Vier Wochen, nachdem er wegen Brandstiftung verurteilt wurde, zückte ein 21-Jähriger eine Waffe. Die Richterin ist ratlos.
ProzessAngeklagter sagt zu Messerattacke am Rhein in Leverkusen aus
In die Eisenbahn steigt er oft ohne Fahrschein, auf E-Bay verkauft er Eintrittskarten und technisches Gerät, ohne es zu liefern, einen Streit um Schulden wollte er mit dem Messer beenden. Der gebürtige Schwedter (Brandenburg), der am Montag aus dem Gefängnis ins Opladener Gericht geführt wird, ist offenkundig ein schwieriger Fall. Nicht nur für Menschen, die ihm begegnen, sondern wohl auch für sich selbst. Einen festen Wohnsitz hat er nicht, ein leichtes Borderline-Syndrom hat eine Psychologin bei dem 21-Jährigen diagnostiziert – es könnte am jahrelangen Konsum von Cannabis, Kokain und chemischen Drogen liegen.
Benzos und Cannabis hatte er auch genommen, als er vor ziemlich genau einem Jahr auf einen Mann traf, den er schon länger aus dem Obdachlosentreff der Caritas in der Schulstraße kannte. Im Park zwischen Antoniuskirche und Niederfeldstraße kam es dann zu einer folgenschweren Begegnung: Weil er ihm schon lange 30 Euro schuldete, habe der Bekannte ihn attackiert, berichtete der Angeklagte dem Gericht. „Wo ist das Geld“, habe der gerufen und sei mit Fußtritten und Schlägen auf ihn losgegangen. Zunächst habe er sich nur so gewehrt, dann sein Butterfly-Messer aus der rechten Jackentasche gezogen – und mehrmals zugestochen, räumte der Angeklagte freimütig ein.
Zwei kleinere Stichverletzungen
Schwere Verletzungen fügte er seinem Gläubiger nicht zu: Der Notarzt versorgte zwei kleinere Wunden am Bauch, ins Krankenhaus musste das Opfer nicht. Zu denken gab allerdings, dass der Angeklagte nach den ersten Stichen überwältigt und so wohl daran gehindert wurde, weiter zuzustechen: Einer Anwohnerin, die an diesem Mittag mit dem Hund raus war, das Gebrüll im Park hörte und schließlich die 110 wählte, bot sich folgendes Bild: Das Opfer hockte auf dem Angeklagten und hielt seine Arme fest. Ein anderer Zeuge, der sich den Kämpfenden genähert hatte, habe das Messer im Gras liegen sehen. Das Opfer wollte offenbar verhindern, dass der Angeklagte noch einmal an seine Waffe kam.
Später trennten sich die Kontrahenten und gingen ihrer Wege. Der Angeklagte warf sein Messer ins Gebüsch, wo es von Polizisten gefunden wurde. Sie nahmen den 21-Jährigen auch fest, ein paar Tage später kam er in Untersuchungshaft. Zuvor hatte er noch versucht, mit dem Opfer Kontakt aufzunehmen: Vor Gericht wurden Chat-Nachrichten verlesen. Eine davon: „Sorry wegen der Messerstiche.“ Eine andere: Wenn er sich nicht melde, „dann macht es einfach Puff und die Sache ist gegessen“. Eine Drohung, äußerst ungeschickt, wie der Angeklagte einräumte.
Ein vorgetäuschter Einbruch in Leverkusen
Die Messerattacke war aber nicht alles: Tage später brach er die Tür zur Wohnung seiner Freundin auf, weil er den Schlüssel nicht dabei hatte. Um das zu vertuschen, brach er die Tür auf und täuschte einen Einbruch vor. Er durchwühlte die Schränke und machte tüchtig Unordnung, sodass die Bewohnerin glaubte, Fremde seien eingedrungen. Das wirkte: Die Frau sei für ein paar Wochen ausgezogen, berichtete der Angeklagte. Und zu seiner Motivation: „Ich wollte die Reparatur der Tür nicht bezahlen.“
Ebenfalls in der umfänglichen Anklageschrift fanden sich fünf Betrügereien: In drei Fällen hatte er auf E-Bay Fußballtickets angeboten und für insgesamt 400 Euro verkauft. Geliefert wurden die Eintrittskarten natürlich nicht. Ein „iPhone“ bot er für 400 Euro an, eine Spielekonsole für 300. Für die Geräte strich er je 100 Euro Anzahlung ein. Ohne zu liefern.
Was den Fall zusätzlich kompliziert macht, ist eine Vorverurteilung auf Bewährung wegen Brandstiftung und Schwarzfahren vom Amtsgericht in Opladen. Die war gerade vier Wochen her, als die Messerattacke in Wiesdorf passierte. Wie das Gericht das alles zu beurteilen hat, wird sich erst Anfang Mai erweisen.