Longericher SCKölner Handball-Trainer richtet dringenden Appell an die Stadt
Köln – Die Drittliga-Handballer des Longericher SC haben nach einem schwierigen Start in die Saison in den vergangenen Wochen für Furore gesorgt. Zum Ende des Jahres spricht Trainer Christian Stark im Interview über die Entwicklung seines Teams.
Herr Stark, haben Sie nach dem schwachen Saisonstart damit gerechnet, dass Sie mit Ihrem Team neun Spiele in Folge gewinnen würden?
Christian Stark: Nach dem schwierigen Saisonauftakt war diese großartige Erfolgsserie tatsächlich nicht unbedingt zu erwarten. Jedoch hatte die Spielplangestaltung schon vermuten lassen, dass wir ab Oktober mehr Punkte holen würden. Dass es dann zu neun Siegen, inklusive Erfolg beim Top-Favoriten der Staffel in Krefeld, gereicht hat, ist natürlich schön und die Belohnung für die harte Arbeit in der Spielvorbereitung und beim Training.
Wo sehen Sie die wesentlichen Gründe für den holprigen Start?
Wir mussten ein paar Tage vor Saisonstart die schwere Verletzung unseres Keepers Valle Inzenhofer verkraften, der sich einen Kreuzbandriss zugezogen hatte. Jedem war schnell klar, vielleicht auch nur unterbewusst, dass uns sehr viel Qualität verloren geht. Ich denke das steckte zu Beginn sehr in den Köpfen. Schließlich war Valle neben seinem hervorragenden Torwart-Spiel auch ein emotionaler Leader dieser Mannschaft und ist es neben dem Spielfeld auch weiterhin. Dann hatten wir auch starke Gegner zu Beginn. Allerdings behielten wir die Ruhe, wähnten uns auf dem richtigen Weg und die letzten neun Spiele haben das bestätigt.
Ist der Umschwung auch mit individuellen Leistungssteigerungen zu erklären?
Ich finde, dass wir tolle individuelle Leistungen gesehen haben und wir haben einige Spieler, die in einzelnen Spielen herausstachen. Aber unser Kader hat eine sehr gute Breite und wir haben als Kollektiv überzeugt. Auf der Torwartposition wurden die Leistungen besser im Verbund mit der Deckung und im Angriff wurde unser Spiel mehr und mehr variabel.
Wurde der Kader nicht aus Kostengründen verkleinert?
Ja, das war ein Punkt. Die Belastungen der Pandemie sind für alle Vereine, ob groß oder klein, spürbar. Alle Entscheidungen sind in der Nachbetrachtung richtig gewesen, wir haben eine homogene Einheit und die Spieler entwickeln sich gemeinsam weiter.
Warum hat der Angriff so eine starke Feldtorquote?Die aktuelle Trefferquote hat damit zu tun, dass unser Spiel schneller geworden ist. Dafür haben wir im Training viel Zeit investiert. Wir möchten offensiven schnellen Handball spielen, dieser basiert aber auch auf gut abgestimmtem Deckungs- und Torwartspiel. Ich denke, dass wir im Laufe der Spielzeit auch im aufgebauten Angriff stärker geworden sind. Kleine Randnotiz: alle Spiele, in denen wir mehr als 30 Tore geworfen haben, haben wir gewonnen.
Wohin geht die Reise in der Rückrunde?
Wir sind Sportler und möchten jedes Spiel so angehen, dass wir es gewinnen können. Es wäre doch fantastisch, wenn wir unsere Serie noch etwas ausbauen könnten. Aber wir sind bescheiden und keine Träumer und wissen, dass wir sicherlich noch einmal ein Spiel verlieren werden. Wohin die Reise geht, entscheidet sich im Januar. Da starten wir mit dem schweren Auswärtsspiel in Baunatal. Dann folgen die Spitzenspiele gegen Opladen und in Schalksmühle. Aber ich sehe uns in einer entspannten Lage. Nach der Ergebniskrise zum Saisonstart hatten uns alle schon abgeschrieben. Jetzt sind wir in einer interessanten Lauerstellung und als Jäger unterwegs. Diese Ausgangsposition hat uns schon immer ganz gut gelegen.
Ist die Zweite Liga theoretisch eine Option?
