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„Alle sind Opfer, keiner ist Täter“Prozess gegen 61-Jährigen eingestellt

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Ein 61-Jähriger soll seinem Bruder nachgestellt und 1100 Mal angerufen haben.

Waldbröl – Eingestellt hat das Waldbröler Amtsgericht das Verfahren gegen einen 61-Jährigen, der sich wegen Nachstellung und gefährlicher Körperverletzung verantworten musste. Die Staatsanwaltschaft hatte den Waldbröler angeklagt, seinen in Morsbach wohnenden Bruder in der Zeit von Herbst 2019 bis Anfang 2020 mehr als 1100 Mal angerufen und beleidigt zu haben. Daneben hatte sie ihm vorgeworfen, seinen Bruder kurz vor Weihnachten 2019 durch einen Schlag mit einem Wasserglas im Gesicht verletzt zu haben.

Der Angeklagte schilderte, bei seiner Mutter in Morsbach vorbeigefahren zu sein, um das bevorstehende Weihnachtsfest zu planen. Dort hätten sich auch seine beiden jüngeren Brüder befunden. Ohne erkenntlichen Grund habe ihm sein jüngster Bruder mit dem angefeuchteten Finger über die Wange gestrichen und ihn dann zweimal ins Gesicht gespuckt. Ohne sich provozieren zu lassen, sei er in die Küche gegangen und habe sich ein Glas Wasser geholt. Bei seiner Rückkehr habe ihn der Bruder gewürgt und in den Schritt gegriffen. Da habe er das Glas fallen gelassen und ihn mit der flachen Hand weggedrückt.

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Die häufigen Anrufe erklärte er durch das Schicken von SMS auf das Festnetztelefon seines Bruders, um die angespannte Situation zu klären. Die Telefongesellschaft wandle eine solche Textnachrichten in Sprache um und diese würde solange übermittelt, bis die Nachricht dann vollständig abgehört sei.

„Machtspiele wie bei Shakespeare“

Der jüngste Bruder schilderte als Zeuge, dass die häufigen Anrufe unerträglich gewesen seien. Teilweise habe ihn sein Bruder in Anwesenheit von Gästen schwer beleidigt. Bei dem Vorfall im Esszimmer der Mutter sei der Angeklagte nach Streitereien zunächst ins Wohnzimmer gegangen und habe den mittleren Bruder beleidigt und tätlich angegriffen.

Dann sei er zurückgekommen und habe ihn mit einem Glas so heftig ins Gesicht geschlagen, dass es zerbrochen sei. Eine weitere Version der Vorgänge lieferte die Mutter der Brüder. Sie bestätigte jedoch, dass ihr Ältester das Glas im Gesicht des Jüngsten zertrümmert habe.

Ein psychologischer Sachverständiger, der den Angeklagten ausgiebig begutachtet hatte, beschrieb die familiäre Lage als kompliziert: „Alle sind Opfer, keiner ist Täter.“ Nach dem Tod des Vaters gebe es „Machtspiele wie bei Shakespeare“. Der Beschuldigte sei aber uneingeschränkt schuldfähig.“

Da die Vorwürfe nicht eindeutig zu klären waren und die Situation lange zurückliege, befürwortete der Staatsanwalt eine Einstellung des Verfahrens. Richter Carsten Becker folgte diesem Vorschlag, zumal sich die Lage heute beruhigt habe: „Ein Urteil würde nicht zu mehr Ruhe in der Familie führen.“