Top Auto-ServiceLeverkusenerin nimmt Abschied von der Hebebühne

Vera Dick schließt mit 75 Jahren die Auto-Werkstatt.
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Leverkusen – Aus dem Glas neben der Kasse darf sich jeder die guten „Milch-Böller“ greifen. Und es sind auch noch immer einige Bonbons drin. Vera Dick, Chefin des Top-Auto-Service, ist eine Frau, die eigentlich immer sagte, das Glas sei noch halb voll. Was sie nun sagen soll, das weiß sie jedoch nicht. Die Trauer frisst an ihr, zu groß ist der Schmerz.
Vor wenigen Monaten ist ganz unerwartet ihr Lebenspartner Toni Pötz gestorben. Nun wickelt Vera Dick, die von ihren Kunden immer nur „die Vera“ genannt wird, im kleinen Betrieb am Bürgerbuschweg in der Fixheide alles ab.
Nur noch Reifen und Felgen
Seit dem 1. April werden keine Reparaturen mehr bei Top-Auto-Service durchgeführt, nur noch Reifen und Felgen gewechselt und das auch immer nur noch samstags zwischen 8 und 13 Uhr. Bislang hat noch nicht einmal die Hälfte der Kunden, darunter große Firmen, die eingelagerten Sommerreifen gewechselt. Doch Ende Mai will die Vera ganz aufhören.
Dass so eine wie sie, die erst mit 67 merkte, dass sie bereits seit zwei Jahren e die Rente hätte beantragen sollen, acht Jahre später nun doch aufhört, war für alle eigentlich undenkbar. „Jeder Tag ist eine Katastrophe. Ich muss erklären, was los ist, immer wieder alles neu erzählen“, sagt die Leverkusenerin.
Meister gekündigt
Doch ihr Mann hatte schon Ende vergangenen Jahres dem Meister gekündigt. Sie wollten aufhören, es sich schön machen. Zwei frühere Lehrlinge helfen der Vera nun. „Der Tim hat mit sehr gut seinen Mechatroniker gemacht“, sagt sie stolz.
Sie war früher nebenbei Taxiunternehmerin, bildete bis 2003 noch aus. Bei den Schulungen war sie die einzige Frau in Leverkusen. Aufgewachsen ist Vera Dick auf einem Bauernhof in Aichen im Schwarzwald, gelernt hat sie im Hotelfach, war viele Jahre im Werkskasino von Textar und hatte erst mit 33 einen Führerschein.
Als Geschäftsführerin eingesprungen
Als ihr Mann Toni für seine Kfz-Werkstatt einen Geschäftsführer brauchte, sprang sie ein und erarbeitete sich schnell absolutes Vertrauen bei den Kunden. Kein Mann kam ihr doof, manche holten ihren Rat ein, wenn ihnen eine andere Werkstatt etwas sagte, das sie hinterfragten. Aber Vera Dick schränkt ein: „Ich habe nicht den Meister imitiert und immer gesagt, dass wir damit erst auf die Bühne müssen.“
Die Hebebühne, das war bislang ihr Leben und trotzdem ist sie froh, wenn sie einmal ihre Ruhe hat. Denn auch wenn viele Regale bereits leergeräumt sind, gibt es noch unendlich viel zu tun. „Ich dreh am Rad“, lautet der lockere Werbeslogan auf einem Brief eines Zulieferers. „Wirklich, so geht es auch mir gerade“, sagt Vera. Zuhause merke sie, was der Mann alles gemacht habe.
Um alles gekümmert
Wenn ein Wasserhahn tropfte oder Salz in die Spülmaschine nachgefüllt werden musste, darum habe er sich gekümmert. Tandemfahren, Laufen, Angeln, das waren die gemeinsame Hobbys. Und vieles verband sie mit ihrem Toni, worüber sie lachen konnten.
Und zum Schluss sagt die Vera etwas, dass einen hoffen lässt, dass das Glas doch halb voll ist: „Ich brauche die Natur und ich gehe in den Wald, das gibt mir Frieden, wenn der Specht klopft.“