Der Georgier Giorgi Gigashvili (22) ist einer der jüngsten Stars der internationalen Pianistenszene. Jetzt wird er von der Bayer-Kultur gefördert, nahm im Erholungshaus sein erstes Soloalbum auf – und spricht über seinen musikalischen Werdegang.
Starpianist in LeverkusenGiorgi Gigashvili: „Die klassische Musik stirbt aus“
Herr Gigashvili, sie sind dieser Tage zu Gast In Leverkusen. Welchen Eindruck haben Sie von der Stadt?
Giorgi Gigashvili: Leverkusen ist interessant. Es ist klein. Alles spielt sich in einem kleinen Zentrum ab. Außerhalb ist nichts. Und das ist gut für mich, denn das macht die Stadt zu einem Ort, an dem ich konzentriert arbeiten kann.
Sie meinen: Sie sind jung – und zuviel Nachtleben in einer größeren Stadt wäre da nicht so gut für Sie?
Ganz genau. Das wäre für mich zu riskant. (lacht)
Auf Ihrer Webseite steht: „Er erlernte das Klavierspiel, ohne je an eine professionelle Karriere als Pianist zu denken.“ Hört sich toll an. Aber mit Verlaub: Das dürfte bei nahezu allen Menschen der Fall sein, die damit beginnen, ein Instrument zu spielen. Das ist nichts Besonderes, oder?
Stimmt. Trotzdem sagt jeder professionelle Musiker, dass er schon im Alter von vier Jahren unbedingt Profi werden wollte. (lacht) Aber das ist natürlich Blödsinn. Erst mit zwölf, 13 fing ich an, die Musik wirklich als Profession in Betracht zu ziehen und das auch zu verstehen. In den ersten neun, zehn Jahren ging es dagegen nur ums Ausprobieren. Mozart, Bach – für mich war das vor allem Spaß.
Wann haben Sie denn mit dem Klavierspielen begonnen?
„Beginnen“ ist ein großes Wort. Sagen wir lieber so: Mit vier habe ich zum ersten Mal ein Klavier angefasst.
Und warum ausgerechnet ein Klavier?
Meine Mutter und meine Tante sind Pianistinnen. Und meine Mutter hat in einem Kindergarten Musik unterrichtet. Ich war also von Klaviermusik umgeben – und wollte es irgendwann selbst ausprobieren.
Gab es einen bestimmten Moment, in dem Sie plötzlich wussten: Ich werde das einmal professionell machen?
Ja. Der Wendepunkt war, als ich den ersten Musikwettbewerb in meiner Heimatstadt gewann. Da erkannte ich, dass das etwas geben könnte. Aber auch danach war und ist es noch ein langer, langer Weg. Ich ging erstmal auf eine Schule für – sogenannte – besonders begabte Musikerinnen und Musiker.
Warum sagen Sie „sogenannte“?
Naja, vielleicht war ich begabt. Aber darüber kann und möchte ich selbst nicht sprechen.
Das typische „Das müssen andere beurteilen“?
Ja. (lacht)
Aber Sie waren ja nicht umsonst auf solch einer Schule. Also können Sie ruhig etwas selbstbewusster sein.
Ja, okay. Es ist schon so, dass man irgendwann ernsthaft und ehrlich mit sich selbst sein und sich eingestehen muss: „Ich bin wohl irgendwie begabt. Und vielleicht werde ich jetzt diesen Weg gehen.“ Für meine Mutter jedenfalls ging ein Traum in Erfüllung, als sie sah, dass ich ein erfolgreicher Pianist werden würde. Sie hat mir auch sehr, sehr geholfen. Sie hat sogar ihren Job aufgegeben, um mich zu unterstützen und überall hinzufahren.
Zu Beginn Ihrer Karriere haben Sie auch Pop- und georgische Folksongs arrangiert. Das klingt nicht danach, als ob Sie an diese seltsame Unterscheidung in E- und U-Musik glauben. Also in ernste Musik – Klassik. Und reine Unterhaltungsmusik – populäre Musik.
Richtig. Ich halte diese Unterscheidung für Blödsinn. Sie ist auch nicht mehr zeitgemäß, denn die klassische Musik stirbt mehr und mehr aus. Und es ist unsere Aufgabe, sie wiederzubeleben – und zwar dadurch, dass wir sie mit anderen Genres mischen. Musik von Bach ist unserer Folkmusik beispielsweise sehr ähnlich. Sie ist auch mehrstimmig. Letztlich haben mir Folk- und Popmusik geholfen, jemanden wie Bach zu verstehen.
