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Missbrauchsprozess„Willige Opfer“: Kaum Strafnachlass für Leverkusener Sextäter

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Landgericht Köln_RUST

Das Landgericht Köln

Leverkusen – Sibylle Grassmann und ihre Strafkammer nahmen sich Zeit: Dreieinhalb Stunden lang berieten die Richter am Dienstag, wie umzugehen ist mit dem 42-fachen sexuellen Missbrauch kleiner bis junger Mädchen in Steinbüchel und Alkenrath.

Am Ende schickte die 20. Große Strafkammer den Angeklagten Roland W. für acht Jahre und neun Monate ins Gefängnis. Das ist nur minimal kürzer: Im ersten Prozess war der Mann zu glatt neun Jahren Haft verurteilt worden. Weil aber die 2. Große Strafkammer des Kölner Landgerichts Fehler bei der Strafzumessung begangen hatte am 22. Dezember 2020, hatte der Bundesgerichtshof dieses Urteil kassiert. Der Prozess musste neu aufgerollt werden.

Rund drei Jahre hatte der heute 64 Jahre alte Mann Kinder aus seiner Nachbarschaft malträtiert. Oralverkehr, Geschlechtsverkehr, nur ganz gelegentlich blieb es bei Berührungen. 2017 hatte das angefangen, 2019 wurde der Mann festgenommen.

Über die Taten herrschte von Beginn an kein Zweifel: Als vor reichlich eineinhalb Jahren das erste Mal verhandelt wurde, hatte der Beschuldigte alles eingeräumt. Nicht nur die 13 Fälle, die zunächst angeklagt waren. Vor Gericht sprach er plötzlich von 29 weiteren Fällen und Opfern. Sechs Mädchen, von denen das jüngste beim ersten Mal offenbar erst sieben Jahre alt war, wurden von dem Familienvater immer wieder missbraucht.

Gezielte Suche nach Opfern

Dabei ging W. gezielt vor: Alle Opfer kamen aus der Nachbarschaft, für manche war der von seinem Umfeld durchaus angesehene Mann eine Vertrauensperson. „Es waren willige Opfer“, fasste die Vorsitzende Richterin zusammen. Er wusste, wann die Eltern arbeiten waren, wusste, wann die Mädchen aus der Schule kamen. Manche missbrauchte er in ihrem Kinderzimmer, andere im „Club“: So nennen die Jugendlichen ein dichtes Gebüsch in der Nähe des Wohnblocks an der Käthe-Kollwitz-Straße. In anderen Fällen beorderte der Mann die Mädchen in sein Auto, sein Gartenhaus, seinen Keller. Dort stand ein eigens für Orales präparierter, großer Umzugskarton. Die Mädchen mussten dort hinein, er stellte sich entblößt vor das Verlies.

Manchmal benutzte er auch zwei Mädchen nacheinander, so dass diese das mitbekamen. Das sei „in besonderem Maße demütigend“ gewesen, wertete die Staatsanwältin diese Taten in ihrem Plädoyer. Mit Blick darauf, dass die Freundinnen seiner jüngsten Tochter entweder aus schwierigen familiären Verhältnissen stammten, geistig zurückgeblieben oder sogar zuvor schon sexuell missbraucht worden waren, wovon W. wusste, fasste die Anklagevertreterin zusammen: „Das waren besonders vulnerable Opfer.“

Die Wunden sind nicht ansatzweise verheilt

Auch drei bis fünf Jahre nach den Taten sind die schrecklichen Erfahrungen in keiner Weise aufgearbeitet. Ein Mädchen, dessen Familie zwischenzeitlich nach Alkenrath umgezogen war, was sie allerdings nicht vor dem Zugriff des Mannes aus Steinbüchel schützte, wurde später vom Lebensgefährten ihrer Tante sexuell missbraucht, berichtete ihr Anwalt. Aus dem Prozess sei der Täter straffrei hervor gegangen. Zu uneindeutig sei das Verhalten des Opfers vom Gericht bewertet worden.

Gut möglich, dass dies ein Resultat des Missbrauchs durch W. war. Von einem anderen seiner Opfer wusste der Angeklagte, dass es bereits missbraucht worden war. Das daraus resultierende Verhalten habe er schamlos ausgenutzt, so dessen Anwalt.

Eine Mutter kann nicht lesen und schreiben

Auch die Alkenrather Mädchen leiden: Das ältere habe gerade von sich aus das Jugendamt eingeschaltet. Die Mutter sei Analphabetin, die Tochter fühle sich inzwischen für das Wohl der Familie verantwortlich. Zu ihrem Körper habe sie ein gestörtes Verhältnis, hieß es von ihrer Anwältin, die am Dienstag eine Forderung auf Schadenersatz nachreichte. W. akzeptierte das.

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Für seine Verteidigerin ein weiteres Anzeichen seiner Reue und Mitarbeit: Der Angeklagte habe durch das Geständnis der weiteren 29 Taten der Justiz einen weiteren Prozess erspart, führte sie in ihrem Plädoyer an, dessen Argumentation für die Vertreter der Opfer hier und da schwer zu ertragen war. Die Anwältin verwies weiter auf die schwierige persönliche Situation des Angeklagten: Seit zweieinhalb Jahren sitzt er in Untersuchungshaft – wegen seiner Taten ist er im Wuppertaler Gefängnis geächtet.

Aus Sorge vor Übergriffen der Mithäftlinge kann er nicht mit ihnen auf den Hof, nicht arbeiten. W. sei vollkommen isoliert, „23 Stunden am Tag“. Die Corona-Beschränkungen, aufgrund derer er seine Frau eineinhalb Jahre nicht habe persönlich sehen können, haben das noch verschlimmert.

In seinem Schlusswort allerdings lenkte der Täter noch einmal den Blick auf seine Opfer: „Ich hoffe, dass die Kinder eines Tages alles vergessen können.“