50 Jahre Kommunale GebietsreformAls Oberberg neu aufgeteilt wurde
Oberberg – Es hätte auch alles ganz anders kommen können, mancher Ratspolitiker hatte ganz andere Vorstellungen. Die Gebietsreform von 1969 war in den Kommunalparlamenten verbunden mit kontroversen Wünschen und Ansprüchen an Fläche, Einwohnerzahl und Infrastruktur, die naturgemäß nicht alle erfüllt wurden.
Am 26. Juni 1968 stimmte der Kreistag mit einer Mehrheit von 28 zu 8 Stimmen den Plänen des NRW-Innenministeriums zu. Die Gemeinde Lieberhausen wurde auf Gummersbach und Bergneustadt aufgeteilt. Denklingen und Eckenhagen gingen in der neuen Gemeinde Reichshof auf. Marienberghausen und Nümbrecht wurden zur Gemeinde Homburg zusammengeschlossen, die bald wieder in Nümbrecht umbenannt wurde. Bielstein und Wiehl vereinigte man zu einer neuen Gemeinde Wiehl. Zudem wurden Grenzen teils drastisch verschoben.
Bereits im Februar 1967 hatte Oberkreisdirektor Dr. Friedrich-Wilhelm Goldenbogen ein Konzept für die Neugliederung der oberbergischen Gemeinden vorgelegt. Darin werden Gimborn und Ründeroth schon als nur noch provisorische Gemeinden behandelt, die mit der Kreisreform aufgelöst werden sollten.
Die Neugliederung
Die kommunale Gebietsreform in Nordrhein-Westfalen wurde in zwei großen Schritten ab dem Jahr 1966 durchgeführt und fand ihren Abschluss am 1. Januar 1975, als die letzten Gesetze in Kraft traten. Bereits mit dem Gesetz von 1969 veränderten sich Zahl und Zuschnitt der Gemeinden im alten Kreisgebiet zwischen Marienheide und Morsbach erheblich. Grundlage war ein Konzept , das Oberkreisdirektor Dr. Friedrich-Wilhelm Goldenbogen im Februar 1967 vorgelegt hatte.
Die Neugliederung war kein politisches Projekt, sondern ging von den Verwaltungsfachleuten aus. Diese hatten festgestellt, dass die vielen kleinen Rat- und Kreishäuser im Land zunehmend damit überfordert waren, die im Grundgesetz geforderte „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“ zu gewährleisten. Größere Verwaltungseinheiten sollten her. Besonders im ländlichen Raum sahen die Experten dringenden Handlungsbedarf. Eine moderne Gemeinde müsse den Mindeststandard der Selbstverwaltung gewährleisten. Einwohnerzahlen sollten nicht unter 5.000, besser noch nicht unter 10.000 liegen. Als Verwaltungsprojekt überstand das Vorhaben in NRW auch den Regierungswechsel von 1966. Das Innenministerium wurde ohnehin weiterhin von dem FDP-Politiker Willi Weyer geleitet. Eine neue Kommission setzt die Arbeit der alten fort. In der Bestandsaufnahme ging es um Bevölkerungsentwicklung, Wirtschaftskraft und Versorgungseinrichtungen.
Mit dem Köln-Gesetz von 1975 kam die große Reform dann zum Abschluss. Darin wurde eine erhebliche Vergrößerung des Oberbergischen Kreises festgelegt, nämlich um Engelskirchen, Lindlar und Wipperfürth aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis und Hückeswagen und Radevormwald aus dem Rhein-Wupper-Kreis. Zugleich wurden Ründeroth und Engelskirchen vereinigt. Die Gemeinde Gimborn wurde aufgelöst und auf Gummersbach, Engelskirchen und vor allem Marienheide aufgeteilt. (tie)
Der zuständige NRW-Innenminister Willi Weyer hatte sich gewünscht, dass die Kommunen selbst zu der Einsicht kommen, dass sie im Zusammenschluss ihre Aufgaben besser erfüllen können. Doch der erhoffte Konsens stellte sich nicht ein. Die Stadt Waldbröl hätte beispielsweise gern die Gemeinde Denklingen übernommen, sollte nun aber Gelände abtreten. „Wir kämpfen um jedes Dorf, um jedes Haus“, lautete die Parole in einer Ratssitzung im Juni 1968.
Die bald vereinten Gemeinden Wiehl und Bielstein wollten derweil die Dörfer südlich der Agger von Neudieringhausen bos Osberghausen nicht kampflos aufgeben. Dort war viel investiert worden, und man mochte Gewerbesteuereinnahmen nicht verloren geben. Auch andere betroffene Kommunen äußerten sich „mit teilweise geharnischten Stellungnahmen“, wie Volker Dick im dritten Band der „Oberbergischen Geschichte“ schreibt. Dort wird der Bielsteiner Bürgermeister Albrecht Kind mit dem Satz zitiert, er habe manchmal den Eindruck, „wir ständen kurz vor dem Bürgerkrieg“. Wiehl und Bielstein beauftragten das Meinungsforschungsinstitut Emnid, das zu dem gewünschten Ergebnis kam, dass die Osberghausener nicht Ründeroth zugeschlagen werden möchten. Dr. Heinrich Schild, Nümbrechter Bürgermeister und zugleich Landrat, schimpfte über die „Raubtierlust der Nachbargemeinde Waldbröl“. Gimborner Bürger entrollten bei einer Diskussionsveranstaltung der Bezirksregierung im November 1967 ein Transparent: „Wenn’s Gummersbach auch juckt, die Gemeinde Gimborn wird nicht verschluckt.“
50 Jahre später ist man erstaunt über die Emotionalität der Debatte und die darin geäußerten Sorgen. Für die Gemeinde Reichshof war die Neugliederung ihre Geburtsstunde und darum vor einigen Wochen ein Grund zum Feiern. In den nächsten Wochen werfen wir in unserer Serie „Grenzziehungen“ einen Blick in weitere oberbergische Kommunen, die 1969 eine neue Gestalt bekommen haben.