Sie gelten in Georgien durchaus auch als Star in popmusikalischer Hinsicht. Wie kommt das?
Ich habe dort mit Freunden ein Nebenprojekt, in dem wir Pop, Hip Hop und elektronische Musik spielen und auch vor größerer Kulisse auftreten.
Sie haben also, salopp gesagt, echte Fans?
Ja, die habe ich. Aber auch darüber möchte ich nicht so gerne sprechen. (lacht) Sagen wir so: Es ist einfach großartig, diesen Rückhalt bei Menschen zu haben.
Welche Künstlerinnen oder Künstler haben Sie – neben den klassischen – denn am meisten geprägt?
Ich liebe Beyoncé, David Bowie oder Michael Jackson. Sie haben einen großen Einfluss auf meine Musik – weil sie etwas Neues gemacht haben. Und weil sie in ihrer Musik vollkommen frei waren beziehungsweise sind. Das ist inspirierend, denn: Ich will auch frei sein. Die Klassik hat zwar strenge Regeln. Aber die interessieren mich nicht. Ich möchte mich mit meiner Musik ausdrücken. Es geht um meinen Weg. Daran arbeite ich.
Aber Sie spielen als klassischer Musiker Werke anderer Komponisten. Wie bitteschön klappt denn vor diesem Hintergrund das mit dem „eigenen Weg“?
Das geht. Wenn ich etwa ein Stück von Brahms, Bach oder Beethoven spiele, dann mache ich es mir zu eigen. Dann ist es quasi meines.
Wie schwer ist das?
Nun: Ich nehme niemals Stücke, die ich nicht mag. Insofern ist das sehr leicht. Auch bei meinem ersten Soloalbum, das ich gerade im Erholungshaus aufnehme. Es ist das erste, auf dem wirklich nur ich spiele. Und zwar Stücke, die ich – eben – absolut liebe. Dieses Album ist nur ich. Entsprechend bin ich auch total aufgeregt, weil ich zwar Hilfe von vielen guten Menschen bekomme, aber zum ersten Mal in allem vollkommen frei bin. Bis hin zur Auswahl der Stücke: Das geht von Scarlatti bis Messiaen. Über mehrere Jahrhunderte. Großartig!
Wäre diese CD-Produktion ohne die Hilfe aus Leverkusen möglich gewesen?
Nein. Denn die Produktionskosten für eine CD sind heutzutage viel zu hoch und zuvor die Studiozeit viel zu teuer, als dass ich das selber tragen könnte. Das sind mitunter Tausende Euro pro Tag. Abgesehen davon, dass ich hier im Erholungshaus den Steinway-Flügel umsonst nutzen kann. Es war letztlich ein Glücksfall, dass meine Agentur von Bayer angesprochen wurde.
Kannten Sie Bayer zuvor?
Ja. Als ich in Georgien war, hatten meine Eltern daheim Tabletten gegen Kopfschmerzen – und die waren von Bayer. Und: Unsere Familie ist sehr fußballverrückt. Daher kannte ich Bayer 04 Leverkusen.
Giorgi Gigashvili kam 2000 in Tbilisi, Georgien, zur Welt. Er wurde ausgebildet an der Zentralen Paliashvili-Musikschule für begabte Kinder und schließlich am Staatlichen Konservatorium von Tbilisi. Er studiert am Genfer Konservatorium bei Nelson Goerner. Seit diesem Jahr ist er von der Bayer-Kultur geförderter „Start“-Künstler. Sein erstes Soloalbum, aufgenommen in Leverkusen, erscheint im April 2023.
Am 16. Mai 2023 gastiert Giorgi Gigashvili beim „Start“-Festival der Bayer-Kultur im Erholungshaus und spielt Werke von Schumann und Liszt. Karten sind ab sofort an allen bekannten Vorverkaufsstellen sowie im Internet erhältlich. Wer bis zum 24. Dezember, 15 Uhr, bestellt, bekommt aufgrund einer Sonderaktion zwei Karten zum Preis von einer.
www.startfestival.dewww.kultur.bayer.de