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BildungKinder und Jugendliche an Bergneustadts Hauptschule sprechen 25 Sprachen

Lesezeit 5 Minuten
Die individuelle Förderung der 26 Jugendlichen wird in der Klasse 8b an der Hauptschule in Bergneustadt von Lehrerin Ildiko Keller großgeschrieben. Die Lehrerin selbst stammt aus Ungarn. Unser Foto zeigt einen Blick ins Klassenzimmer.

Die individuelle Förderung der 26 Jugendlichen wird in der Klasse 8b an der Hauptschule in Bergneustadt von Lehrerin Ildiko Keller großgeschrieben. Die Lehrerin selbst stammt aus Ungarn.

26 Schülerinnen und Schüler besuchen die Klasse 8b der Gemeinschaftshauptschule Bergneustadt. Wir haben die Klasse besucht.

Sie heißen Emre und Mohammed, Tayler und Elmira, Abu und Xenia. Sie kommen aus Guinea, Eritrea, aus Syrien und aus der Ukraine, aus Polen, Kasachstan, Italien, Jordanien. 26 Schülerinnen und Schüler besuchen die Klasse 8b der Gemeinschaftshauptschule Bergneustadt. „Alle haben einen Migrationshintergrund“, sagt Klassenlehrerin Ildiko Keller. „Einschließlich mir selbst! Ich stamme aus Ungarn.“

Die Klasse 8b ist keine Ausnahme: 85 Prozent der Kinder und Jugendlichen an der Schule haben eine Migrationsgeschichte, sie kommen aus 23 Ländern, sprechen 25 Sprachen. Deutsch ist oft nicht dabei. Ob Migrantin oder Geflüchteter, ob elf Jahre alt oder 16 – wer Sprachprobleme hat, wird oft der Hauptschule zugewiesen. Wie funktioniert unter diesen Bedingungen Unterricht, der ja einem Lehrplan folgt und zum Abschluss führen soll?

Das Wichtigste ist es, Deutsch zu lernen. Das gelingt vielleicht in einem kleinen System mit 250 Schülern besser als in einem großen.
Carmen Bloch, Leiterin der Hauptschule

„Das Wichtigste ist es, Deutsch zu lernen“, stellt Schulleiterin Carmen Bloch fest. „Das gelingt vielleicht in einem kleinen System mit 250 Schülern besser als in einem großen.“ An diesem Morgen steht in der Doppelstunde Deutsch die Nachbereitung des Betriebs-Kurzpraktikums auf dem Plan. Aber nicht alle bekommen die gleiche Aufgabe. Für einige gibt es ein Arbeitsblatt zur Vorbereitung eines Praktikumsberichts, sie sollen aufschreiben, mit welchen Materialien sie gearbeitet haben und sogar „welche Schlüsselkompetenzen“ sie dafür brauchten.

Andere bekommen ein Blatt mit Bildern und sollen die Berufe dazu schreiben, in Deutsch und der jeweiligen Muttersprache. Die Übersetzungs-App des Tablets hilft – und Eileen Schütte, die in dieser Woche als zweite Lehrkraft in der Klasse für die Schüler mit geringen Deutschkenntnissen zuständig ist. In der Klasse sitzt auch ein Mädchen aus Äthiopien, das nie eine Schule besucht hat. Und ein neuer Schüler aus der Ukraine. Er ist einer der insgesamt 14 neuen Schüler, die nach den Zeugnissen von einer anderen Schule zur Hauptschule gewechselt sind.

Vor zwei Jahren kamen 30 Kinder aus der Ukraine an die Bergneustädter Hauptschule

Vor zwei Jahren hat die Schule innerhalb von vier Wochen 30 Kinder aus der Ukraine aufgenommen. „Wenn sie gar kein Deutsch können, ist es schwierig, weil wir gar nichts von ihnen wissen“, meint Klassenlehrerin Keller. „Aber es ist gut, wenn sie erst anfangen zu erzählen, wenn die Sprachlosigkeit endet.“ Erlebnisse von Krieg , Vertreibung und Flucht und vom Fremdsein. Vier Jugendliche in der 8b sind ohne Eltern nach Deutschland gekommen. Oft helfen Mitschülerinnen als Dolmetscher, und wenn es ein dringendes Problem gibt, kann die Schule auf Sprachmittler oder Dolmetscher zurückgreifen, notfalls per Telefon.

