Seit November 2022 gilt bei Tierärzten eine neue Gebührenverordnung. Die gestiegenen Kosten machen seitdem Tierhaltern, Heimen und Landwirten zu schaffen.
TierarztkostenHund, Katze und Pferd kosten in Leverkusen mehr als doppelt so viel
Tweety, eine vierjährige Rottweiler-Hündin, haben Mitarbeiter des Tierheims im April 2022 in Leverkusen gefunden. „Wir wussten wenig über sie, aber nach mehreren Untersuchungen hat sich herausgestellt, dass sie höchstwahrscheinlich als Gebärmaschine missbraucht worden ist und viele Würfe zur Welt gebracht hat“, sagt Gerd Kortschlag, Leiter des Tierheims in Leverkusen.
Nach rund einem Jahr konnte Tweety vermittelt werden. Zuvor unterzog sich die Hündin allerdings erst einem Wesenstest, den das Veterinäramt abnimmt, damit Kampfhunde auch ohne Maulkorb spazieren gehen dürfen. Tweety bestand den Test. „Es fiel immer auf, dass sie sehr verschmust und kontaktfreudig ist, das war schon sehr bewegend“, erzählt Kortschlag.
Als Tweety im Tierheim eingezogen war, stand erst einmal die Eingangsuntersuchung durch den Tierarzt bevor. Die gilt für alle Tiere, die neu im Heim ankommen. Der Arzt untersuchte Tweety auf Infektionen und impfte sie. Alle Tiere, über die dem Tierheim keine Informationen zum Impfstatus vorliegen, muss der Arzt impfen, bevor sie ins Tierheim kommen. Er stellte bei Tweety unter anderem eine Erkrankung an der Hüfte, Darmprobleme und eine Infektion fest. Später musste sie auch noch sterilisiert werden. „Das sind natürlich alles zusätzliche Kosten, die auf das Tierheim zukommen. Aber damit liegt Tweety vollkommen im Durchschnitt“, so Kortschlag.
Kosten haben sich mehr als verdoppelt
Die Kosten für die Untersuchung berechnen sich nach dem Zeitaufwand des Veterinärs. „Das geht bei einer Maus dann schneller als zum Beispiel bei einem Hund oder einer Katze“, sagt Kortschlag, „eine Stunde kostet nun 200 Euro, wobei die Untersuchungen nie so lange dauern, meist ist es ungefähr eine halbe Stunde.“ Anfang 2022 habe das Tierheim noch 107 Euro für eine Stunde bezahlt. Er erklärt, dass sich die Tierarztkosten des Tierheims im vergangenen Jahr auf rund 4500 bis 6000 Euro monatlich belaufen hätten, nun seien es 14.000 bis 15.000 Euro.
Im November 2022 erließ das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft erstmals seit 1999 wieder eine „Änderung der Tierärztegebührenordnung“. Grund dafür ist laut Bundestierärztekammer die Notwendigkeit, dass sich neuere medizinische Verfahren in der „Gebührenordnung für Tierärzte“ (GOT) wiederfinden. Die Bundestierärztekammer bezeichnet die neue GOT als „überfällig“ und „nicht einmal dem Inflationsausgleich [entsprechend]“. Zudem seien die Praxiskosten gestiegen und es sei auch in allen anderen Bereichen des alltäglichen Lebens zu Preissteigerungen gekommen.
Im Rahmen der Recherche für diesen Artikel hat der „Leverkusener Anzeiger“ alle Tierärzte in der Stadt auf das Thema angesprochen, genauso wie auch einen Tierarzt in Burscheid. Keiner der angesprochenen Veterinäre wollte sich dazu äußern.
Leverkusener Tierheim: Am Futter muss gespart werden
Das Tierheim finanziert sich nach wie vor durch Spenden, Mitgliedsbeiträge und es erhält auch Unterstützung der Stadt. Um die gestiegenen Tierarztkosten zu decken, müssen die Mitarbeiter an anderer Stelle Abstriche machen. „Wo wir können, sparen wir beim Futter. Dort hatten wir sonst immer einen sehr hohen Standard, aber jetzt müssen wir es von anderen, günstigeren Herstellern kaufen, um die Tierarztkosten stemmen zu können“, so Kortschlag. Zusätzlich möchten sie in Zukunft auch bei der Einstreu für die Kaninchen sparen.
Auch der Deutsche Tierschutzbund (DTSchB) zeigt sich besorgt über die gestiegenen Tierarztkosten. Die Organisation betont den ungünstigen Zeitpunkt aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Lage, mit der die Bürger und somit auch die Tierhalter zu kämpfen haben. „Hätte der Gesetzgeber schon vor Jahren reagiert und die Gebührenordnung immer wieder den aktuellen Rahmenbedingungen entsprechend angepasst, wäre der Sprung nicht so spürbar ausgefallen und es wäre auch eine bessere Planungssicherheit für TierhalterInnen möglich gewesen“, so der DTSchB.
