Nach Leverkusen geflüchtetDieses Containerdorf ist 160 Menschen ein neues Zuhause
Leverkusen – Sicher, wenn eine der Geflüchteten eine Nachricht aus der Ukraine bekommt, dass dem Nachbarn etwas passiert ist, könne das die Stimmung in der Unterkunft schon beeinträchtigen, sagt Petra Jennen. Sie kümmert sich bei der Leverkusener AWO seit nun über sieben Jahren um die Unterbringung von Kriegsgeflüchteten, die seit neuestem in Steinbüchel wohnen. Ansonsten, sagt Jennen, sei die Stimmung hier sehr gut, die Umgangsformen ausgesprochen freundlich.
Ein Gewinn an Privatsphäre
Das sieht der Unterkunfts-Chef Georg Schumacher ähnlich. Der einschlägig erfahrene 68-Jährige könnte eigentlich die Füße hochlegen, er bekommt Rente und hat sich dennoch bereit erklärt, noch mal eine Unterkunft zu leiten – sehr zur Freude von Petra Jennen.
Bei der Adresse besteht echte Verwechslungsgefahr: Die neuen Container an der Heinrich-Lübke-Straße in Steinbüchel ersetzen die Unterkunft in der Heinrich-Lützenkirchen-Sporthalle in Bürrig an der Heinrich-Brüning-Straße.
Petra Jennen wundert sich ein wenig, denn sie hatte vermutet, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer nur ungern aus Bürrig ins Nirgendwo nach Steinbüchel umziehen würden. Hier ist wenig urbanes, die Geschäfte sind auch nicht gerade nah. „Aber der Gewinn an Privatsphäre zählt für die Leute offenbar mehr als eine schöne Umgebung“, sagt sie. Das Turnhallen-Leben in Bürrig habe dagegen eher Zeltlager-Charakter gehabt. Und die Halle sei erstaunlicherweise selbst bei der Affenhitze neulich kühl geblieben.
Im neuen Containerdorf hat man dagegen an Hitzetagen ein Problem: nur Schotter und Asphalt, das heizt sich auf. Nichts grünes, nicht ein Baum steht dort, der Schatten spenden würde. Dazu durchsichtige Dächer zwischen den Containern, das ist zwar schön hell, aber es wird heiß wie im Gewächshaus. Jetzt will man vorläufig ein paar Schirme aufstellen.
67 Ukrainerinnen und Ukrainer leben schon in den Wohncontainern, die, wie Aufkleber zeigen, bei einer Leverkusener Spedition angemietet wurden. Am Freitag kam eine weitere Lieferung auf großen Sattelschleppern. Ein Mann sitzt mit seiner Enkelin und einer Freundin auf einer Bierzeltbank und schaut sich die Arbeit mit dem Ladekran an.
Auch Afghanen sollen hier leben
Die Kästen, die der Kran erstmal kreuz und quer abstellt, werden Gemeinschaftsräume und Wohnungen, später sollen hier 160 Menschen leben, dann auch Afghanen.
Neu ist hier im Gegensatz zu der Sporthalle auch: Die Leute nutzen gemeinsam Waschmaschinen, sie versorgen sich selbst und vor allem kochen sie in Gruppen für sich. In Küchencontainern mit jeweils drei Kochstellen, die auch von den Bewohnern selbst geputzt werden.
Am Freitagvormittag feudeln zwei junge Männer die Räume. Einer hat schwarze Hautfarbe, das fällt in der Unterkunft auf. Er ist kein Ukrainer, aber er hat dort gearbeitet: als Fußballprofi, wie Leiter Schumacher sagt. Auch er ist nach Leverkusen geflüchtet. Hätte das Containerdorf eine Fußballmannschaft, sie wären wohl unschlagbar, denn insgesamt sind dort drei Berufsfußballer untergekommen. Die Fluktuation ist vergleichsweise hoch, die Stadt oder die Bewohner selbst fänden sogar irgendwo noch freie Wohnungen, wundert sich Petra Jennen.
Die Lage hat sich geändert
Das Bild der selbstverständlich putzenden Männer zeigt, dass die Dinge heute anders stehen, als 2015 viele Menschen nach Deutschland flüchteten. Damals war es für die Presse nur schwer möglich, die Unterkünfte anzusehen. Das ist heute transparenter und entspannter als damals. „2015 hatten wir 16 Nationalitäten in der Unterkunft an der Görresstraße“, sagt Petra Jennen, die Spannungen seien ganz andere gewesen. „Ich glaube, wir hatten auch ein bisschen Glück, dass da kaum etwas passiert ist".