In der nächsten Stunde sitzen einige aus der 8b nicht im „normalen“ Unterricht, sondern in einer der drei Kleingruppen in anderen Räumen, in denen gezielte Sprachförderung mit Eileen Schütte stattfindet. Auch die Neuen sind dabei. Sieben Kinder ordnen an der Magnettafel Bilder den passenden Begriffen zu.

In Bergneustadt hat fast jeder Jugendliche einen eigenen Stundenplan

„Das ist ein Klo“, behauptet ein Junge aus der fünften Klasse. „Nein, ein Clown!“, korrigiert kichernd seine Tischnachbarin. Der 15-Jährige aus der Ukraine verzieht das Gesicht. Auf die Mathestunde – wieder im Klassenverband – freut er sich aber wieder. Darin ist er gut. „Im Grunde hat hier fast jeder seinen eigenen Stundenplan“, erklärt Keller und deutet auf den Blätterwald, der neben der Tür des Klassenzimmers hängt.

Mehr noch: Jeder Schüler und jede Schülerin soll individuell zum passenden Schulabschluss geführt werden. Auch die acht Jugendlichen in der Klasse 10 mit Förderbedarf „Lernen und geistige Entwicklung“. Ob die ehrgeizige Emira es schafft, in zwei Jahren den Abschluss nach Klasse 10b schafft? Und Roman die Qualifikation für die Oberstufe? Vier Jugendliche wünschen sich selbst angesichts der Noten auf dem Halbjahreszeugnis, die Klasse zu wiederholen.

„Die meisten unserer Schülerinnen und Schüler schaffen den Ersten Erweiterten Schulabschluss. Das war früher der Hauptschulabschluss nach Klasse 10. Und die meisten Schülerinnen und Schüler der Klasse 10 Typ B schaffen den von ihnen angestrebten Mittleren Schulabschluss“, berichtet Schulleiterin Bloch. Wer große Probleme hat, etwa zu den Schulverweigerern zählt, kann in der Jahrgangsstufe 9 eine Sonderklasse besuchen, mit drei Tagen Schule und zwei Tagen in einem Betrieb.

Für alle wird Berufsvorbereitung und „Lebenspraxis“ – auch in Zusammenarbeit mit außerschulischen Institutionen – großgeschrieben: Wie eröffnet man ein Konto? Wie bekomme ich eine Krankenversicherung? Was tun gegen Cybermobbing? „Wir machen vieles möglich, ehe wir sagen, es geht nicht“, sagt Schulleiterin Bloch. Und: „Ich bin froh, dass ich Schulleiterin an einer Hauptschule bin.“

Die Leiterin der Bergneustädter Hauptschule liebt die Vielfalt

Sie liebt die Vielfalt, auch der Herausforderungen. „Man kann die Hauptschule abschaffen, aber nicht die Hauptschüler. Wir arbeiten kräftig dran, gegen den schlechten Ruf der Hauptschule zu arbeiten.“ Mit einem engagierten Team. „Allmählich stelle ich ein Umdenken fest, dass unsere Schüler mit Hauptschulabschluss auf dem Ausbildungsmarkt wieder gefragt sind.“

Lehrerin Ildiko Keller freut sich auf den Wahlpflichtunterricht. Da geht es mit Schülerinnen und Schülern aus 17 Ländern in der Schulküche auf „Kochreise“ – mit dem Ziel, die internationalen Rezepte als Buch zusammenzustellen. „Wir können viel voneinander lernen“, davon ist sie überzeugt. Konflikte gebe es zwischen Personen, aber nie zwischen Nationen. „Mir gefällt hier die Herzlichkeit, das Behütende. Deshalb bin ich glücklich hier.“


Harte Arbeit für einen besseren Ruf

„Ich bin froh, dass ich Schulleiterin an einer Hauptschule bin“, versichert Carmen Bloch. Sie liebt die Vielfalt, auch der Herausforderungen. „Man kann die Hauptschule abschaffen, aber nicht die Hauptschüler. Wir arbeiten kräftig dran, gegen den schlechten Ruf der Hauptschule zu arbeiten.“ Mit einem engagierten Team. „Allmählich stelle ich ein Umdenken fest, nämlich dass unsere Schüler mit Hauptschulabschluss auf dem Ausbildungsmarkt wieder gefragt sind.“