AboAbonnieren

Agentur für SprunginnovationenGummersbacher Rafael Laguna wird neuer Direktor

Lesezeit 5 Minuten

Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) stellte Rafael Laguna als Agenturchef vor.

Gummersbach – Der neue Chef-Innovator der Bundesregierung kommt aus dem Oberbergischen, genauer gesagt aus Gummersbach-Berghausen, und trägt den spanischen Namen Rafael Laguna de la Vera. Der Gummersbacher wurde kürzlich als Gründungsdirektor der Agentur für Sprunginnovationen (s. Kasten) installiert, die unter der Federführung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie arbeiten soll. „Bei so viel Vorschusslorbeeren habe ich etwas Zeit zum ,Entröten’ gebraucht“ sagt Laguna. „Das ist ein Traumjob für mich, zumal ich so vielfältig interessiert bin.“

Rafael Laguna de la Vera

Rafael Laguna gründete sein erstes Unternehmen „Elephant Software“ bereits als Gymnasiast. Ein Informatikstudium verschmähte Laguna jedoch Mitte der 1980er Jahre als „zu praxisfern und langwierig“ und entwickelte lieber eine PC-basierte Kasse für die Getränkewirtschaft (dicomputer).

In den folgenden 15 Jahren führte er verschiedene Softwareunternehmen, darunter die Firma micado aus Bonn, die 1995 an den US Konzern PMSC veräußert wurde, wo er im Anschluss als Zentraleuropa-Chef tätig war. Dort blieb er bis zur Übernahme durch CSC/Ploenske im Jahr 2000. Anschließend arbeitete Laguna als Technologie-Investor, Interims-Manager und Berater für Venture Capital Fonds. Erst war er von 2001 bis 2004 an der Rettung und dem Verkauf der Nürnberger SUSE Linux AG an Novell beteiligt. Anschließend engagierte er sich von 2003 bis 2006 beim Neustart der bäurer AG bis zur Veräußerung an die Sage-Gruppe. Von 2001-2011 begleitete er als Aufsichtsrat die asknet AG, seit 2001 ist er Verwaltungsratsmitglied der comparis.ch.

Seit Januar 2008 leitet Laguna als Vorstand die Open-Xchange AG, die er 2005 mitgründete. Open-Xchange ist einer der Pioniere im Bereiche Software-as-a-Service. Rafael Laguna ist zudem tief in der Open-Source-Bewegung verwurzelt und bietet mit Open-Xchange innovative und qualitativ hochwertige Email- und Produktivitäts-Software für Unternehmen und Privatanwender an. (r)

Im Hauptberuf Chef der 270 Mitarbeiter zählenden Softwarefirma Open-Xchange mit Niederlassungen unter anderem in Olpe und Köln, soll Laguna künftig mit einem bis zu 50 Mitarbeitern großen Team die Tüftler in Deutschland aufspüren und „das Gras wachsen hören“, wie Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) die Aufgabe auch nennt.

Mit der Familie 1974 die DDR verlassen

Warum die Wahl ausgerechnet auf ihn gefallen ist, darüber kann Laguna auch nur spekulieren. Für ihn spreche sicherlich sein ungewöhnlicher Lebenslauf, wie er im Gespräch mit dieser Zeitung mutmaßt. In Leipzig geboren, konnte er im Alter von zehn Jahren mit seinen Eltern und dem älteren Bruder Carlos 1974 die DDR verlassen. Das sei möglich gewesen, weil sein Vater Spanier ist, sagt der Gummersbacher.

Aufgenommen wurde die Familie damals in Bleche im Nachbarkreis Olpe. Lagunas Tante Grete hatte dort eine Pension. Den ersten Kontakt mit einem Computer hatte er dann mit zwölf Jahren. Seine Eltern hätten ihm einen Computerbausatz geschenkt, erinnert sich der Unternehmer. „Mit einem Preis von 3000 Mark war der so teuer wie ein gebrauchter Käfer.“ Während der junge Laguna die Welt der Mikrocomputer zu der seinen machte, langweilte ihn der Besuch des Gymnasiums in Meinerzhagen, wie er heute sagt.

