Andreas Maul im PorträtGummersbacher Ex-Sprinter gestaltet nun die Energiewende mit
Gummersbach/Aachen – „Es war eine schöne Zeit“, sagt Andreas Maul und lässt die 80er Jahre wieder aufleben. Das der ehemalige Sprinter ins Schwärmen gerät, liege nicht an dem Meistertitel über die 100 Meter, sondern auch an dem besonderen Zusammenhalt, der bei der LG Wipperfürth geherrscht habe. „Eigentlich ist man als Sprinter ja ein Einzelsportler, wir hatten in Wipperfürth aber eine Staffel, die wie eine Mannschaft war“, erzählt Maul.
Und dann waren da noch die Wettkämpfe in einem vollbesetzten Müngersdorfer Stadion in Köln, wo er als deutscher 100-Meter-Meister gegen die Weltelite antrat. Noch heute fühlt er den Moment der totalen Stille vor dem Startschuss in dem riesigen Rund. Er ist bei der Europameisterschaft, im Weltcup, beim ISTAF in Berlin und der Universiade gestartet.
„Es war eine kurze und intensive Zeit“, sagt der heute 54-Jährige. Nach dem Studium der Elektrotechnik, das er wegen der besseren Trainingsmöglichkeiten am Olympiastützpunkt in Dortmund absolvierte, beendete er zwei Jahre später seine Karriere mit 26 Jahren.
Über berufliche Stationen in Köln und Siegburg wechselte er 2008 nach Aachen zu den Stadtwerken (STAWAG), einem zu einhundert Prozent kommunalen Unternehmen, wo er Prokurist und Bereichsleiter Vertrieb ist.
Im Bus zum Training nach Wipperfürth
Dass der Gummersbacher zur Leichtathletikgemeinschaft (LG) nach Wipperfürth wechselte, lag vor allem an Bernhard Wald, dem verstorbenen langjährigen Chef und Lenker der LG. Der war Lehrer am Gummersbacher Gymnasium Grotenbach, das Andreas Maul besuchte. Und reizte ihn damit, dass er ihn zwar für die Schulmannschaft aufstellte, die an dem Landesschulwettbewerb in Wipperfürth teilnahm, ihm aber auch sagte, dass er gegen die Wipperfürther Sprinter keine Chance haben werde. „Ich habe den Sprintwettbewerb gewonnen“, sagt Maul. Nicht nur das, ab diesem Zeitpunkt nahm der damals 16-Jährige mindestens drei Mal die Woche den Bus, um in Wipperfürth zu trainieren, dazu kamen weitere Einheiten am Wochenende.
Mit 18 Jahren trainierte Andreas Maul jeden Tag und nach dem Abitur wechselte er in die Sportfördergruppe der Bundeswehr, die ihm zwei Trainingseinheiten pro Tag bot. Für den Gummersbacher ging es steil nach oben. 1987 wurde er deutscher Juniorenmeister und ein Jahr später Deutscher Meister der Männer.
Ein Tag, den man nie vergisst
Den 22. Juli 1988 hat Andreas Maul noch ganz genau im Kopf. In Frankfurt am Main fanden die deutschen Leichtathletik-Meisterschaften statt. 10,28 Sekunden ist seine Bestzeit, in Frankfurt siegt er bei heftigem Gegenwind in 10,50 Sekunden und stößt dabei den Abonnementsmeister Christian Haas vom Thron. Die Entscheidung ist so knapp, dass es zwei Stunden dauert, bis das Zielfoto ausgewertet war und der Bundestrainer ihm zum Titel gratulierte.
Die Freude über den Sieg bekam schnell einen Dämpfer . Florence Griffith-Joyner lief am selben Tag in 10,49 Sekunden einen Weltrekord über die 100 Meter und war damit eine Hundertstel schneller als Maul. Statt für den Titel gefeiert zu werden, wird er in den Medien zum Sinnbild dafür, wie es schlecht es um den deutschen Männersprint stehe. „In der Sportschau wurden unsere beiden Läufe übereinandergelegt, und es sah so aus, als wenn Florence Griffith-Joyner drei Meter vor mir ins Ziel laufen würde“, erzählt Maul, wie er am Tag seines persönlichen Triumphs die ganze Härte der Medienwelt zu spüren bekam.
Enttäuschung beim Gedanken an Olympia
Darüber kann er heute lachen, was ihn aber immer noch berührt, ist die anschließende Nichtberücksichtigung als Deutscher Meister für die Olympischen Spiele 1988 in Seoul. Der DOSB habe vor den Spielen kurzfristig die Regularien geändert, sagt der Gummersbacher. Nicht der Titel war die Eintrittskarte in den Kader, sondern die Sportler sollten auch Endkampfchancen haben. „Das war für einen Sprinter, der in sauberen Strukturen unterwegs war, nicht möglich“, so der 54-Jährige. Jedes Mal, wenn er „One Moment in Time“ hört, die von Whitney Houston gesungene Hymne der Spiele, kommt die Enttäuschung wieder hoch. Zumal ihn der Bundestrainer, gleichzeitig Trainer in Wattenscheid, auch aus dem Kader der 4x100-Meter-Staffel gestrichen hatte. Maul hatte damals ein Angebot, nach Wattenscheid zu wechseln, abgelehnt und war in Wipperfürth geblieben.
Da war die Ehrung als Sportler des Jahres 1988 dieser Zeitung ein Dreivierteljahr später mehr als ein Trostpflaster. Mit Andreas Thiel, dem Hexer genannten Torhüter des VfL Gummersbach, hatte der Sprinter erneut einen Abonnementstitelträger vom Thron gestoßen. Es sei ein toller Abend mit vielen Gesprächen im Kreis der hochkarätigen Sportler gewesen, so Maul.
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Der 54-Jährige kommt kaum noch ins Oberbergische, auch wenn er sagt, dass Wipperfürth sein Trainingsort war und Gummersbach die Heimat des Herzens. Mit seiner Familie, zu der zwei Töchter, 17 und 15 Jahre, und ein sechsjähriger Sohn gehören, ist er in Aachen längst heimisch geworden. Die Stadt lebe durch ihre Mischung aus Forschung und Nachhaltigkeit und der Dynamik durch die Studenten, sagt der Ingenieur der Elektrotechnik. Es sei sehr reizvoll, mit an der Energiewende zu arbeiten.
Sport macht der Titelträger des Jahres 1988 nur noch für die eigene Fitness. Kontakt hält er aber noch zu einigen Sprintern und Vereinskollegen aus der Vergangenheit. Seine Freizeit gehört heute alleine der Familie.