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Kein Arzt trotz InfarktWie die Pandemie in Oberberg das Gesundheitswesen beeinflusst

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Ein Rettungswagen nachts im Einsatz (Symbolbild)

Oberberg – Dr. Volquart Stoy urteilt vorsichtig. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Gesundheitswesen könne man wegen der Langzeitwirkungen noch nicht abschließend beurteilen, meint der Referent für Gesundheitsmanagement der AOK Rheinland/Hamburg. Aber gewisse Tendenzen seien schon jetzt erkennbar. „Das System hat sich insgesamt als leistungsfähig erwiesen. Und vielleicht gibt es sogar ein gewisses Maß an Überversorgung.“

Überversorgung? Angesichts der Klagen über Landarztmangel und mangelnde Kapazitäten in den oberbergischen Kliniken überrascht diese Einschätzung. Der neue AOK-Gesundheitsreport zeigt zum einen, dass es starke regionale Unterschiede gibt. Während der Versorgungsgrad durch Hausärzte im Südkreis bei 85 Prozent liegt (also unter der Sollzahl von einem Arzt pro 1607 Einwohner), ist Radevormwald zu 106 Prozent versorgt.

Rückgang bei plan- und verschiebbaren OPs

Zum anderen haben die bei der AOK versicherten Oberberger (und diese machen immerhin mehr als ein Drittel der Bevölkerung aus) in der Pandemie-Krise dieses medizinische Angebot teils weniger in Anspruch genommen als üblich.

Die plan- und verschiebbaren orthopädischen Operationen sind im Vergleich zu den Vorjahren um 15 Prozent zurückgegangen – ein Wert, der eher niedriger ausfällt als man angesichts der Belastung der Kliniken durch Corona-Patienten erwartet hätte. Einen deutlichen Rückgang um 20 Prozent gab es aber auch bei den „vermeidbaren Krankenhausfällen“, etwa wenn sich ein schlecht therapiertes Diabetes-Leiden so verschlimmert hat, dass es zu einer potenziell vermeidbaren Einweisung kommt.

Notfallambulanz wirklich nur im Notfall nutzen

Und die Zahl der ambulanten Notfälle ging im Corona-Jahr 2020 sogar um ein sattes Viertel zurück. „Offenbar haben viele Menschen aus Furcht vor einer Corona-Ansteckung überlegt, ob es wirklich so dringend ist, dass sie dafür zur Notaufnahme gehen“, mutmaßt Stoy.

AOK-Regionaldirektor Frank Mäuer appelliert vor diesem Hintergrund an die Oberberger, auch nach der Pandemie nur in echten Notfällen die Notfallpraxen und Krankenhäuser aufzusuchen. Andere Beschwerden sollten regulär beim Haus- oder Facharzt nach Terminvereinbarung behandelt werden.Geradezu rätselhaft ist es für den Gesundheitsanalytiker Stoy, dass sogar Behandlungen bei „Akutereignissen“, also Herzinfarkten und Schlaganfällen, in Oberberg um 18 Prozent zurückgegangen sind – wohlgemerkt ohne dass diese unbehandelten Fälle in der Sterbestatistik auftauchen.

Zahl der Krebsvorsorgeuntersuchungen zurückgegangen

„Das beobachten wir auch auf Bundesebene. Aber wie kann das sein?“ Eine Vermutung wäre, dass es sich ebenfalls um leichtere Fälle handelt. Doch diese können Spätfolgen haben. Darum betont Stoy, Corona hin oder her: „Bei solchen Symptomen darf man nicht zögern, den Notruf zu wählen.“Eine Krankenkasse hat schon aus wirtschaftlichen Gründen ein Interesse daran, dass ihre Versicherten nicht krank werden, und setzt auf Vorsorge.

Darum sorgt sich AOK-Regionaldirektor Mäuer besonders darüber, dass die Zahl der Krebsvorsorgeuntersuchungen zurückgegangen ist. Nur 37 Prozent der Frauen und 16 Prozent der Männer im Oberbergischen ließen sich 2020 von ihrem Arzt zur Krebsfrüherkennung durchchecken. Die Männer liegen damit deutlich unter dem Landesschnitt. „Corona hat diesen Trend noch deutlich verschlechtert. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Krebsfrüherkennung bei Männern nochmals um 10 Prozent zurückgegangen,“ bedauert Mäuer.

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Unterdurchschnittlich ist auch noch die Teilnahme an Grippeschutzimpfungen, allerdings deutlich gestiegen, wohl wegen Corona. „Um die Quote zu steigern, gehen wir gezielt auf Betriebe zu, um direkt am Arbeitsplatz, ohne großen Zeitaufwand, die Impfungen mit ärztlicher Expertise anzubieten“, sagt Mäuer. Es ist wie bei Corona: „Durch die Grippeschutzimpfung ist man vor starken Infektionen besser geschützt.“