Arbeitswissenschaftler Sascha Stowasser versucht, Unternehmern die Bedenken gegenüber automatisierten Verfahren zu nehmen.
VortragWas Leverkusener Unternehmer mit Künstlicher Intelligenz anfangen können
Ist Künstliche Intelligenz (KI) die Zukunft? Ja, auch. Aber sie ist auch Gegenwart. Sascha Stowasser bemüht sich am Donnerstag, Unternehmern das mulmige Gefühl zu nehmen, wenn der Begriff KI fällt. Der Direktor des arbeitgebernahen Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft war schon häufiger zu Gast beim Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie und der Unternehmerschaft Rhein-Wupper. Der Professor kennt die Wirklichkeit in den Betrieben aus vielerlei Studien. Und deshalb Fälle, die nach Künstlicher Intelligenz verlangen.
Zum Beispiel diesen: In einem Metallbetrieb in Ennepetal geht es darum, große Platten mit dem richtigen Druck in eine Presse einzuspannen. Dazu muss an unterschiedlichen Stellen Druck ausgeübt werden. Der Mann an der Maschine hat es zu beträchtlicher Meisterschaft gebracht. Aber: Er geht bald in Rente. Und: Er ist nicht in der Lage, seine besondere Fertigkeit so zu beschreiben, dass andere es nachmachen können. Die Lösung: Eine Künstliche Intelligenz lernt von dem Mann und „baut“ den Vorgang nach.
Das sei einerseits ein Spezialfall, so Stowasser im Opladener Haus der Arbeitgeber. Andererseits typisch, weil er ein Problem behandelt, das gerade massenhaft auftaucht: Erfahrene Beschäftigte gehen in Rente, ihre besonderen Fähigkeiten verloren. Oft bleibt nur, ihre Tätigkeit in Daten zu übersetzen und sie dann in Rechnern nachzuahmen.
„Schwache Künstliche Intelligenz“
Dafür reiche die „schwache Intelligenz“ der heutigen KI, sagt der Professor. Mit „schwach“ meint er: begrenzt auf bestimmte Anwendungsfälle, die sich wiederholen. Die gebe es durchaus im Bankensektor – was Saskia Lagemann aufhorchen lässt. Die Vorständin der Sparkasse Leverkusen sitzt in der ersten Reihe. Ein Kreditangebot, eine Versicherung – das könne auch eine KI, sagt Stowasser. Typische weitere Anwendungsfälle seien die Erkennung von Texten, Bildern oder Geräuschen. Oder Übersetzungen: Da leiste die KI viel, und das sei heute schon zu sehen.
Auch das Zusammenschreiben von vorhandenem Material klappe schon gut, sagt der Professor und zeigt eine Folie. Auf der hat Chat-GPT etwas zum Thema Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Unternehmen kompiliert. Liest sich gut, „sogar die Kommasetzung stimmt – fast“, erklärt Stowasser. Aber: Der Chat-GPT-Text ist kein bisschen originell.
Kreativität bei Künstlicher Intelligenz: Fehlanzeige
Das zeige: Sobald es um Kreativität im weiteren Sinne geht, ist die Künstliche Intelligenz zumindest des Jahres 2023 überfordert. Sie könne nur „bestimmte Tätigkeitsbereiche ersetzen“, sagt Stowasser. Aber keinen ganzen Arbeitsablauf. „Deshalb sehe ich gesamtwirtschaftlich keine negativen Beschäftigungseffekte“, unterstreicht der Arbeitswissenschaftler.
Aber: deutlichen Produktivitätszuwachs durch KI. Der sei indes dringend erforderlich angesichts des Fachkräftemangels. Deshalb ist der Arbeitswissenschaftler noch nicht ganz zufrieden mit dem Ergebnis einer Umfrage seines Düsseldorfer Instituts. Demnach setzen 36 Prozent der Unternehmen schon Künstliche Intelligenz in irgendeiner Spielart ein, 37 Prozent planen das. Aber für 27 Prozent ist das noch kein Thema. Stowasser ist sicher: „In fünf Jahren werden wir ganz andere Zahlen sehen.“ An KI komme niemand mehr vorbei.
Unternehmerverband fordert Strukturreformen
Keine Subventionsfeuerwerke, sondern Strukturreformen sind nötig. Das ist das Signal der Unternehmen an Rhein und Wupper an die Politik. „Wir kommen aus dem Krisenmodus nicht heraus“, sagte am Donnerstagnachmittag Wupsi-Chef Marc Kretkowski. Er ist auch Vorsitzender der Unternehmerschaft Rhein-Wupper. Es fehle der Bundesregierung „eine gemeinsame Idee“ – dieser Eindruck habe sich auch am Mittwoch nicht verflüchtigt: Auch Kretkowski war beim Unternehmertreffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz dabei.
Das Problem des gerade mal mittelmäßigen Bildungssystems werde nicht energisch angegangen. Auch das Anwerben von Fachkräften im Ausland zeitige kaum Ergebnisse. „Die internationalen Talente kommen nicht in unser Land“, ist Kretkowskis Befund.
Bei den Arbeitszeiten sei Deutschland mittlerweile Schlusslicht in der Welt: 1341 Stunden im Jahr – „sogar die Griechen arbeiten länger“, so der Wupsi-Chef. Unter diesen Umständen „darf man über eine Vier-Tage-Woche eigentlich gar nicht nachdenken“. (tk)