Leverkusener OberstadtdirektorNS-Vergangenheit von Otto Grimm bestätigt
Leverkusen – Die Otto-Grimm-Straße in Wiesdorf sollte umbenannt werden. Das legt jedenfalls eine Vorlage der Leverkusener Stadtverwaltung indirekt nahe, die die gravierenden Verstrickungen des früheren Leverkusener Oberstadtdirektors (von 1951 bis 1963) im Nazi-Regime bestätigt.
Die NS-Vergangenheit des Leverkusener Ehrenringträgers, nach dem 1975 die Nebenstraße der heutigen Wiesdorfer Fußgängerzone benannt worden ist, war nach einer Untersuchung des früheren SPD-Fraktionsgeschäftsführers Mike Busse und deren Veröffentlichung im „Leverkusener Anzeiger“ in diesem Frühjahr bekanntgeworden. Der Integrationsrat der Stadt Leverkusen hat einstimmig eine Umbenennung der Straße gefordert, gleiches taten die SPD-Ratsfraktion und schließlich die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi mit einem Bürgerantrag.
Wandel der Beurteilung
Die Bewertung Otto Grimms im Zuge der Entnazifizierung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs durch die Alliierten hatte bereits stark abweichende Resultate hervorgebracht, vom Hauptverbrecher über den Mitläufer bis zum Entlasteten. Fest steht, dass Grimm zum 1. April 1933 der NSDAP beitrat und einen Monat später der SA, zu deren Sturmführer er ein halbes Jahr darauf ernannt wurde. Er wirkte in einem ganzen Netzwerk von NS-Organisationen mit, wurde von der Partei mit dem Silbernen Gauadler von Thüringen dekoriert. Seine immer wieder betonten wirtschaftlichen Erfolge als Oberbürgermeister in Altenburg hatten damit zu tun, dass sich dort einer der größten Rüstungsbetriebe Thüringens befand, in dem auch Zwangsarbeiter und Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald beschäftigt wurden.
1945 wurde Grimm von amerikanischen Truppen festgenommen, die ihn bis 1947 in Darmstadt internierten. Im inzwischen sowjetische besetzten Thüringen lauteten die Vorwürfe gegen Otto Grimm: Mitgliedschaft in NS-Vereinigungen, Beteiligung an der Reichspogromnacht 1938, Mitverantwortung für die Verhaftung des später in Auschwitz ermordeten „Halbjuden“ Kurt Dannemann, Verlängerung des Krieges durch Durchhalteparolen für städtische Mitarbeiter in der Wehrmacht und in Altenburg. Grimm stritt jede Verantwortung ab. Zeugenaussagen wurden eingeholt, weitere Ermittlungen veranlasst.
Nicht nachvollziehbar
Die Stadtverwaltung Leverkusen kommt am Ende ihrer Nachforschungen nun zu dem Schluss: „Es wird nicht deutlich, was schließlich dazu führte, dass die Spruchkammer Grimm am 24. Februar 1949 in die Kategorie »Mitläufer« einstufte.“ 1950 folgte sodann die Einstufung als „Entlasteter“. „Die konkreten Vorwürfe erscheinen eher »vom Tisch« als eindeutig ausgeräumt, der Spruch als ein Ausdruck der sich seit 1948/49 in weiten Kreisen entwickelnden »Schlussstrichmentalität«.“ In seinem ersten Bewerbungsschreiben an die Stadt Leverkusen verwies Grimm 1950 dann selbst auf seine Einstufung als „Entlasteter“. Mehrere seiner früheren Mitarbeiter aus Altenburg fanden in den 50er-Jahren einen Platz an seinem neuen Wirkungsort, in der Leverkusener Stadtverwaltung. Die Stadt selbst enthält sich einer konkreten Beschlussempfehlung und verweist darauf, dass eine Straßenumbenennung einer aufwendiger Prozess ist. In seinem Verlauf müssen alle betroffenen Anlieger einzeln angehört werden, jeder Einzelfall für sich ist abzuwägen, die Frage der Folgekosten zu regeln. Der vergleichsweise geringere Aufwand wäre es, die Bezeichnung Montanusstraße über die Dönhoffstraße hinaus zu verlängern, und dort die Hausnummern anzupassen.
Während Integrationsrat, SPD und Verdi nur die Änderung der Straßenbenennung nach einer passenderen Persönlichkeit beantragt haben, schlägt CDU-Ratsherr Rüdiger Scholz jetzt den ehemaligen Wiesdorfer Pfarrer Johannes Schmitz dafür vor. Seine Begründung: „Johannes Schmitz war von 1933 bis 1965 evangelischer Pfarrer in Wiesdorf. Er zählte im Dritten Reich zur Bekennenden Kirche. In seinen Predigten bezog er eindeutig Stellung für die Bekennende Kirche und gegen den Nationalsozialismus. Damit hat er den Mut bewiesen, sich den Nationalsozialisten entgegenzustellen. Er verweigerte außerdem den Treueeid auf Adolf Hitler.
Johannes Schmitz wurde am 12. Februar 1899 in Köln geboren und starb am 3. November 1982 in Leverkusen. Gerade vor dem Hintergrund der Biographie des jetzigen Namensgebers und der Lage der Straße an der Christuskirche sowie den Gebäuden der Evangelischen Kirche wäre eine Benennung der bisherigen Otto-Grimm-Straße nach Johannes Schmitz nur konsequent. Mit der Benennung der Straße nach Johannes Schmitz soll auch sein Mut gewürdigt werden, in dunklen Zeiten nicht die Sprache verloren zu haben.“
Die evangelische Kirche als größter Anlieger in der Otto-Grimm-Straße steht einer Umbenennung offen gegenüber. „Wenn es stimmt, dass Otto Grimm eine Verbindung zum Nationalsozialismus hatte, bin ich ganz klar für eine Umbenennung“, sagt Superintendent Gert-René Loerken. „Eine Straßenbenennung ehrt eine Persönlichkeit, das wäre für uns als Kirche unter diesen Umständen nicht akzeptabel.“
Der Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Planen wird sich in seiner Sitzung am Montag, 28. November, mit dem Thema befassen. Die öffentliche Sitzung beginnt um 17 Uhr im Sitzungsraum des Rathauses.