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Sachbeschädigung als Fankultur

Lesezeit 3 Minuten

Ein Ampelkasten an der Einmündung Alkenrather Straße auf die Gustav-Heinemann Straße.

Die vielen grauen Kästen, die in den Städten eigentlich an jeder Ecke stehen, sind extrem wichtige Elemente für das Funktionieren der Infrastruktur. Wohl deshalb hat man sie optisch möglichst unscheinbar gestaltet: So unauffällig grau, wie sie normalerweise sind, nimmt man sie eigentlich nicht wahr und je mehr sie sich optisch im Stadtbild wegducken, desto seltener werden sie zum Ziel von Zerstörungswut.

Doch seit ein paar Jahren und besonders in letzter Zeit ist es oft vorbei mit der Unauffälligkeit. Sie werden nach und nach im Bayer-04-Look eingefärbt: Schwarz und Rot. Aus Angst vor Entdeckung geschieht das anscheinend oft in nächtlicher Hast, andere sind wiederum fast akkurat angestrichen worden. Von den Anstreichern hat man bisher noch niemanden erwischt, obwohl die Urheber auf manchen der Kästen eine deutliche Signatur hinterlassen haben. Die deutet darauf hin, dass es ein oder mehrere Ultra-Fans waren.

Farblicher Expansionsdrang

Werbung wird verschont und akribisch ausgespart. Ein Telekomkasten nahe am Stadion (rechtes Bild).

Die Täter haben aber anscheinend optisches Expansionsstreben: Die Übergriffe aufs Stadtbild und damit auf fremdes Eigentum beschränken sich längst nicht auf Kästen: Im vergangenen Monat wurde die Beton-Leitplanke am Europaring bemalt. Auch sind ganze Rückseiten von Verkehrsschildern auf begehbaren Schilderbrücken über den Autobahnen 3 und 59 nicht nur auf dem Stadtgebiet rot-schwarz eingefärbt worden. Das sind schon gefährlichere Aktionen und sie könnten im schlimmsten Fall zu Verletzten oder gar zu Toten führen, etwa wenn einer der Tatbeteiligten oder ein Farbtopf in die Windschutzscheibe eines fahrenden Autos fiele.

Von den angemalten Kästen gehören viele der Post oder es sind städtische Ampel-Schaltkästen. Die größeren beinhalten meist Elektronik zur Datenübertragung, sie sind Eigentum von Kommunikationsnetz-Betreibern, etwa der Telekom. Den größten Schaden dürften die überspannten Fans mit der Neigung zum Revierverhalten aber der Energieversorgung Leverkusen (EVL) zugefügt haben.

Deren Chef Thomas Eimermacher bleibt höflich. Das von ihm geleitete städtische Tochterunternehmen ist einer der vielen Sponsoren der Fußball GmbH: „Für mich ist das kein Ausdruck für besondere Fan-Kultur“. Anwohner hätten sich darüber beschwert. Der EVL-Chef sagt, er sei überzeugt, es handele sich um eine kleine Gruppe und dass die Mehrzahl der Bayer-04-Fans das auch ablehnten. Für ihn ist es schlichte Sachbeschädigung.

Werbung wird verschont und akribisch ausgespart. Ein Telekomkasten nahe am Stadion (rechtes Bild).

Die EVL besitzt 2300 Strom-Verteilerkästen. Wie viele inzwischen angestrichen wurden, ist nicht bekannt, die Reinigung sei schwierig, schreibt der Pressesprecher Stefan Kreidewolf auf Anfrage. In letzter Zeit seien immer mehr bemalte Kästen hinzugekommen, besonders auf den Wegen Richtung Stadion. Einen zu reinigen, koste 400 Euro. Offensichtlich will man bei der EVL nicht auf ein Katz- und Maus-Spiel einsteigen und säubert sie nur, wenn rassistische und neonazistische Symbole und Parolen gemeldet werden. Man bringe die Fälle nach Möglichkeit zur Anzeige, schon, um sie zu dokumentieren. Es sei schwierig, die Verursacher zu greifen, sagt Eimermacher. Einen Schwerpunkt sieht er in Opladen.

Erfolglose Ermahnung

„Wir haben das in den Fan-Gremien kommuniziert, dass wir das nicht wollen“, sagt Meinolf Sprink, der Direktor für Fans und Soziales bei der Bayer 04 Fußball GmbH. „Ich spreche das an, aber ich mache mir da keine Freunde bei manchen Fans. Irgendwann werde man mal jemanden erwischen, dann wird es teuer, vermutet er und sagt eindeutig. „Ganz klar: Das ist Sachbeschädigung.“

Obwohl Opladen als Zentrum gilt, gibt es auch in Schlebusch bemalte Kästen.

Die Erfahrung, dass künstlerisch beklebte und bemalte Kästen in Ruhe gelassen würden, ist auffällig. Nicht einmal mit Werbung beklebte Kästen werden angepinselt. EVL-Chef Eimermacher sagt, er wolle mit den Jugendkunstgruppen über die Kästen und eine mögliche Gestaltung sprechen.

Auffällig ist noch etwas anderes: Ausgerechnet an der Stadtgrenze zu Köln findet man auf den flüchtigen Blick kaum eingefärbte Kästen. Besonders solche nicht, die Teil der Chempark-Infrastruktur sind, also im weiteren Sinne eigentlich Bayer gehören. Entweder haben die Anstreicher Angst vor dem wachsamen Werkschutz, oder die Ultras wollen nicht ausgerechnet den Konzern schädigen, ohne dessen Millionen ihr Lieblingsverein kaum so weit vorne in der Bundesliga mitspielen könnte.