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TMD Friction500 Arbeitsplätze ziehen bis 2018 von Leverkusen nach Essen

Lesezeit 4 Minuten

Im Gewerbegebiet Fixheide hat TMD Friction keine Möglichkeit mehr zu expandieren.

Leverkusen – Die Verhandlungen haben gut zwei Jahre gedauert und waren mitunter arg schwierig. Eine externe Fachberatung wurde hinzugezogen und am Ende ging es noch zur Einigungsstelle.

Inzwischen sind die Unterschriften trocken und die Belegschaft wurde in dieser Woche sogleich in einer Personalversammlung informiert: Geschäftsführung und Betriebsrat von TMD Friction haben sich auf einen Sozialplan verständigt, der den Umzug der Bremsbelägeproduktion von der Leverkusener Fixheide in den Essener Stadthafen erträglich gestalten soll.

Rund 500 Mitarbeiter werden nach und nach bis Ende 2018 ihrem Arbeitsplatz ins Ruhrgebiet folgen, wo für rund 53 Millionen Euro eine neue Produktionsanlage entstehen soll, mit der das Unternehmen langfristig wettbewerbsfähig bleiben will.

Produktion schließt Ende 2018

In Leverkusen bleiben wird die andere Hälfte der Belegschaft: die Holding, die Entwicklungsabteilung, die Prüfstände für Neuentwicklungen und das Ersatzteilgeschäft mit insgesamt rund 470 Mitarbeitern. Für gut 500 Mitarbeiter heißt es spätestens Ende 2018: Richtung Essen umziehen oder zum Arbeitsplatz pendeln. Wer das Unternehmen verlassen will, kann eine Abfindung mitnehmen, wer kurz vor der Rente steht, dem wird der Übergang in den Ruhestand finanziell geebnet.

Entscheidend für die Verlagerung der Produktion weg von Leverkusen war und ist die mangelnde Expansionsmöglichkeit am Standort. Das Grundstück in der Fixheide liegt eingekeilt zwischen anderen Unternehmen, für die dringend benötigte Errichtung neuer Produktionsanlagen mangelt es schlicht an Platz. So verlässt die Produktion die Stadt, bleibt aber immerhin im Lande.

Keine Kündigungen

Fest steht: Betriebsbedingte Kündigungen wird es nicht geben. Und wer mit seinem Arbeitsplatz nach Essen umzieht, erhält umfangreiche Unterstützung. „Ich gehe davon aus, dass fast alle mitgehen“, sagt Berthold Schlinge. Der Geschäftsführer von TMD Friction EsCo, der den Sozialplan ausgehandelt hat, kennt seine Mitarbeiter und ihre Sorgen. „Ich habe über 200 Einzelgespräche geführt.“ Die große Mehrheit der Mitarbeiter ist seit vielen Jahren im Unternehmen.

Besitzstandsklauseln im Sozialplan sichern die dabei erworbenen Ansprüche ab. Zusätzliche Hilfsangebote bestehen in einer Fahrtkostenerstattung, einem eigenen Buspendeldienst zwischen Leverkusen und Essen zum Schichtwechsel, Umzugsbeihilfen oder einer Kostenbeteiligung der Firma an einem Zweiwohnsitz. Auch werden Arbeitgeberdarlehen von bis zu 18000 Euro für einen Fahrzeugkauf oder ein Zuschuss für den Erwerb eines Führerscheins angeboten.

Keine Abwanderung in Niedriglohnland

Das Unternehmen hat damit eine vergleichsweise großzügige Regelung akzeptiert. „Japan denkt anders, langfristiger“, erklärt Schlinge die Konzernpolitik. „Dort hat die Entwicklungsperspektive bereits 2030 im Blick.“ Deshalb investiere Nisshinbo in Essen und parallel in eine Produktionsstätte in Brasilien. In jedem Fall aber werde die Entwicklung als Zulieferer der Erstausstattung für die Automobilindustrie in Europa gestärkt. „Wir haben uns bewusst gegen eine Abwanderung in ein Niedriglohnland entschieden“, unterstreicht der Geschäftsführer.

In Deutschland werde in Innovation, Qualität und flexible Produktion investiert. Erst wenn eine Produktionslinie von TMD hier gut laufe, werde sie an Produktionsstätten in anderen Ländern und Erdteilen übernommen.

Aktuell gelten die Neuerungen in der Bremsbelägetechnologie vor allem der Materialentwicklung. Kupfer, das bisher einen Anteil von 17 Prozent in der Materialmischung ausmachte, muss in den nächsten Jahren komplett ersetzt werden durch eine komplizierte andere Rohstoffmixtur. Eine neue Rohstoffmischerei, die in Essen errichtet wird, ist dringend nötig, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und die immer genaueren Vorgaben und höheren georderten Stückzahlen der Autohersteller zu erfüllen.

Die Entwicklung neuer Produkte bis hin zur Massenfertigung verbleibt in Leverkusen. Die künftig nicht mehr benötigten Produktionshallen sollen 2019 vermietet oder verkauft werden.

Von Textar zur Nisshinbo-Tochter

TMD Friction ist eine hundertprozentige Tochter des japanischen Mischkonzerns Nisshinbo Holdings. Das Unternehmen gehört mit einem Marktanteil von weltweit 18 Prozent zu den führenden Herstellern von Bremsbelägen für Pkw und Nutzfahrzeuge.

An Produktionsstandorten in Deutschland, England, Spanien, Rumänien, USA, Mexiko, Brasilien, Südafrika, Indien , China, Südkorea und Japan beschäftigt das Unternehmen weltweit 4800 Mitarbeiter und erzielte 2015 einen Umsatz von 715 Millionen Euro.

Textar-Bremsbeläge werden seit 1934 in Leverkusen hergestellt, zunächst am Standort Jägerstraße in der Waldsiedlung, seit den 80er-Jahren in der Fixheide. Gegenwärtig werden dort rund 30 Millionen Bremsbeläge im Jahr gefertigt. Knapp 1000 Beschäftigte zählt der Standort zurzeit noch.

1998 wird Textar von BBA Friction übernommen. Nach Eigentümerwechseln und zwischenzeitlich einer Insolvenz im Jahr 2008 wurde die Unternehmensgruppe 2011 schließlich von den Japanern übernommen, die nun langfristig investieren. (ger)