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Tablet statt KreideLeverkusener Sekundarschule ist bei digitalen Medien weit vorne

Lesezeit 3 Minuten

Bastian Alp nutzt gerne die technischen Hilfsmittel im Klassenraum, nur seine Handschrift gefällt ihm am Active Board nicht.

Leverkusen – Tobias ist einer von vier „Medienexperten“ in der 5a der Sekundarschule. Die verantwortungsvolle Position, am ehesten wohl mit dem klassischen Tafeldienst zu vergleichen, wechselt jedes Halbjahr. Die Medienexperten achten darauf, dass die Tablets für den Unterricht stets geladen und im Medienkoffer richtig sortiert sind. Kurz vor den Sommerferien verteilt der Elfjährige sie in der zweiten Stunde im Mathe-Förderunterricht. Draußen strahlt die Sonne, drinnen gibt es „Pferderennen“: Bei diesem Spiel müssen die Schüler Divisionsaufgaben auf dem Gerät lösen. Wer die meisten Matheaufgaben richtig gerechnet hat, geht mit seinem virtuellen Pferd als Erster ins Ziel.

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Mathelehrer Bastian Alp steht als Spielleiter und Techniker zur Verfügung. „Das Spiel mögen die Kinder unheimlich gerne, weil sie gegeneinander spielen. Da packt sie der Ehrgeiz“, weiß der Pädagoge, der außerdem Medienkoordinator an der Sekundarschule ist. Die 2015 neu gegründete Schule ist Leverkusens erste Medienschule und teilt sich die Räume in Quettingen mit der auslaufenden Hauptschule. Statt mit grüner Kreidetafel und Overhead-Projektor wurde jeder Klassenraum von der Stadt mit einem „Active Board“ mit Touchscreen ausgestattet, Kostenpunkt: etwa 95 000 Euro.

Hochwertige Visualisierung

Alle Lehrer unterrichten mit Hilfe der computerbasierten Tafeln. Laut Schulleiterin Carola Becker machen sie den Unterricht „moderner und flexibler“. „Der Stoff kann viel hochwertiger visualisiert werden, wir haben ganze Schulbücher in digitaler Form“, berichtet Becker. Geographische Karten in Gesellschaftskunde, Audio-Beiträge in Englisch, Pizzastücke zum Bruchrennen, ein analoger Timer für Klassenarbeiten – Bild und Ton sind in hoher Auflösung mit einem paar Klicks verfügbar. Der zehnjährigen Mia fällt ein weiterer Vorteil ein. „Wenn wir gut mitgemacht haben, können wir direkt einen Film gucken und müssen nicht erst den Fernseher reinholen.“

Tobias (11) und David (12) spielen am Tablet gegen ihre Mitschüler, gerechnet wird analog auf dem Papier.

Die Sekundarschule vereint genau wie eine Gesamtschule alle drei Schulformen, nur ohne Oberstufe. In der 5a sitzen also Schüler mit ganz unterschiedlichen Fähigkeiten, die sie im Förderunterricht eigenverantwortlich ausbauen. Deshalb stellt Alp den Kindern verschiedene Tablet-Anwendungen zur Auswahl. Was zeitsparend und effizient klingt, ist in der Praxis manchmal ein Nullsummenspiel. Bis alle Geräte verteilt, angeschaltet und die richtige Internetseite aufgerufen haben, vergeht mindestens eine Viertelstunde. Noch dazu bietet die Suchmaschine Google ein extrem hohes Ablenkungspotenzial für die Fünftklässler. Alp kann vorne an der Tafel technisch überprüfen, was die Schüler gerade auf ihrem Tablet machen und ihre Neugier in die richtigen Bahnen lenken.

Kritik an zu viel Bildschirm

Die Vorbehalte gegen den digitalen Unterricht kennt die Schulleiterin. „Bei der Einschulung haben mich Eltern gefragt, ob wir überhaupt Bücher haben“, erzählt Becker. Diese kann sie sofort beruhigen: Für jedes Fach gibt es Lese- und Arbeitsbücher, die die Schüler handschriftlich ausfüllen müssen. Andere Kritiker bemängeln, dass der Lehrer im medialen geprägten Unterricht nur noch ein Begleiter sei, die Motorik leide oder Kinder generell zu viel Lebenszeit mit einem Bildschirm vor dem Gesicht verbringen. Becker widerspricht Zweiflern, es gebe immer noch ganz herkömmliche Unterrichtsmethoden – nur die Abwechselung sei größer.

Für Alp ist die Medienschule vor allem ein Baustein für den kritischen Umgang mit der stets präsenten Technik. „Viele Schüler nutzen die Geräte sehr blauäugig. Wir sprechen auch mit ihnen über Persönlichkeitsrechte oder Datensammler wie Facebook und Google.“

Medienkompetenz für Schüler ist auch ein erklärtes Ziel der „Digitaloffensive Schule NRW“. Schulministerin Yvonne Gebauer möchte bis spätestens 2021 leistungsfähiges WLAN und ein neues Medienkonzept an jeder Schule. In Leverkusen erfolgt die digitale Ausstattung langsam, zwar gibt es auch an anderen Schulen bereits „Active Boards“, besonders Glasfaseranschlüsse für eine leistungsfähige Internetverbindung fehlen aber. Eine weitere „Medienschule“ ist nicht geplant, dies war an der Sekundarschule nur wegen der verhältnismäßig kleinen Schülerzahl finanzierbar.