Tierschutzbund ist besorgt ums Tierwohl
Den Verein beunruhigen mögliche Auswirkungen auf das Wohl der Tiere. „Ergebnis kann und darf nicht sein, dass [sozial schlechter gestellte] TierhalterInnen notwenige Behandlungen aufgrund der Kosten nicht durchführen lassen oder die Tiere aus diesem Grund im Tierheim abgeben“, betont der Tierschutzbund. Diese Sorge ist scheinbar mehr als begründet, denn eine Leverkusener Tierhalterin, die gerne anonym bleiben möchte, erzählt: „Mein Kater hat schon länger Zahnfleischprobleme, aber wir gehen nicht zum Tierarzt, weil es einfach zu teuer ist.“
Deshalb fordert der „Deutsche Tierschutzbund e.V.“ Alternativen für Tierhalterinnen und Tierhalter, die die hohen Tierarztkosten nicht stemmen können. Laut DTSchB sollen „zumindest für eine Übergangszeit für sozial schlechter gestellte TierhalterInnen Vorkehrungen geschaffen werden, sodass ihnen ihre Tierhaltung mit tiermedizinischer Betreuung möglich bleibt.“
Das gleiche Problem könnte laut DTSchB auch bei Landwirten auftreten. „Die Anhebung des Satzes innerhalb der Notdienstzeiten von plus 50 Prozent auf plus 75 Prozent sehen wir insofern kritisch, als dass insbesondere im Schweine- und Rinderbereich dadurch die Bereitschaft, die Tiere tierärztlich behandeln zu lassen, noch einmal sinken könnte.“ Insbesondere bei den männlichen Kälbern der Milchrinderrassen sei dieses Problem präsent, denn diese hätten für Landwirte keinen wirtschaftlichen Wert. Ihre Untersuchungen seien deshalb mit Verlust für den Landwirt verbunden.
Schon seit Jahren fordert der Tierschutzbund laut eigener Aussage eine Veränderung im System und betont: „[...] die derzeitige Realität und ihre negativen Folgen dürfen nicht auf dem Rücken der Tiere ausgetragen werden.“
Leverkusener Pferdewirt: 12.000 Euro für eine OP
Der Leverkusener Landwirt Georg Hummelsheim unterhält eine Pferdepension mit rund 80 Tieren. Regelmäßig fallen in seinem Betrieb Kosten für die Impfungen der Pferde an. So kostete eine Influenza-Impfung pro Pferd im Jahr 2019 rund 40 Euro, während er in diesem Jahr für die gleiche Impfung rund 90 Euro zahlen muss. Für eine Kastration, die vor 5 Jahren noch 250 Euro kostete, muss Hummelsheim nun 700 bis 800 Euro zahlen.
„Ich werde nach Holland fahren, da kostet das weniger, das ist zwar schlecht für die Umwelt, aber ich muss auch schauen, wo ich bleibe“, sagt der Landwirt. Hinzu kommen schließlich auch noch Krankheitsfälle bei seinen Tieren, für die er kurzfristig viel Geld in die Hand nehmen muss. So musste Georg Hummelsheim im März dieses Jahres einen Tierarzt aufsuchen, da eine seiner Stuten Kolliken hatte und eine Operation brauchte.
„Die OP hätte 12.000 Euro gekostet, vor zehn Jahren wären die Kosten bei 3000 bis 3500 Euro gewesen“, erklärt Hummelsheim. Seine Stute war 17 Jahre alt und fünf Wochen vor dem Abfohlen. „Bei der Geburt hätte die Narbe aufgrund der Presswehen dann aber platzen können, dann hätten wir ein Fohlen ohne Mutter gehabt und auch die Kosten haben uns sehr nachdenklich gemacht. Schließlich haben wir sie einschläfern lassen“, sagt der Pferdewirt.
Als Haustierhalter sei man mittlerweile gezwungen, „solche großen Summen auf der hohen Kante zu haben, um sein geliebtes Tier vor dem Tod retten zu können“. Um einer solchen Situation vorzubeugen, schloss Hummelsheim für seine besten Pferde eine OP-Versicherung ab. Nun zahlt er 32 Euro monatlich. „Ich hatte Glück und habe noch den alten Tarif bekommen, mittlerweile zahlt man für eine neue Police 75 Euro, denn die Versicherung müssen ja auch gucken, wie sie die Kosten abfangen können“, so Hummelsheim.
Er habe den Eindruck, dass die Tierärzte durch die Neuverordnung eine Monopolstellung erreicht hätten. „Es gibt ja keinen fairen Wettbewerb mehr, sie kriegen von der Tierärztekammer vorgeschrieben, wie viel sie verlangen müssen und die Preise sind auf einem Niveau festgelegt, das wir nicht stemmen können.“ Auch seine Bekannten und Freunde sind empört über die hohen Kosten. „Die gestiegenen Tierarztkosten sind auf jeder Sitzung Thema“, sagt ein Freund des Landwirts und verrät: „Man arbeitet im Hintergrund an einer Petition.“