Borkenkäfer-Plage in OberbergExperte warnt: „Dann gnade uns Gott“
- Der aktuelle Borkenkäfer-Befall ist der größte seit 1948
- Die Masse der befallenen Bäume sei nicht mehr zu bewältigen, so ein Experte
- Der Befall wird die oberbergische Waldlandschaft erheblich verändern, glauben die Experten.
Oberberg – In der Fachsprache der Waldwirtschaft ist von einer „Großkalamität“ die Rede: Die derzeit in Oberberg grassierende Borkenkäferplage hat ein historisches Ausmaß. Darüber sind sich die Experten, die nun im Naturschutzbeirat des Kreistags das Thema diskutierten, ebenso einig wie in der Gewissheit, dass nur ein gemeinsames Handeln aller Beteiligten aus der Misere führen kann.
Und selbst das würde allein nicht reichen: Zudem und vor allem müsse das Frühjahr möglichst feucht und kalt bleiben, um die Menge der bald ausschwärmenden Käfer einzudämmen, sagte Klaus Lange als Gast des Beirats. Er ist als Revierleiter für den Wald des Stifts in Engelskirchen-Ehreshoven zuständig, einen der größten Privatforste in Oberberg.
Die Austrocknung des vergangenen Jahres hinderte die Fichten an der Produktion von Harz zur Abwehr der Eindringliche. „Nur das Wetter kann das Problem wieder regulieren – das Wetter hat es ja auch herbeigeführt“, erklärt darum Klaus Lange. Wie eine „Walze“ gehe die Käferplage über die oberbergischen Wälder. Wenn in diesem Jahr nicht wieder normale Temperatur- und Niederschlagsverhältnisse einkehrten, „dann gnade uns Gott“.
Beiratsvorsitzender Heinz Kowalski ist stellvertretender Landeschef des Naturschutzbundes und Mitglied der vom Umweltministerium einberufenen „Task Force Borkenkäfer“. Er weist auf den Klimaschaden hin, der mit dem Verlust großer CO2 -Speicherkapazitäten verbunden ist, und auf die soziale Problematik: Er wisse von einem Ehepaar, das mit ihrem Wald den Kindern das Studium finanzieren wollte und angesichts der hohen Erntekosten und niedrigen Erlöse ratlos sei.
Aktueller Befall ist der größte seit 1948
Eingangs hatte Dr. Mathias Niesar noch einmal die Dramatik des aktuellen Borkenkäferbefalls – des größten seit 1948 – mit Zahlen belegt. Der in der Gummersbacher Dienststelle stationierte Experte des Landesbetriebs Wald und Holz führt aus, dass es im vergangenen Jahr bis zu vier Käfergenerationen gab, so dass aus der Brut eines einziges Weibchens bis 250.000 Nachkommen entstanden. In einem einzigen befallenen Baum konnten unter diesen Umständen 1,5 Milliarden Käfer heranwachsen.
Die Masse der befallenen Bäume sei nicht mehr zu bewältigen. Der Landesbetrieb empfehle darum, tote Bäume stehen zu lassen und auch kleine Fichtenbestände aufzugeben, die von Laubbäumen umgeben sind und nicht für eine weitere Ausbreitung sorgen. Vorrang bei Einschlag und Abfuhr hätten Bäume, von denen eine Gefahr für den Gesamtbestand ausgehe, sagt Mathias Niesar.
Hilfsangebote
Viele Privatwaldbesitzer stehen hilflos vor der Vernichtung ihres Bestands. Der Engelskirchener Landwirt Hans Stöcker beteuerte in der Beiratssitzung: „Die kleinen Waldbauern sind überfordert. Denen muss geholfen werden.“ Beiratsvorsitzender Heinz Kowalski informierte darüber, dass Bund und Land Fördermittel für Maßnahmen wie das Entrinden von befallenem Holz im Wald sowie die Anlage von Lagerplätzen zur Verfügung stellen. Zudem gebe es das Waldbaukonzept des Landes mit sinnvollen Empfehlungen für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung. „Die Politik“, versichert Kowalski, „hat begriffen, dass das eine Riesenherausforderung ist.“ (tie)
Der Waldschutzexperte fordert aber auch Konsequenzen für die Wiederaufforstung: „Wenn die Natur uns zeigt, dass die Fichte an einer Stelle schwer hat, sollte man sie dort nicht wieder anpflanzen. Sonst kann man das Geld gleich verbrennen.“ Kay Boenig, Leiter des Gummersbacher Forstamts, betont denn auch: „Diese Großkalamität zwingt die Waldbesitzern nun umzusteuern.“
So oder so wird sich die oberbergische Waldlandschaft erheblich verändern, glauben die Experten. Im Bereich des Regionalforstamts machen Fichten 36 Prozent des Bestands aus. Michael Gerhards vom oberbergischen Naturschutzbund warnt, dass auch Buchen und Eichen unter dem Klimawandel leiden. Für Forstamtschef Boenig ist darum entscheidend, ob man die Klimaerwärmung in den Griff kriegt: „Wenn wir einen Anstieg von vier Grad erleben, müssen wir wie in Südsizilien Steineichen anpflanzen.“