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Besuch beim FeilenhauerIn Lindlar-Hommerich fertigen die Brüder Rodewies Feilen

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An der Haumaschine fertigt Horst Rodewies Schlüsselfeilen. Bis zu 20 Arbeitsgänge benötigen Horst und Uli Rodewies, bis aus einem Rohling eine fertige Feile entsteht.

Hommerich – Mit dem Geratter eines Presslufthammers saust der Hartmetall-Meißel immer wieder hinab. Im Nu schlägt er bis zu 28 Kerben pro Zentimeter in den Rohling, exakt eine wie die andere. Gehörschutz ist angesagt, wenn in einer der letzten Feilenhauereien der Bundesrepublik die Schicht beginnt.

Horst und Uli Rodewies nehmen das gerade entstandene Werkzeug, halten es gegen das Licht und nicken zufrieden. Die beiden Scheeler beschäftigen sich seit vier Jahrzehnten mit dem Handwerk, das bereits im Mittelalter bekannt und später vor allem in Lindlar von Bedeutung ist (siehe auch Info-Kasten).

1906 gründete Großvater Carl Rodewies das Unternehmen am Scheelbach. „Auf dem Amboss wurde damals noch jeder Zahn von Hand geformt“ berichten die Brüder. Später übernahm ihr Vater Willi das Geschäft. Zunächst zog die Fertigung nach Kaiserau, inzwischen entstehen die Rodewies-Feilen in einem ehemaligen Gebäude der Tuffi-Milchwerke in Hommerich. „Unser Betrieb ist laut, deshalb fühlen wir uns hier draußen sehr wohl“, betonen Horst (64) und Uli (60) Rodewies mit einem Schmunzeln.

Ein Wirtschaftszweig mit Tradition

Im Jahr 1889 war die Sensation perfekt: Erstmals verdienten mehr Männer der Gemeinde Lindlar ihr Geld mit der Feilenhauerei als in den hiesigen Steinbrüchen. Kleinbetriebe entstanden damals unter anderem in Frielingsdorf, Altenrath, auf der Eremitage, in der Kamper Straße, Auf dem Korb, in Hartegasse und vor allem in Scheel. So beschreibt es der Lindlarer Arbeitskreis für Regionalgeschichte in einem 2005 erschienenen Aufsatz.

Der Boom der jungen Industrie hielt jedoch nicht lange an. Die Betriebe hätten unter „schwierigen Transportverhältnissen“ zu leiden, beklagte der Lindlarer Bürgermeister Johann Peiffer um die Wende zum 20. Jahrhundert. Lindlar brauche den Anschluss an die Bahn. In den 1920er-Jahren kam dann für viele Unternehmen das endgültige Aus.

Die Feilenhauerstraße in Klause und das einstige Betriebsgebäude der Hauerei Irlenbusch im Lindlarer Freilichtmuseum erinnern heute an den einst wichtigsten Wirtschaftszweig der Gemeinde. (sfl)

Je dünner die Feilen, desto schwieriger die Herstellung

Während in den meisten Firmen ihrer Branche die Lichter ausgingen und Feilen schon lange containerweise aus Asien auf den europäischen Markt kommen, ist es dem Familienunternehmen gelungen, sein Sortiment in einer Nische zu behaupten. „Je dünner die Feile, desto schwieriger ist ihre Herstellung“, erklärt Uli Rodewies. Gerade einmal 0,8 Millimeter stark ist das filigranste Exemplar im Sortiment – genutzt vor allem im Werkzeugbau zum Entgraten. Spezielle Schlüsselfeilen für den Feinmechaniker sind das Lindlarer Rezept gegen die Konkurrenz aus Fernost.

Im Geburtsraum der Lindlarer Feilen dröhnen inzwischen wieder die Maschinen. Die Brüder arbeiten parallel an je zwei Maschinen. Die erste schlägt den Unterhieb ein, den späteren Spanbrecher, die zweite trägt den kreuzenden Oberhieb mit seinen schneidenden Zähnen auf. Jede Feile wird anschließend noch gestempelt, in speziellen Körben gehärtet, gerichtet und natürlich in Ölpapier verpackt. „Bis zu 20 Arbeitsgänge braucht es, bis ein Werkzeug fertig ist“, erklärt Horst Rodewies.

Inzwischen stehen alle namhaften deutschen Werkzeughersteller auf der Kundenliste, ebenso die Branchenführer in Österreich, der Schweiz und den Niederlanden. Wer eine wirklich hochwertige Feile kauft, hat gute Chancen, dass sein Exemplar in Hommerich produziert worden ist. Andersrum gelte allerdings auch: „Alles, was im Baumarkt landet, kann preislich nur aus dem Ausland kommen“, sagt Uli Rodewies.

Einen Raum weiter entsteht gerade eine weitere Spezialität des Unternehmens. Stahlband wird von der Rolle gewickelt und auf Länge geschnitten, anschließend werden die Kanten gebogen. Ein Meißel durchstößt den Rohling in mehreren Reihen. Das entstandene Schneideblatt ähnelt einer Küchenreibe. Und eigne sich vor allem zur Bearbeitung von Kunststoff, Gummi und weichen Metallen, berichten die Brüder. „Es besitzt nur einen ganz kleinen Grat, aber der ist extrem scharf“, verrät Uli Rodewies. Seit 113 Jahren gibt es die Rodewies-Feilen. Entspannt und auch ein bisschen stolz wirken die beiden Geschäftsführer, wenn sie im Pausenraum die Familiengeschichte Revue passieren lassen. An der Wand hängt das Werbeplakat für eine Sonderausstellung, mit dem das LVR-Freilichtmuseum 2018 an die Geschichte der bergischen Feilenhauer erinnerte. Eine Geschichte, die die Familie Rodewies bis heute prägt.