Wir möchten den Verein nachhaltig weiterentwickeln und haben das in den letzten Jahren Stück für Stück geschafft. Da darf auch ein Aufstieg in die Zweite Liga kein Tabuthema sein. Die Hallenproblematik in Köln soll unter anderem durch den Überbau der Albert-Richter-Radbahn ja etwas abgemildert werden. Ganz grundsätzlich sehe ich in Köln die Problematik, dass man sich nur auf dem Papier als Sportstadt präsentiert und die Voraussetzungen für erfolgreichen Teamsport schwierig sind. Man hat auf der einen Seite große Sportevents. Konsumenten sind überwiegend internationale Gäste, die sich Weltmeisterschaften, Final Fours oder Ähnliches anschauen. Das ist prima und hat Folge-Effekte, zieht jedoch in den zuständigen Ämtern jede Menge Energie.
Was muss in Köln passieren?
Die Sportstadt Köln sehe ich vor allem in der Verantwortung, ihre Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf Förderung des lokalen Breiten- und Spitzensports zu unterstützen. Wir pflegen einen sehr guten Draht zur Verwaltung und wollen diesen Weg weitergehen. Zweite Liga hieße selbstverständlich auch, den finanziellen Background zu erhöhen. Hier wünschen wir uns Partner, die in unserer Stadt das Potenzial des Handballs erkennen und den LSC und die anderen Handballvereine mehr unterstützen. An der Basis wird tolle Arbeit mit viel Herzblut betrieben. Wir träumen von einer eigenen Trainingshalle, in der wir frei über Übungszeiten verfügen und unsere Kinder optimal ausbilden können. Kein Kölner Handball-Talent soll mehr für eine handballerische Top-Ausbildung in andere Städte abwandern müssen. Dafür ist es nötig, diesen Traum real werden zu lassen, da die städtischen Hallen den notwendigen zeitlichen Umfang nicht ermöglichen.
Welche Bedeutung hat die neue Halle in Longerich für den Aufschwung?
Es ist wirklich toll, in Longerich zu spielen. Viele Zuschauer pilgern zu Fuß oder mit dem Rad zur Halle, es herrscht stets eine sehr schöne Atmosphäre. Man genießt es, gemeinsam mitzufiebern. Gerade in Pandemie-Zeiten sind diese kollektiven emotionalen Erlebnisse für alle von besonders großer Bedeutung. Wir haben noch nie zuvor so viele Dauerkarten verkauft. Die Fans honorieren unseren leidenschaftlichen Einsatz und die Mannschaft wiederum bekommt in dieser Wohlfühloase den Rückenwind für Top-Leistungen. Die Halle in unserem Veedel hat sicher einen Teil dazu beigetragen, dass der Zusammenhalt im Verein wieder so hervorragend ist.
Was bleibt vom zweiten Corona-Jahr in Erinnerung?
Positives kann ich dieser Pandemie wenig abgewinnen. Gut ist natürlich, dass in unserem Umfeld zum Glück niemand schlimmer erkrankt oder gar gestorben ist. Wir haben die Corona-Pandemie immer sehr ernst genommen. Wir machen eigentlich von Beginn an mehr als vorgeschrieben ist. Diese Vorsicht sorgt für zusätzliche hohe Kosten, zum Beispiel für die unzähligen PCR-Tests. Neben dem höheren finanziellen Aufwand denke ich an viele Stunden, die wir uns mit neuen Verordnungen und Regeln beschäftigen mussten. Mittlerweile ist dieser Mehraufwand aber fast zur Routine geworden. Wir versuchen, für die Sportler und die Zuschauer größtmögliche Sicherheit zu bieten, zuletzt durch die Umstellung auf 2G plus bei den Heimspielen. Die großen Verlierer der Pandemie sind die Kinder. Im Bereich Sport und Bewegung sind die Mängel eklatant. Die körperlichen Defizite sind uns zuletzt bei Schulaktionstagen aufgefallen. Als Reaktion darauf möchten wir über den Handball hinaus offene Bewegungsangebote für Kinder und Jugendliche schaffen. Die Kids wollen wir von der Konsole wegholen.
Können sie sich auch einen Job als Trainer außerhalb von Longerich vorstellen? Oder ist der LSC ein Bund fürs Leben?
Jeder in Longerich weiß, dass ich mich mit dem Verein besonders stark identifiziere und ich mich neben der Bundesligamannschaft auch in der Nachwuchsarbeit engagiere. Wie für viele andere beim LSC ist der Klub für mich ein Stück Heimat. Anfragen anderer Vereine habe ich bisher stets abgelehnt. Aber der Sport ist schnelllebig und wer weiß, was in der Zukunft noch kommt. Aber gerade haben wir beim LSC eine super Truppe beisammen und noch viel zu tun . Da gehe ich gerne weiter voran.