GerichtWas das „Herrenberg-Urteil“ für die Musikschulen in Leverkusen und Leichlingen bedeutet

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Musikschule Leverkusen Friedrich-Ebert-Straße

Die Musikschule Leverkusen an der Friedrich-Ebert-Straße

Ein Urteil des Bundessozialgerichts zur Beschäftigung von Honorarkräften an öffentlichen Musikschulen bringt viele Kommunen in Zugzwang.

Im Sommer 2021 war es, da stand nach mehr als einem Jahr der öffentlichen Proteste und Debatten in Leverkusen fest: Alle Musikschullehrerinnen und Musikschullehrer, die das wollen, bekommen an der städtischen Musikschule einen Festanstellungsvertrag. Und das Angebot wurde von vielen angenommen. Allein im vierten Quartal 2021 wechselten 17 Musikpädagoginnen und -pädagogen aus ihrem Status als Honorarkraft in ein städtisches Angestelltenverhältnis. 

Heute, so berichtet die städtische Sprecherin Ariane Czerwon auf Anfrage des „Leverkusener Anzeiger“, sind insgesamt 67 Lehrkräfte angestellt im TVöD, dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, neun davon sind Vollzeitkräfte, die übrigen arbeiten in Teilzeit. Honorarlehrkräfte gibt es an der Musikschule in dem schmucken Backsteinbau an der Friedrich-Ebert-Straße aber auch noch. Insgesamt neun sind es. Summiere man alle Stunden, die diese Männer und Frauen unterrichten, komme man auf etwa auf eine Vollzeitstelle, so Czerwon.

Um diese Gesangs- und Instrumentallehrer, die an öffentlichen Musikschulen auf Honorarbasis bezahlt werden, dreht sich ein wegweisendes Urteil des Bundessozialgerichts, das Herrenberg-Urteil vom 28. Juni 2022 (B 12 R 3/20 R). Es besagte, dass die baden-württembergische Stadt auf 15 Jahre rückwirkend für eine bis dahin beschäftigte Honorarkraft Sozialabgaben abführen muss, weil die Beschäftigung als Honorarkraft rechtswidrig war. Und das Urteil des Bundesgerichts galt eben nicht nur für den Einzelfall, sondern für alle öffentlichen Musikschulen bundesweit. Heißt: Lehrkräfte in Musikschulen können nur noch als Festangestellte des Öffentlichen Dienstes angestellt werden.

Maximilian Zelzner, Leiter der Musikschule Leichlingen.

Maximilian Zelzner, Leiter der Musikschule Leichlingen.

Das wird dem Kämmerer in Leverkusen zwar nicht blühen. „Zügigen Handlungsbedarf“, so Czerwon, sehe die Stadt gleichwohl mit Blick auf die verbleibenden Honorarkräfte. Die Umwandlung von deren Honorarverträgen in Festanstellungen solle im Verlauf des Jahres 2024 erfolgen, „um der Rechtsprechung Genüge zu tun“. Allerdings sei dann damit zu rechnen, dass einige der bisherigen Honorarkräfte sich dann von der Musikschule Leverkusen verabschieden würden, einfach, weil eine Festanstellung aus ihrer Sicht nicht attraktiv sei. 

Eben weil der Stadtrat nach anhaltendem Druck von Lehrkräften und der Gewerkschaft Verdi beschloss, dass die Stadt für das pädagogische Personal seit knapp drei Jahren Festanstellungen anbietet, sieht sich Leverkusen mit Blick auf ihre Musikschule „bereits gut aufgestellt“, so Czerwon. Der Ratsbeschluss von Juni 2021 hatte aber natürlich auch finanzielle Auswirkungen. Jährlich 320.000 Euro an Mehrkosten entstanden durch den Beschluss für den städtischen Etat.

An der Johann-Wilhelm-Wilms-Musikschule in Leichlingen gibt es nach Auskunft der Stadtverwaltung knapp 30 Honorarkräfte und inklusive der Leitung fünf festangestellte Lehrkräfte. „Eine Festanstellung der Honorarkräfte würde eine enorme Kostensteigerung zur Folge haben“, teilen Musikschulleiter Maximilian Zelzner und Sven Konnertz, Amtsleiter Bildung und Sport, mit. Derzeit werde eruiert, wie und ob diese Kostensteigerung ausgeglichen werden können. „Um eine Erhöhung der Beiträge wird die Musikschule allerdings nicht herumkommen“, kündigen Zelzner und Konnertz an.

Die Stadt Leichlingen appelliert daher an Land und Bund, ein entsprechendes Förderprogramm aufzusetzen und Rahmenbedingungen für eine schrittweise Umsetzung der neuen Rechtslage zu schaffen, „da ansonsten besonders die kleineren Kommunen in Deutschland bei der Bereitstellung eines Musikschulangebotes an ihre Grenzen kommen werden“. Die Stadt rechnet für Eins-zu-Eins-Anstellungen von bisherigen Honorarkräften von Mehrkosten in Höhe eines mittleren sechsstelligen Betrags.

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