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Interview

DBS-Präsident Beucher
„Werden Luke Mockridge eine Liste zur Verfügung stellen“

Lesezeit 3 Minuten
Ein Mann steht hinter einem Rednerpult.

Friedhelm Julius Beucher (Archivbild)

Der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes, Friedhelm Julius Beucher, über Medaillen, eine deutsche Bewerbung und Luke Mockridge.

Herr Beucher, die XVII. Paralympischen Sommerspiele von Paris sind vorbei. Wie fällt Ihr erstes Fazit aus?

Friedhelm Julius Beucher: Wir fahren sehr zufrieden zurück. Wir haben Platz 11 unter 176 teilnehmenden Nationen erreicht. Aber das ist das Ergebnis nach einem zu relativierenden Medaillenspiegel. Warum sage ich, er sei zu relativieren? Weil da nur Gold, Silber und Bronze gezählt werden. Ich kann aber noch 63 Platzierung auf den Plätzen vier bis acht aufzählen, die unsere Athleten erreicht haben.

Also, ich sehe nicht nur die Gesamtzahl aller Medaillen, das sind 49. Das heißt, wir haben den seit vielen Paralympics bestehenden Abwärtstrend zart gestoppt. Und die andere schöne Botschaft ist: Die Weltrekorde sind nur so gepurzelt. Das heißt, dass sich viele Länder, in denen Menschen mit Behinderung am Rande der Gesellschaft standen, auf den Weg gemacht haben und mithilfe des Sports sichtbar machen, wozu Menschen mit Behinderung in der Lage sind.

Die Wahrnehmung bei uns in der Redaktion war, dass die Resonanz der Öffentlichkeit deutlich größer war. Entspricht das den Tatsachen?

Das entspricht den Tatsachen und wird noch gespickt durch hervorragende Einschaltquoten, aber auch davon, dass in den Print- und Onlinemedien, im Audiobereich und auch im Fernsehen unwahrscheinlich viel Platz war. Das ist eine sehr gute Entwicklung, aber ich sage auch: Da ist nach oben noch sehr viel Platz.

Kevin Müller, Katharina Eimermacher, Friedhelm Julius Beucher und Michael Nordhaus (von links).

Drei Oberberger waren für den DBS bei den Paralympics in Paris: (v.l.) Kevin Müller aus Bergneustadt (Presse), Katharina Eimermacher aus Engelskirchen (Koordination und Protokoll) und Friedhelm Julius Beucher (Delegationsleiter). Rechts Michael Nordhaus (Koordination & Protokoll).

Ist die Zeit womöglich reif für Paralympics in Deutschland?

Das ist überfällig! Wir müssen den Schwung mitnehmen und die Flamme am Lodern halten und für eine Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele mitnehmen. In den gastgebenden Nationen der Spiele hat sich nachhaltig enorm viel getan. Unter den ersten zehn Nationen auf der Skala des diesjährigen Medaillenspiegels sind acht Länder, die schon mal Ausrichter von Spielen waren.

Warum ist das so?

Ausrichterländer verändern ihre Sportstrukturen und geben dem Sport einen höheren Stellenwert und sind damit offensichtlich erfolgreicher. Daraus müssen wir lernen. Unser Land braucht Olympische und Paralympische Spiele. Auf dem Weg dahin brauchen wir paralympische Großveranstaltungen in Deutschland, um unseren Sport sichtbarer zu machen.

So bewerben wir uns für 2026 zum Beispiel für die Goalball-WM (weltweit die am weitesten verbreitete Ballsportart für Menschen mit Seheinschränkung und seit 1976 paralympisch, d. Red.), wollen die European Para-Championships 2027 nach Deutschland holen und sind in Gesprächen, ob wir im Herbst 2025 ein Qualifikationsturnier für Para-Eishockey in Wiehl ausrichten können. Denn Wiehl hat eine von vier Eishockeyflächen in ganz Deutschland, die barrierefrei sind.

Spricht man über die Paralympics, kommt man an den diskriminierenden Witzen des Comedians Luke Mockridge über ertrinkende behinderte Schwimmer nicht vorbei. Welche Botschaft haben Sie für ihn?

Er soll sich einfach nur schämen, der Quote wegen Menschen mit Behinderung zu diskriminieren und zu beleidigen, das gehört sich nicht. Wir haben in unseren 17 Landesverbänden das ganze Jahr über Sportveranstaltungen, da kann er sich sachkundig machen. Dazu gehört auch die Rehacare in Düsseldorf vom 25. bis 28. September, eine große Fachmesse für Menschen mit Behinderung. Bei der Begegnung mit den Menschen dort lernt man das Wort Demut noch mal neu kennen. Wir werden Luke Mockridge eine Liste mit Veranstaltungen zur Verfügung stellen, die er sich ansehen kann.


Friedhelm Julius Beucher (78) ist seit 2009 Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes und des Nationales Paralympischen Komitees. Von 1990 bis 2002 war er Mitglied des Deutschen Bundestags; von 1998 bis 2002 war er Vorsitzender des Sportausschusses. Er lebt in Bergneustadt (Oberbergischer Kreis).