Bei Familie Sönmez in Bergneustadt kommt zu Ramadan die ganze Familie zusammen.
Muslimische FastenzeitSo begeht eine Familie in Bergneustadt Ramadan
Es ist kein Donnerstagnachmittag wie jeder andere bei der Familie Sönmez in Bergneustadt. Alle sind aufgeregt, vor allem die beiden Jüngsten. Die vierjährige Ahsen und ihre dreijährige Schwester Esma wuseln durchs Wohnzimmer. Dort hat ihre Mutter Nesrin goldene Sterne und Halbmonde aufgehängt, eine Reihe kleiner Säckchen für jedes Kind erinnern an einen Adventskalender. Nur hängen sie hier jeweils an einer Moschee.
Es sind auch nicht 24 Tage, sondern 30 - so lange dauert der Ramadan, die Fastenzeit der Muslime. Im Spielhaus aus bunt geschmücktem Pappkarton liegen kleine Gebetsteppiche, und eine Leuchtschrift verkündet auf Türkisch: „Hoşgeldin Ramazan“: Willkommen Ramadan. „Heute fasten wir den ersten Tag“, sagt Nesrin Sönmez. „Bei Tagesanbruch vor 4.34 Uhr haben wir gebetet, zum letzten Mal gegessen und getrunken.“
Dann gießt sie noch etwas Sauce über einen Auflauf aus Gemüse und Hackfleisch. Auf der Anrichte drängen sich schon Schüsseln und Schalen mit Salaten, kleinen Teigbällchen in Joghurt, gefüllten Weinblättern, Süßspeisen. Ihr Mann Yussuf, wie Nesrin Inhaber eines Friseursalons, kommt mit einem Arm voller Fladenbrote. Nach Fasten sieht das alles nicht aus. „Um 18.53 Uhr ist Iftar, das Fastenbrechen“, erläutert Nesrin, „der erste Tag ist immer ein besonderer Anlass, bei dem wir mit der ganzen siebenköpfigen Familie, mit Großeltern, Verwandten und Gästen essen.“
Ramadan in Oberberg: Fasten ist keine Strafe
Tagelang hat sie schon eingekauft und alles vorbereitet. Ob die großen Töchter denn nicht helfen? Beim Abräumen und Abwaschen schon, aber Einkaufen und Kochen, das sei zu schwer für die Mädchen, findet die Mutter. Die zwölfjährige Berra, die bereits mit den Großen fastet, erzählt ein bisschen verlegen, wie sie einmal aus Versehen beim Schnippeln eine Scheibe Gurke in den Mund gesteckt hat. „Nicht so schlimm“, beruhigt Mutter Nesrin. „Das Fasten soll ja keine Strafe sein, sondern eine Zeit der Besinnung darüber, wie gut es uns geht und dass nicht alle Menschen in so einer glücklichen Situation sind.“
Nicht essen, nicht trinken, nicht rauchen, keine Spitzen und Impfungen, wenn sie nicht medizinisch unbedingt notwendig sind, Ausnahmen gibt es zum Beispiel für Kranke und Schwangere. Die Töchter sollten selbst entscheiden, ob sie fasten, sagt die Mutter. Aber natürlich wachsen sie hinein in die Kultur. Fällt das Fasten schwer? „Ja. Wenn mich Mitschüler ärgern und absichtlich vor mir essen und trinken“, gesteht Berra. „Aber ich bin auch stolz, wenn ich es schaffe.“
Im Unterricht und bei den Klausuren vergehe die Zeit schnell, findet die 17-jährige Beyza. Ihre Schwester Betül erinnert sich, wie durstig sie war, als Ramadan in den Sommer fiel und sie beim Fußballspielen geschwitzt hatte. Im Wohnzimmer beginnt die Familie jetzt, die Zeit bis zum Sonnenuntergang auf die Minute genau herunter zu zählen. Eine App hilft dabei. Die Mädchen tragen die Köstlichkeiten auf, Spezialitäten aus der Heimat der Urgroßeltern, die 1970 als Gastarbeiter nach Bergneustadt zogen und blieben.
Oberberg: An Ramadan kommt die ganze Familie zusammen
„Es ist schön, wenn zum Iftar die ganze Familie zusammen kommt und wir miteinander beten“, findet Betül. Ihre Schwester Berra spricht das Tischgebet, auf Arabisch. Traditionell beginnt das Fastenbrechen mit Wasser und Datteln, „weil der Prophet das so gemacht hat“, erklärt Mutter Nesrin. Danach folgt eine Suppe, ehe alle zugreifen. Später besucht Vater Yussuf mit Betül die Moschee. „Cool“ findet sie das. Vor Tagesanbruch wird Nesrin Sönmez Krapfen backen und die Töchter zum nächtlichen Frühstück drängen. Schließlich geht es morgens in Schule, Kindergarten und zur Arbeit.
„Meistens bin ich aber zum Essen viel zu müde“, sagt Beyza. Sie freut sich mit ihren Schwestern schon auf das Zuckerfest zum Ende der Fastzeit am 23. April. Dann wird drei Tage lang gefeiert, es gibt Geschenke. Die Mädchen machen die Runde bei türkischstämmigen Familien, wünschen frohes Fest und sammeln Süßigkeiten. „Auch unsere deutschen Nachbarn halten immer kleine Überraschungen bereit“, freut sich Berra.