Geschichte der Metzgerei Odenthal90-jährige Wiesdorferin bleibt ihrem Veedel treu
- Katharina Stamm ist 1929 in Wiesdorf geboren und erinnert sich noch gut an die alte Zeit in der Familien-Metzgerei.
- Wie sah der Stadtteil damals aus, wie war das Leben auf dem Bauernhof, wie war der Alltag im Krieg? Die mittlerweile 90-Jährige lässt das alte Wiesdorf wieder auferstehen.
Leverkusen – Die Schießbergstraße: Blick auf den Chempark, ein Zirkus aus Industrieleitungen, Beton, Asphalt und abseits ein paar Straßenbäume. In Katharina Stamms Erinnerung waren dort früher Wiesen, auf denen Pferde grasten. Im kleinen Bauernhaus der Großeltern gab es noch ein offenes Feuer, vor dem sie als Kind immer wieder gewarnt wurde. „Geh nicht so nah ran.“
Und an der Wand hingen zwölf Zinnteller. „Die wurden später einmal auf dem Trödel verkloppt“, erinnert sie sich. Das Haus der Großeltern kaufte Bayer, baute einen Bunker. Die Kindheitserinnerungen seien in jüngster Zeit wieder ganz präsent, sagt die 90-Jährige.
Fotos aus der Zeit hat Reinhold Braun, Vorsitzender des Bergischen Geschichtsvereins, Abteilung Leverkusen-Niederwupper, zusammengetragen und auch zahlreiche Lebensdaten über die Odenthals und den Malerbetrieb Stamm. Katharina Stamm wurde im Dezember 1929 als jüngstes Kind des Metzgers Anton Odenthal geboren. Als der Bunker gebaut war und die Wiesdorfer im Krieg mitunter dreimal nachts aus ihren Betten in die Luftschutzanlagen aufbrachen, fragte sie ihren Vater einmal, warum die Familie nicht in den Osten ginge. Der Vater sagte, man bleibe auf seiner Scholle. Sie ist bis heute in Wiesdorf geblieben, obwohl sie die Veränderungen im Stadtbild mit Wehmut sieht. „Ich finde es ganz fürchterlich.“
1936 wurde sie eingeschult, besuchte ab 1940 das Mädchengymnasium in Wiesdorf. Eine Klassenkameradin wollte gerne beim Schlachten zusehen. Die jüngste Tochter der Odenthals war davon hingegen nicht so begeistert. „Mir taten die Tiere leid.“ Auf der anderen Rheinseite kaufte der Vater ein, das Schlachtvieh wurde mit der Fähre übergesetzt und die Kinder sollten Platz machen, wenn es in den Hinterhof ging.
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Die Metzgerei der Familie Odenthal war ein Magnet. Der Vater, Anton Odenthal, war auf Wanderschaft bis in die Schweiz unterwegs gewesen und verfügte über seltene Wurstrezepte. Das Geschäft war also äußerst beliebt in Wiesdorf an der Hauptstraße 90. Bis 1965 blieb der Standort.
Wurstbrühe abholen
Der Bauernhof der Familie Odenthal lag an der Schießbergstraße 17 und mittags brachte Katharina dem Onkel, der dort als Hufschmied arbeitete, das Essen. „In einem Gefäß mit drei Etagen.“ Sozial waren die Eltern eingestellt und so durfte sich eine kinderreiche Familie immer die Wurstbrühe abholen. Katharina Stamm besuchte wiederum diese Familie und erinnert sich, dass es nicht genug Stühle gab. Beim Essen saßen einige der Kinder daher auf der Fensterbank im kleinen Häuschen der ehemaligen Bayersiedlung 1.
Zum Klavierunterricht ging es zu Fräulein Meyer, der Dame, die vor 15 Jahren im Alter von hundert Jahren in Haus Upladin starb. Allzu sehr scheint Katharina Stamm von diesem biblischen Alter nicht beeindruckt, sie selbst feierte im Kasino mit Kindern, Enkeln und Freunden den 90. Geburtstag. „Ich spielte mäßig Klavier“, sagt Stamm. In ihrem Wohnzimmer allerdings steht ein Flügel und im Esszimmer eine richtige Orgel, die eigens die Belgische Firma Schumacher für die Stamms anfertigte. Die ließ ihr Mann, der Malermeister Adolf Stamm, für Sohn André bauen, der heute als Organist in Leverkusen lebt.
In der Familie gibt es manch künstlerische Ader. Adolf Stamm malte sehr gut und die Familie war mit dem Künstler Kurt Lorenz befreundet. Im Flur hängt ein Bild mit impressionistischen Herbstbäumen, das Adolf Stamm anfertigte, als die Kinder klein waren. Doch er entschied sich für den Malerbetrieb, nicht für eine Künstlerlaufbahn. Er sanierte nach dem Krieg die evangelische Christuskirche in Wiesdorf. Sein Sohn Klaus Stamm sanierte die Kirche jetzt wieder. 2019 feierte die Firma hundertjähriges Bestehen.