Ukrainerin beim Leichlinger TVAus dem Krieg ins Training mit der Stabhochsprung-Legende

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Polina Stepanchenko und Leszek Klima stehen nebeneinander.

In Leichlingen trainiertPolina Stepanchenkobei Leszek Klima, ehemaliger Bundestrainer im Stabhochsprung.

An den Deutschen Meisterschaften kann Polina Stepanchenko nicht teilnehmen, sie ist nicht startberechtigt – trotz Norm.

Mehr als dreieinhalb Meter, so hoch sprang Polina Stepanchenko mit dem Stab in diesem Jahr bereits. Das ist nicht nur Vereinsrekord für den Leichlinger TV. Mit der Höhe gehöre sie in ihrer Altersklasse auch zur deutschen Spitze, sagt ihr Trainer Leszek Klima. 

Nur beim Flutlichtspringen im Kölner Netcologne Stadion wollte es an diesem Wochenende nicht so recht klappen. Mit 3,32 Meter blieb sie deutlich unter ihrer Besthöhe von 3,51 Meter. Es war kalt und windig. Eingemummelt in eine dicke Decke war sie da gedanklich schon fast im Sommerurlaub in Italien. Den hat sich die 16-Jährige nach einer bislang außergewöhnlichen Saison auch verdient. Nacheinander gewann sie nicht nur den Landesmeistertitel Nordrhein der unter 18-Jährigen, sondern legte bei den deutlich älteren Stabhochspringerinnen der U20 gleich noch nach – und erfüllte gleich zweimal die Norm für die Deutschen Meisterschaften. 

Leichlinger TV: Ehemaliger Bundestrainer baut neue Trainingsgruppe auf 

Ihre Klasse unter Beweis stellen kann sie dort allerdings nicht. Sie ist Ukrainerin, vor zwei Jahren flüchtete die Familie aus Charkiw ins Rheinland. Ihr heimischer Coach stellte damals den Kontakt zur Leverkusener Trainer-Ikone Leszek Klima her. Stepanchenko folgte ihm zum Leichlinger TV, wo der ehemalige Bundestrainer in seinem Ruhestand nun in seiner Freizeit eine junge Trainingsgruppe aufbaut. 

Nachdem Klima früher mit Spitzenathletinnen und -athleten wie Tim Lobinger, Danny Ecker und Silke Spiegelburg arbeitete, fängt er nun in der Blütenstadt wieder bei Null an. Trotz Olympischer Spiele, Europa- und Weltmeisterschaften, die er betreute, habe er die Arbeit mit dem Nachwuchs nie aus dem Auge verloren. In der Jugend präge man die Instinkte, auf die es später beim Stabhochsprung ankomme, sagt er. Und in der Leichlinger Leichtathletikabteilung  finde er dafür perfekte Bedingungen vor. „Die Atmosphäre ist einfach super“, sagt der Diplom-Sportlehrer. 

Polina Stepanchenko während eines Sprungs.

In diesem Jahr übersprang die gebürtige Ukrainerin die Norm für die Deutschen Meisterschaften der U18. Teilnehmen darf sie allerdings nicht.

Mit Stepanchenko etwa feilte er an der Technik, sie stellte sich auf neue Stäbe ein. Schon jetzt trägt die gemeinsame Arbeit Früchte. „Für den Stabhochsprung musst du Draufgänger sein“, sagt Klima. Sich über diese gewisse Angstschwelle zu bewegen, das könne sein Schützling schon gut. Trotz Draufgänger-Gen am Absprung ist Stepanchenko sonst völlig am Boden geblieben. Sie wolle kleine Schritte machen, langsam die Vier-Meter-Marke angehen, „besser und besser werden“. 

Und langfristig sei ihr Ziel, doch noch die Startberechtigung für die Deutschen Meisterschaften zu erlangen, vielleicht ja schon im nächsten Jahr. Ihr Deutsch müsse dafür noch ein bisschen sicherer werden, dann gehe sie die Einbürgerung an. „Ich mache alles hier, alles für Deutschland“, sagt die Schülerin. Obwohl ihr Haus in Charkiw noch steht, wolle sie hier bleiben. Durch den Krieg in der Ukraine sei ihre Heimat nicht mehr dieselbe: „Da ist kein Leben mehr.“

Mehr Leben, mehr Sicherheit und mehr Stabhochsprung gibt es dafür rund um die Leichlinger Trainingsgruppe. Fünf- bis sechsmal in der Woche versammelt Klima seine Athletinnen und Athleten um sich herum. Nicht nur am richtigen Anlauf, an Technik und Energie werde dann gearbeitet. „Wir gehen auch laufen oder in den Kraftraum“, sagt Stepanchenko, das gefalle ihr auch. Am meisten fasziniere sie aber der Stabhochsprung. „An diesem Sport ist einfach alles besonders.“