Kommentar zum Loveparade-ProzessFreispruch für alle ist Hohn für die Betroffenen
- Die Prozesse um das Drama der Duisburger Loveparade gegen die drei Angeklagten sollen eingestellt werden.
- Schuld ist offiziell die Corona-Krise – viele Verfahren werden aktuell eingestellt oder vertagt.
- Verantwortliche und Politik hatten eine lückenlose Aufklärung der Tragödie angekündigt. Diese Ankündigung klingt heute für die Betroffenen und Angehörigen der Todesopfer wie Hohn, kommentiert unser Autor.
Köln/Duisburg – Das juristische Drama um das tödliche Unglück der Loveparade in Duisburg nimmt kein Ende: Nun soll der Prozess gegen die letzten verbliebenen drei der zehn Angeklagten ebenfalls eingestellt werden. Schuld trägt offiziell die Coronavirus-Pandemie. Handelt es sich um keine Haftsachen, so vertagen die Gerichte derzeit häufig die Verhandlungen bis zu jenem ungewissen Moment, an dem das öffentliche Leben wieder seinen normalen Gang nimmt.
Da macht die Duisburger Strafkammer, die eine der größten Katastrophen in NRW aufklären sollte, keine Ausnahme. Es ist die rechtliche Tragödie hinter der menschlichen Tragödie, die am 24. Juli 2010 ihren Lauf nahm. Schlamperei, desaströse Planungen, mangelnde Sicherheitsvorkehrungen durch die Stadtverwaltung und die Organisatoren gepaart mit einem Schuss Geldgier, Geltungssucht und völliger Selbstüberschätzung führten zum Tod von 21 Besuchern und mehr als 600 Verletzten.
Alle Widerstände und Warnungen ignoriert
Die Stadtspitze um den damaligen Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) schlug alle Warnungen in den Wind. Sein damaliger Rechtsdezernent drückte das Projekt gegen alle Widerstände durch. Und wie spätere Aussagen nahe legen, soll der Chef der Veranstaltungsfirma, der MC-Fit-Unternehmer Rainer Schaller, die Devise ausgegeben haben, eine Million bei dem Duisburger Event einzusparen. Und so fälschten die Planer Besucherzahlen, die Stadt beschaffte sich ein Gefälligkeitsgutachten, wonach alles sicher sei, und die Party nahm ihren tödlichen Lauf.
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Dennoch wird keiner der Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen. Weder Organisator Schaller noch der Oberbürgermeister mussten auch nur vor Gericht. Im Zeugenstand konnten sich beide an Vieles nicht erinnern.
Man muss der zuständigen Duisburger Strafkammer zu Gute halten, dass sie seit 2007 redlich versucht hatte, den Fall und die Versäumnisse aufzuklären. Doch da war das Kind längst in den Brunnen gefallen. Zu lange hatte die Staatsanwaltschaft gezögert, im Duisburger Rathaus zu durchsuchen, obschon die Ermittlungskommission der Polizei darauf gedrängt hatte. Als es dann doch geschah, fand man bei den mutmaßlichen Hauptschuldigen nur noch gelöschte Mail-Accounts zu der Affäre.
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Zu guter Letzt dilettierten die Strafverfolger, als sie einen britischen Gutachter zur entscheidenden Frage der eindeutig zu hohen Zuschauerströme einschalteten. Der hohe Besucherandrang verursachte die tödliche Massenpanik. Den Verteidigern bereitete es keine Mühe, die Expertise des britischen Sachverständigen auseinander zu nehmen.
Das Gericht will zwar noch Stellungnahmen der Anwälte einholen und dann eine Bewertung der Ereignisse vom 24. Juli 2010 abgeben.
Es bedarf keiner sonderlichen Hellseherei, um das Votum vorauszusagen. Sicherlich wird die Kammer der Einschätzung vieler Zeugen folgen: Demnach hätte die Techno-Party nie auf dem ehemaligen Eisenbahngelände in Duisburg stattfinden dürfen. Allerdings sei es schwer, einem einzigen der Verantwortlichen den Vorwurf der fahrlässigen Tötung nachzuweisen. Resümee: Freispruch für alle Angeklagten.
Die damalige NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hatte eine lückenlose Aufklärung der Katastrophe versprochen. Auf die Frage nach Schuld und Verantwortung „müsse und werde eine Antwort gefunden werden“. Für die Angehörigen, deren Kinder, Partner und Verwandte meist zu Tode gequetscht wurden, klingt diese Ankündigung heute wie purer Hohn.