Eltern kranker Kinder, die etwa an Scharlach leiden, müssen sich aktuell auf eine Odyssee machen, um Antibiotika zu bekommen.
Akuter MangelAuch in Oberberg gestaltet sich die Suche nach Antibiotika für Kinder schwierig
Dass sich Eltern von kranken Kindern auf einer Odyssee von Apotheke zu Apotheke befanden, auf der verzweifelten Suche nach Restbeständen von Fiebersaft und Zäpfchen – das haben wir vor einem halben Jahr an dieser Stelle berichtet. Die Fiebersaft-Lage hat sich inzwischen etwas entspannt. Dafür müssen sich die Eltern kranker Kinder, die etwa an Scharlach leiden, jetzt auf eine andere Odyssee machen – sie klappern Apotheken vor allem auf der Suche nach Antibiotika ab.
Dr. Björn Hoffmann, der Obmann der Kinder- und Jugendärzte im Oberbergischen, weiß: „Antibiotika sind teils nur in geringen Mengen und nicht immer in allen Wirkstärken zu erhalten.“ Weil sie einerseits verschreibungspflichtig, andererseits aber vielfach vergriffen sind, ermuntern verschiedentlich Kinderärzte Eltern dazu, erst mal selbst herauszufinden, welche Antibiotika gerade erhältlich sind, um dann gezielt das zum Angebot passende Rezept auszustellen.
Eltern kennen die Odyssee durch die Apotheken bereits
Zurzeit ein übliches Vorgehen, weiß Martina Dammüller, Inhaberin der West-Apotheke und der Cosmas-Apotheke in Wipperfürth und Obfrau der Apothekerinnen und Apotheker im Oberbergischen. Manchmal werden auch gleich drei verschiedene Arzneien auf ein Rezept geschrieben, erklärt sie. „Die Ärzte rufen auch schon mal an. Ich finde es immer gut, wenn man sich vorher bespricht.“ Dammüller bestätigt, dass gerade sehr wenig Antibiotika in die Apotheken geliefert werden: „Es ist streng reglementiert, ob man was bekommt, und wenn man was bekommt, dann ist es innerhalb eines halben Tages weg.“
Penicillin sei seit Wochen kaum zu kriegen, sagt sie, „und bei Amoxicillin ist es das Gleiche“. Die genauen Gründe für die Engpässe – übrigens nicht nur bei Antibiotika – kennt auch sie nicht. „Das ist ganz unterschiedlich. Aber wir bekommen von den Firmen dazu keine Aussagen mehr.“ Sie wisse auch nicht, nach welchen Kriterien der Großhandel die kostbaren Arzneien verteilt. „Ich habe zwei Apotheken. In der einen bekomme ich dann plötzlich fünf Säfte, in der anderen kriege ich nichts“, sagt sie. Einfluss darauf hat sie nicht.
Haben die Eltern denn Verständnis für die zeitaufwendige Arznei-Jagd? „Ja, die kennen das schon vom Fiebersaft, das hat sich rumgesprochen“, sagt die Apothekerin.
Das Problem ist kein oberbergisches. Aus dem Kölner Raum suchen Eltern in hiesigen Apotheken nach Penicillin oder adäquatem Ersatz. Anfang des Monats hat es im NRW-Landtag eine Aktuelle Stunde zum Thema gegeben, und das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte hat die Mangellage offiziell gemacht. Aber auch jenseits der deutschen Grenze setzt sich das Problem fort, berichtet Martina Dammüller, die weiß, dass es auf Rückfrage auch bei der Internationalen Apotheke hieß, man tue, was man könne, aber auch dort kriege man kaum noch Lieferungen. Dammüller: „Es scheint ringsrum auch nicht viel besser zu sein.“
Vielfach sind die Eltern zurzeit auf der Suche nach Antibiotika, weil bei ihren Kindern Scharlach diagnostiziert wurde. Dabei sei nicht jeder positive Abstrich beim Schnelltest auf Streptokokken behandlungsbedürftig, sagt Dr. Hoffmann. Denn zwar können die Streptokokken auch Mandelentzündungen verursachen und werden für Scharlach verantwortlich gemacht, aber „leider“ seien sie gewöhnliche Bewohner des Rachenraums.
Aktuelle Stunde im NRW-Landtag zum Medikamentenmangel
Das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat inzwischen eine offizielle Mangellage für antibiotikahaltige Säfte für Kinder ausgerufen. Gründe seien „vornehmlich deutlich gestiegene Bedarfe, die nicht kompensiert werden können“, schreibt das BfArM.
Der Mangel an Medikamenten für Kinder und Jugendliche hat Anfang dieses Monats zudem den NRW-Landtag beschäftigt. Die Fraktionen von CDU und Grünen hatten dazu eine Aktuelle Stunde beantragt. Die Versorgung von Kindern und Jugendlichen sei akut gefährdet, hieß es da.