Stanford war zu teuer

Sprunginnovationen

Sprunginnovationen sind Entwicklungen, die auf radikalen technologischen Neuerungen, aber auch auf völlig neuen Geschäftsmodellen und sozialen Veränderungen beruhen. Sprunginnovationen können völlig neue Märkte schaffen und bestehende verändern, indem sie diese stören oder zusammenbrechen lassen.

Sie gehen oft einher mit einer deutlich sichtbaren Veränderung des Nutzer- und Kundenverhaltens. Deshalb werden sie auch als disruptive oder radikale Innovationen bezeichnet.

Ein Beispiel für eine technologische Sprunginnovation ist die Einführung des in Deutschland entwickelten mp3-Standards zur Speicherung und Übertragung von Musikdaten, welcher traditionelle Tonträger wie Schallplatten, Kassetten und CDs weitgehend vom Markt verdrängt hat, wie das Bundesforschungsministerium auf seiner Internetseite schreibt.

Doch die Technologie „made in Germany“ machten sich US-Konzerne wie Apple bei seinem iPod zunutze. Der Welterfolg ließ nicht lange auf sich warten. So ein Dilemma will man in Deutschland nicht noch einmal erleben, wie Wirtschaftsminister Peter Altmaier zuletzt betonte.

Aktuelle Beispiele für Sprunginnovationen sind das Streamingportal Netflix, das dem klassischen Fernsehen mehr und mehr den Rang abläuft, sowie der Fahrdienst Uber, der die Taxibranche aufwirbelt. (ar)

Dass er seinen Lehrern die Computer zusammengeschraubt habe, sei vermutlich der Grund dafür gewesen, dass sie ihn bis zum Abitur mit durchgezogen hätten, schmunzelt Laguna heute. Kein Wunder, dass er erstaunt war, dass die alte Penne vor zwei Jahren bei ihm anfragte, ob er bei der Entlassfeier der Abiturienten die Laudatio halten könne. Eine Anfrage, der er sehr gerne nachgekommen ist.

Gut erinnern kann sich der IT-Spezialist auch an das Jahr 1986. Nach dem Abi wollte er ein Studium aufnehmen und schielte zur Stanford-Universität in Kalifornien. Doch als klar gewesen sei, dass die jährlichen Studiengebühren 60 000 Dollar betragen würden, fiel die Entscheidung für ein Studium in Dortmund, wie Laguna berichtet.

Ausbildung zum Informatiker gab es noch nicht

Wirklich Freude habe er im Hörsaal nicht gehabt, sagt der Computerspezialist. Die Professoren seien keine Informatiker sondern Mathematiker gewesen. Eine Ausbildung zum Informatiker habe es damals noch nicht gegeben, so dass Laguna das Angebot zweier Bekannter, in ihre Firma einzusteigen, für ihn gerade recht gekommen und die Uni Geschichte gewesen sei.

Es folgten zahlreiche weitere Stationen als selbstständiger Unternehmer oder als leitender Angestellter. Es scheint so, als brauche Laguna die Veränderung. „Ganz genau! Ich finde Veränderungen toll, Wiederholungen finde ich langweilig.“

Seit 26 Jahren wohnt er in Berghausen

Mehr Kontinuität zeigt Laguna im Privaten. Seit 26 Jahren lebt er mit Ehefrau Susanne in Berghausen. Ist der beschauliche Ort auch seine Heimat? Laguna sieht sich, wie er sagt, als Europäer. Für Berghausen spreche die Lebensqualität und die gute Anbindung zu Köln. Der Ort sei sein Landepunkt, wo er entspannen könne. So auch am Wochenende, wenn Berghausen 550-Jahrfeier hat.

In Olpe und Köln sind Standorte von Rafael Lagunas Softwarefirma Open-Xchange.

Und als Gummersbacher hat er schon früh eine Verbindung zu den Handballer des VfL knüpfen können. „Als wir bei meiner Tante in Bleche gelebt haben, war Scheda nicht weit. Im dortigen Haus Schulte kehrten die Handballer immer ein, wenn sie von Spielen aus Dortmund kamen“, erinnert sich der Unternehmer noch gerne an so manche Begegnung. Für die aktuellen Spiele in der Schwalbe-Arena fehlt ihm indes die Zeit.

Das könnte Sie auch interessieren: