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„The Who and the What“Familiendrama im Leverkusener  Forum

Lesezeit 3 Minuten
Zwischen Humor und Ernst: „The Who and the What“ bringt große Fragen mit Leichtigkeit auf die Forum-Bühne.

Zwischen Humor und Ernst: „The Who and the What“ bringt große Fragen mit Leichtigkeit auf die Forum-Bühne.

Wie spannend kann ein Familienstreit über Tradition und Selbstbestimmung wirklich sein? Das Theaterstück „The Who and the What“ liefert in Leverkusen die Antwort.

Ein Mann, der einst mit einem Taxi-Unternehmen den amerikanischen Traum lebte, sieht sich plötzlich von einer Realität eingeholt, die ihm den Boden unter den Füßen wegzieht. Afzal, gespielt von dem beeindruckend facettenreichen Hansa Czypionka, ist nicht nur ein liebevoller Vater, sondern auch ein Mann traditioneller Werte – und genau das bringt ihn in einen unlösbaren Konflikt mit seinen Töchtern. Ayad Akhtars Stück „The Who and the What“, das am Freitagabend im Leverkusener Forum gastierte, ist weit mehr als ein Familiendrama: Es ist ein hochaktuelles Spiegelbild interkultureller Spannungen, das sich auf der Bühne in einer mitreißenden Mischung aus pointiertem Witz und tief gehender Tragik entfaltet. Regisseur Felix Prader inszeniert das Werk als Kammerspiel mit brillanten Dialogen und exzellenter Schauspielkunst.

Zwischen Leverkusen und Lahore: Ein Universalkonflikt

Ein Streitgespräch. Dann macht eine der ersten Szenen klar, mit welcher Präzision Akhtar seine Figuren zeichnet: Afzal sitzt mit breiter Brust auf einem Stuhl und prüft, wie ein inoffizieller Standesbeamter, den potenziellen Ehemann seiner Tochter Zarina. Es ist eine Szene, die mit humorvollem Unterton beginnt, aber bald die ganze Härte traditioneller Erwartungen offenbart. „Ich will doch nur, dass du glücklich bist“, ruft er seiner Tochter entgegen – ein Satz, der zugleich liebevoll und erdrückend wirkt. Czypionka verleiht diesem Vater eine immense Wärme, die sein patriarchalisches Denken umso tragischer macht. Zarina hingegen – gespielt von Adrienne von Mangoldt – hat andere Pläne. Denn ihr Roman, der den Propheten Mohammed in einem neuen Licht zeigt, ist eine tickende Zeitbombe. Als ihr Vater davon erfährt, zerreißt es nicht nur das Buch, sondern die gesamte Familie. Die Szene, in der er mit zitternden Händen über die Seiten streicht, ehe er sie mit einem Ruck aus dem Manuskript reißt, lässt den Schmerz dieses Moments spüren.

Das Forum wird zur Arena eines brennenden Familienproblems

Der Inszenierung gelingt es, einen politischen Diskurs in persönliche Tragik zu verwandeln, ohne in Klischees zu verfallen. Besonders Noëlle Haeseling als Mahwish verleiht ihrer Rolle eine bewegende Zerbrechlichkeit – zwischen Loyalität zur Familie und dem Drang nach einem selbstbestimmten Leben. Sven Scheele als Zarinas Ehemann Eli bringt mit seiner ruhigen – fast stoischen Art – einen Gegenpol in die hitzigen Auseinandersetzungen. Die Bühne bleibt minimalistisch, aber wirkungsvoll: Ein schlichtes Wohnzimmer, das sich in ein Schlachtfeld verwandelt. Licht- und Schattenspiele unterstreichen die inneren Kämpfe der Figuren, und die Regie setzt gezielt auf eindringliche Bilder, etwa wenn Afzal am Ende alleine im Halbdunkel steht – ein Mann, der alles wollte, um seine Familie zu schützen. Und dabei alles verloren hat. Akhtar zwingt sein Publikum, sich den Widersprüchen unserer Gesellschaft zu stellen. Oder, um es mit den Worten von Zarina zu sagen: „Vielleicht ist die größte Wahrheit die, die am meisten wehtut.“