Schulen öffnen schrittweiseSo reagieren Leverkusener Schüler, Eltern und Lehrer
- Ab Donnerstag sollen die Abschlussjahrgänge die Schulen wieder besuchen können.
- Die Schulleitungen arbeiten an einem Konzept, bemängeln aber fehlende Vorgaben.
- Eltern und Schüler sind skeptisch bis wütend: Wir haben sie befragt.
Leverkusen – Die Bandbreite der Reaktionen auf die angekündigte schrittweise Schulöffnung könnte größer kaum sein: „Mein Kind verkümmert zu Hause, es braucht Freunde und Lehrer, ich kann das nicht leisten“, sagt die Mutter eines Sechstklässlers, die sich die schnellstmögliche Wiederaufnahme des Schulbetriebs wünscht. Sie fürchtet nicht nur um die Bildung und das seelische Wohl ihres Sohnes, sondern auch um ihre Einkünfte, der Arbeitgeber war nun schon lange verständnisvoll. „Wenn ich daran denke, dass meine Kinder wieder in die Schule gehen sollen, habe ich ein ganz mulmiges Gefühl. Ich denke, es ist noch zu früh“, sagt dagegen eine Mutter mit zwei Kindern in Grund- und weiterführender Schule.
"Nichts Genaues weiß man nicht"
In der Frage, wie die Schulöffnungen in Leverkusen ablaufen sollen, ist vieles noch unklar. „Nichts Genaues weiß man nicht“, resümiert Schuldezernent Marc Adomat nach der Lektüre der 13. Schulmail des NRW-Ministeriums, die am Donnerstagmittag eingetroffen war. Die Anweisung der Landesregierung ist in jeden Fall, dass die Klassen, die in diesem Jahr einen Abschluss machen müssen, ab 23. April wieder in der Schule unterrichtet werden sollen. „Wir wissen noch nicht, in welcher Form das stattfinden soll“, sagt auch Jürgen Klisch, stellvertretender Schulleiter am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium. „Begrüßenswert wäre, vorrangig die Prüfungsfächer zu unterrichten.“
Probleme in den Pausen
Am Donnerstagvormittag hat sich die Schulleitungsrunde im Gymnasium getroffen, um weitere Vorbereitungen zu treffen. „Wir stellen Hygienekonzepte und Pausenpläne auf, bei denen wir sicher stellen können, dass nicht zu viele Schüler aufeinander treffen“, sagt Klisch. Aus hygienischer Sicht sei nicht der Unterricht das Hauptproblem, sondern das Drumherum: Etwa Ansammlungen auf dem Pausenhof und den Gängen und die Anreise zur Schule. Die Anzahl der Seifenspender und Einweghandtücher sei an der Schule schon vor der Schließung deutlich erhöht worden, sagt Klisch.
Die Schulkonferenz überlegt nun auch, wie Lerngruppen geteilt werden können, was nicht nur räumlich, sondern vor allem auch personell eine Herausforderung ist. „Lehrer sind eine begrenzte Ressource. Wir haben bereits geklärt, wer zur Risikogruppe gehört, wobei auch da nicht genau definiert ist, was Vorerkrankungen sind und wie stark diese ausgeprägt sein müssen“, sagt Klisch.
Weniger Personal
Klar sei aber, dass ein Teil des Personals ausfalle – und womöglich noch deutlich mehr, wenn sich Lehrer infizieren. „Wir haben also weniger Personal in einer Zeit, in der wir eigentlich mehr bräuchten.“ Das wichtigste für die Schulen seien aber klare Anweisungen aus dem Schulministerium. „Wir brauchen möglichst schnell Klarheit.“
Abiturientin klagt an
Unter denen, die ab Donnerstag auf freiwilliger Basis wieder zur Schule gehen dürfen, ist der Beschluss ebenso umstritten. „Ich finde die ganze Situation sehr verwirrend, unfair und unverständlich“, sagt Mira Trautwein, angehende Abiturientin am Lise-Meitner-Gymnasium. Sie rechnet vor, dass jeder Schüler etwa 25 verschiedene Leute am Tag trifft, selbst wenn nur die Abiturfächer in Fünfergruppen unterrichtet werden.
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„Wie sollen die Hygienevorschriften eingehalten werden, wenn es fast unmöglich ist, an Masken und Desinfektionsmittel zu einem normalen Preis heran zu kommen? Was ist mit den Schülern und Schülerinnen und Lehrkräften, die aufgrund von Vorerkrankungen sich nicht anstecken dürfen oder Familienteile gefährdet sind?“, fragt die Schülerin. „Das alles scheint für mich unmöglich, weil es einfach auch unfair für die Leute ist, die nicht kommen können oder dürfen.“ Sie plädiert deswegen für ein „Durchschnittsabitur“, das aus den bisherigen Leistungen gebildet wird. Auch Schülersprecher Timon Brombach ist skeptisch: „Ich finde das einfach nur überstürzt von Herrn Laschet und hoffe, das geht nicht nach hinten los.“
Probelauf für nach den Sommerferien
Grundsätzlich begrüßt Jürgen Klisch vom Freiherr-vom-Stein-Gymnasium die Bestrebungen, die Schule wieder zu Öffnen: „Es ist gut, dass man jetzt darüber nachdenkt, wie man wieder zurück kommt, welche Organisation dafür notwendig ist und es schrittweise ausprobiert.“ Es sei schließlich schon jetzt absehbar, dass auch das neue Schuljahr ab August unter ähnlichen Vorzeichen stehen wird. „An der grundsätzlichen Situation wird sich ohne Impfstoff bis dahin nichts geändert haben.“ Ein schrittweise Öffnung sei somit vernünftig, wenn sie mit Vorsicht geschehe.
Fehlende Zuwendung
So sieht es auch Gero Steinmetz, Elternvertreter am Freiherr: „Vor dem Hintergrund der Alternativen für alle schließen oder für alle öffnen, ist das eine verantwortungsvolle Lösung.“ Den Prüfungsklassen ihre Abschlüsse zu ermöglichen, sei wichtig. „Für Eltern mit kleineren Kindern ist die Situation aber weiter sehr belastend, vor allem, wenn beide Elternteile normalerweise arbeiten.“ Entsprechend habe er auch sehr unterschiedliche Rückmeldungen von Eltern bekommen, die sich teilweise für das Engagement der Lehrer bedanken, aber auch Kritik an fehlender Zuwendung mancher Lehrkräfte in der Schließzeit äußern. „Kinder sind ja auch unterschiedlich, manche können gut alleine lernen, andere sind auf Unterstützung angewiesen“, gibt Steinmetz zu bedenken. Für letztere wäre eine Rückkehr zum Präsenzunterricht besonders wichtig. „Aber letztendlich geht Gesundheit vor“, sagt Steinmetz. „Die Eltern erwarten aber auch von der Schule, dass die freie Zeit genutzt wurde, um Konzepte auszuarbeiten, wie man geordnet wieder einsteigen kann.“