Mercedes-Benz will die eigenen Niederlassungen verkaufen. Die dort Beschäftigten protestieren dagegen – auch in Leverkusen.
Protest bei MercedesBeschäftigte der Niederlassung Leverkusen stemmen sich gegen Verkauf
Es regnet zeitweise in Strömen. Aber das macht denen, die da sind, nichts aus, denn: Ihre Laune ist so oder so schon verhagelt. Ganz ohne Zutun des Wetters. Die gut 150 Mitarbeitenden des Autoherstellers Mercedes-Benz stehen an diesem Mittwochvormittag der Karnevalswoche ja nicht einfach so vor dem Tor der Filiale am Overfeldweg in Leverkusen. Sie stehen vielmehr hier, um zu demonstrieren. Seitdem der Vorstand des Konzerns am 19. Januar in der Stuttgarter Zentrale ankündigte, schrittweise die eigenen Niederlassungen – laut interner Sprachregelung fallen sie alle unter den dem Englischen entlehnten Oberbegriff Own Retail – zu verkaufen, herrscht in eben diesen Alarm.
Und um diesen Alarm wiederum in einen ordentlich lauten seiner Art für die oberen Entscheidungsträgerinnen und -träger zu überführen, Sorgen rüberzubringen und das Gefühl der Unsicherheit irgendwie zu kanalisieren, ist nun diese Betriebsversammlung der Aufsehen erregenden Art einberufen worden. Und mit ihr in Köln und anderswo im Land viele weitere.
Banner, Anstecker, Sticker, Fahnen
Die Schlagworte und das Begehr der Versammelten sind dabei deutlich zu lesen – auf Fahnen, Stickern, auf Bannern, auf Ansteckern: „Unsere Niederlassung. Unsere Arbeit. Unsere Zukunft!“ Dazu ein mit Ausrufezeichen versehenes „Hände weg“-Zeichen. Kein Zweifel: So einfach verkaufen, verdrängen, rauskomplimentieren lassen will sich bei Mercedes-Benz niemand. Auch nicht der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Stefan Kröger.
Er war am 19.1. dabei, als die Verkaufsabsichten präsentiert wurden. Und er erinnere sich vor allem an einen Satz, der dort intern gefallen und gesprochen worden sei von Mercedes-Vorstandsmitglied Britta Seeger: „Wir verkaufen euch an Profis.“ Der, sagt Kröger, könne ruhig so an die Öffentlichkeit weitergegeben werden. Das sei ein Satz, den man sich mal auf der Zunge zergehen lassen müsse. „Wir arbeiten seit Jahren profitabel. Wir arbeiten für Mercedes-Benz. Das ist quasi der Erfinder des Automobils. Wo, wenn nicht hier, sollen denn die Profis bitteschön sitzen?“, frage er sich nämlich seitdem. Und das ist eine Frage, die, sobald Kröger sie ausspricht, hörbar mit mindestens drei gedachten Fragezeichen und mehreren darauf folgenden Ausrufezeichen versehen ist.
Natürlich ist sich auch Kröger bewusst, dass der Verkauf wohl unumkehrbar ist. Aber hier und heute wolle man zeigen, dass man sich maximal teuer verkaufe. Dass man nicht einfach so aufgeben werde. Dass die Beschäftigten Ängste, große Ängste, hätten: „Was passiert denn nun, wenn die übernehmende Firma für meinen Posten schon jemanden hat? Was ist mit der Betriebsrente? Was ist mit Lohn und Gehalt?“
Kröger weiß: Die Leute haben ja mitunter ihre ganze Zukunftsplanung – gerade fürs Alter, für die Zeit des Berufsendes – nach diesem und auf diesen Job ausgerichtet. „Und das alles steht jetzt auf einmal in Frage.“ Also müsse zumindest ein guter Sozialplan mit Sicherheiten her. Das sei Mercedes-Benz seinen Mitarbeitenden schuldig. 8000, die vom Verkauf betroffen wären, sind das in Deutschland. In Köln und Leverkusen insgesamt gut 600.
Solidarität mit allen Betroffenen
Und auch Carsten Kretschmann von der Gewerkschaft IG Metall sieht das so. Er ist heute ebenfalls nach Leverkusen gekommen und spricht von „Kampf“. „Unsere Priorität ist ein Verbleib im Konzern. Und heute wollen wir deswegen unseren Unmut über die Absichten des Vorstands deutlich machen.“ Es gehe um Solidarität mit allen Betroffenen. Darum, ein Zeichen zu setzen. Den Mitarbeitenden zu zeigen: „Wir stehen zu euch! Wir ziehen das gemeinsam durch!“
Eine gute halbe Stunde wird auf dem Hof der Leverkusener Niederlassung sowie in der großen Werkhalle diskutiert, geredet, sich der gegenseitigen Unterstützung versichert. Es wird gerufen, gepfiffen, gerasselt und mit Fahnen geschwenkt. Dann geht es rein. Wird es intern. Werden die Beschäftigten noch einmal über den aktuellen Stand der Verkaufspläne informiert. Und die Betriebsversammlung laut Kretschmann „unterbrochen“. Das sei wichtig. Denn: „Es ist noch nicht zu Ende. Wir werden weiter unserem Unmut Luft verschaffen.“