Am 22. September eröffnet Anar Bramo die Spielzeit als neuer Chefdirigent des Kreissymphonieorchesters. Wie will er neues Publikum anlocken?
Kreissymphonieorchester„Musiker können wie Piranhas sein“
Anar Bramo (43) ist neuer Dirigent des Symphonieorchesters des Oberbergischen Kreises. Reiner Thies sprach mit ihm über die bevorstehende Spielzeit und über die Akzente, die er setzen will.
Dass ein Violinist zum Dirigenten avanciert, ist außergewöhnlich. Was gab den Ausschlag dafür, dass Ihnen die neue Aufgabe übertragen wurde?
Anar Bramo: Ich bin sehr glücklich über das Vertrauen des Orchesters. Ich höre von den Musikern: „Die Proben machen Spaß.“ Offenbar habe ich einiges richtig gemacht bei den Konzerten, bei denen ich als Gastdirigent eingesetzt war. Noch als Student durfte ich unter Gus Anton in Gummersbach erste Erfahrungen als Konzertmeister sammeln und war hier auch ein paar Mal als Solist engagiert. In der vergangenen Spielzeit bin ich dann mehrfach am Pult eingesprungen.
Was muss ein Dirigent können, was ein Musiker nicht können muss?
Viele scheitern daran. So wie nicht jeder Schauspieler auch ein guter Regisseur ist. Als Orchestermusiker muss man folgen, als Dirigent muss man leiten. Ich muss in der Lage sein, meine Interpretation einer Komposition zu vermitteln und dafür viele Gruppen zur Zusammenarbeit zu motivieren. Gute Musiker sind selbstbewusst und nicht leicht zu überzeugen. Und sie können wie Piranhas über dich herfallen (lacht).
Warum sind Sie den Schritt ans Dirigentenpult gegangen?
Als Geiger habe ich alles erreicht, was ich mir vorgenommen hatte. Mich nun auf einer festen Stelle einzurichten, hat mich nicht gereizt. Ich hatte den Ehrgeiz, mich als Musiker weiterentwickeln und bin dem Rat meines Wiener Geigenlehrers Boris Kuschnir gefolgt. Bei mehreren Meisterkursen für Dirigenten habe ich von 2021 an meine Erfahrungen eingebracht und es 2023 zu meiner eigenen Überraschung bis ins Finale eines Wettbewerbs in Bukarest geschafft und im Juli einen Wettbewerb in Portugal sogar gewonnen. Ich spiele nur schlecht Klavier, und das ist hinderlich, wenn man in Deutschland ein Studium aufnehmen will. Aber ich nehme Unterricht bei meiner Frau und werde mich vielleicht im kommenden Jahr für einen Masterstudiengang im Dirigieren einschreiben.
Was steht in der neuen Spielzeit auf dem Programm?
Wir eröffnen die Saison am Sonntag, 22. September, 17 Uhr, bei unserem ersten Konzert im Bergneustädter Krawinkelssal mit Musik von Mozart und Beethoven. Michael Nassauer spielt das Horn-Solo in einem Konzert von Richard Strauss. Er ist einer der renommierten Musiker, die ich ins Oberbergische holen werde, so wie ich es beim Abschlusskonzert im Juni dem Publikum versprochen habe. Dabei helfen mir meine Kontakte, es ist nicht selbstverständlich, dass diese berühmten Solisten trotz des geringen Honorars kommen. Dazu gehört besonders die Geigerin und Folkwang-Professorin Alissa Margulis, die im März in Lindlar mit uns ein Beethoven-Konzert aufführt. Solche Gäste werden den Ruf des Orchesters stärken und lassen die Musiker wachsen – das ist unser Hauptziel.
Setzen Sie nicht mehr auf die jungen Talente, die von der Dörken-Stiftung vermittelt werden?
Doch, aber vor allem bei den Kammerkonzerten im Gummersbacher Ratssaal. Und wir gehen neue Wege: Am 10. November laden wir zu einem Konzert mit Preisträgern des Bundeswettbewerbs „Jugend musiziert“ ein, allesamt Klavierschülerinnen und -schüler der Gummersbacherin Sigrid Althoff. Die Dörken-Stipendiatin und Sopranistin Evelyn Grünwald begleiten wir bei unserem festlichen Weihnachtskonzert, das am 15. Dezember erstmals im Lindlarer Kulturzentrum stattfindet.
Was gibt es sonst Neues?
Mit dem Konzert unter dem Titel „Classic meets Cinema“ wollen wir zum Saisonabschluss am 29. Juni ein neues Publikum erreichen. Die berühmten Filmmusiken sind populär und musikalisch anspruchsvoll zugleich. Und erneut haben wir einen namhaften Gast: die Mezzosopranistin Nidia Palacios. Ich freue mich darauf.
Karten und Wahlabonnements gibt es unter symphonie-orchester@web.de und (0 22 61) 2 34 47.
Zur Person
Anar Bramo wurde in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku geboren. Sein Instrument ist die Violine, ausgebildet wurde er an der Baku-Musik-Akademie, an der Folkwang-Universität der Künste, der Hochschule für Musik und Tanz in Köln und an der Grazer Kunstuniversität. Seine Entwicklung wurde maßgeblich von Gidon Kremer beeinflusst. Die Stelle des stellvertretenden Konzertmeisters, die Bramo 2010 in der Philharmonie Südwestfalen in Siegen antrat, trug dazu bei, dass er Orchestererfahrung sammeln konnte.
Als Dirigent hatte Bramo schon verschiedene Positionen inne, darunter die des Leiters des Attendorner Kammerorchesters. Beim Bukarester Internationalen Dirigierwettbewerb 2023 war er Finalist und gewann einen Sonderpreis. Im Juli 2024 gewann er den 1. Preis beim internationalen Dirigentenwettbewerb in Cascais (Portugal). Seine Komposition „Shusha“ wurde im November 2021 in der Berliner Philharmonie uraufgeführt. Anar Bramo lebt mit seiner Frau Anastasija, einer Pianistin, und seiner vierjährigen Tochter in Köln.