habe „zu einem Vertrauensverlust gegenüber der Führungsebene geführt“. Wischkony hätte sich zum Beispiel tiefergehende Erläuterungen zu der Entscheidung gewünscht, Bayer jetzt nicht weiter aufzuspalten.

Seinen letzten Kritikpunkt überschreibt der Aktionär mit „Mangelnde Innovation und Anpassungsfähigkeit“: Der Vorstand habe es versäumt, innovative Strategien zu entwickeln und das Unternehmen an veränderte Marktbedingungen anzupassen. Die Folge: Bayer sei weniger wettbewerbsfähig, das langfristige Wachstum des Unternehmens beeinträchtigt.