Bürgerinitiave gegründetKritik an Plan für Linder Gewerbepark
Linde – Die Pläne zur Wiederbelebung der Industriebrache am alten Linder Bahnhof stoßen auf Gegenwind. Anwohner der Ortslage Bruch und des Talwegs haben sich jetzt zu einer Bürgerinitiative zusammengeschlossen und kündigen Widerstand an. Der aktuelle Überblick:
Um dieses Gebiet geht es
Das 1,2 Hektar große Areal ist über den Talweg zu erreichen. Diese Straße verläuft von Bruch aus kommend zunächst etwa eben und parallel zur Landstraße 284. Dann macht sie einen 90 Grad-Knick, führt steil bergauf und mündet im Linder Ortskern. Am Übergang zwischen Ebene und Anstieg beginnt die kurze Straße „Am Bahnhof“, die zum Gelände einer stillgelegten Kunststofffabrik führt.
Das ist bislang passiert
Die Bau-, Grundstücks- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Gemeinde Lindlar (BGW) hat die Neuaufstellung des Bebauungsplanes zum „Gewerbepark Linde“ beantragt. Im Februar votierte der Bau- und Planungsausschuss einstimmig für die Neuaufstellung und beauftragte die Verwaltung mit der sogenannten frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung nach den Vorschriften des Baurechts. Der Entwurf liegt noch bis Mittwoch, 20. April, im Rathaus aus. Innerhalb dieser Frist können sich Bürger zu dem Plan äußern, auch zum Beispiel per E-Mail.
Diese Details stecken im Entwurf
Den Planentwurf hat ein Siegener Städtebaubüro ausgearbeitet. Zulässig sind danach Bauhöhen bis 12,5 Meter. Aufbauten, etwa f+r Lüftungen, dürfen diese Höhe weiter erhöhen. Der Entwurf sieht außerdem vor, dass 80 Prozent der Gesamtfläche überbaut werden dürfen. Das ist eine vergleichsweise dichte Bebauung, die die Planer mit der Möglichkeit begründen, begrenzten Platz möglichst gut zu nutzen. Die BGW möchte das Brachland laut den Ausschussunterlagen „für heimische Gewerbebetriebe nutzbar machen“. Gedacht sei in erster Linie an Handwerksbetriebe. Außerdem weist die BGW darauf hin, dass das Areal im Lindlarer Flächennutzungsplan bereits als gewerbliche Baufläche ausgewiesen ist.
So reagieren die Anwohner
Die angesprochene Bürgerbeteiligung nutzt die Nachbarschaft des möglichen Gewerbegebietes, um Kritik zu äußern. Es gibt jetzt eine Bürgerinitiative. In einer ausrangierten Telefonzelle vor dem Haus Talweg 20 liegt bis kurz vor Ende der Offenlegungsfrist eine Unterschriftenliste aus, die dem Rathaus übergeben werden soll. Die Initiative nennt mehrere Gründe, die aus ihrer Sicht gegen das Projekt sprechen und erklärt im Gespräch mit unserer Zeitung die Hintergründe.
Die Anbindung ist ein Nadelöhr für Lkw
Haupteinwand ist die aus Sicht der Bürger ungeeignete Verkehrsanbindung, die nicht für den Lieferverkehr mit Lkw ausgelegt sei. Auf Fotos haben die Nachbarn die engen Verhältnisse festgehalten, als sich ein 40-Tonner in den Talweg verirrte. Auch der Müllwagen müsse ordentlich kurven, berichten Ina Sengebusch und Markus Kloß. Tatsächlich scheint die Möglichkeit zum Ausbau beschränkt. Sowohl unten in Bruch als auch oben in Linde reichen private Grundstücke auf beiden Seiten direkt an die Straße. Der Talweg sei zudem Schulweg und das ohne Bürgersteig, betont Sengebusch. Die Anlieger fürchten, dass sie an den Kosten beteiligt werden, wenn in der Zukunft einmal Straßenreparaturen nach etlichen Lkw-Überfahrten anstehen.
Kritik an möglichem Lärm und Wasserversorgung
Bettina Schwirten macht auf mögliche Lärmprobleme aufmerksam, denn die Brache liegt in einer Art Kessel vor der meterhohen Abbruchkante eines ehemaligen Steinbuchs, die den Widerhall verstärkt. Karsten Sengebusch erinnert sich, dass die Linder Wassergenossenschaft nach dem Aus der Kunststofffabrik den Querschnitt der Leitungen verringert habe – was nun kostenaufwendig wieder rückgängig gemacht werden müsste. Die von der BGW beauftragten Planer sehen den Anschluss an das Trinkwasser als machbar an. Dafür scheint die Löschwasserversorgung im Argen zu liegen – in der Begründung zum Entwurf des Bebauungsplans sind entsprechende Investitionen jedenfalls ausdrücklich genannt.
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Die Sache mit der Brücke
Die Zufahrt zum möglichen Gewerbepark würde über eine alte Brücke führen, an deren Zustand die Kritiker zweifeln. Nun könnte man meinen, dass ein Bauwerk, das für die Überfahrt einer Dampflok ausgelegt wurde, wohl auch Lastwagen standhalten sollte. Allerdings: „Die Brücken in der Umgebung inklusive Viadukt wurden vor der Öffnung des Radweges Bahntrasse ertüchtigt. Wir können nicht verstehen, warum vor der Überfahrt einiger Radfahrer Aufwand betrieben wurde und über die Brücke am Talweg sollen Lkw einfach so rollen“, erklärt Ellen Kloß. Die Sorge der Nachbarn: Über kurz oder lang wird die Gemeinde die Brücke sanieren müssen und dann wird es richtig teuer.
Diese Rolle spielt der Bahnhof
Unbestritten ist die alte Bahntrasse ein Aushängeschild des Lindlarer Tourismus, die Fertigstellung des Agger-Sülz-Radweges soll ihre Attraktivität weiter steigern. Und: Es gibt auf der Strecke keine Stelle, an der die Atmosphäre der alten Zeit so greifbar wird wie am alten Linder Bahnhof. „Der Ort zieht die Radfahrer an, die genau hier absteigen und sich alles ansehen“, sagt Ina Sengebusch. Völlig unverständlich sei deshalb, warum die BGW nur einen Steinwurf entfernt ein Gewerbegebiet hochziehen wolle. Heinz Backwinkel, der in dem einstigen Bahnhofsgebäude lebt, spricht von einem „Schildbürgerstreich“.
Das eint die Kritiker
Dass an diesem Ort einst Gewerbe angesiedelt wurde, sei nachvollziehbar, betonen die Nachbarn. Zu Zeiten, in denen wirtschaftliches Vorankommen alleiniger Maßstab war und die Sülztalbahn vor der Haustür abfuhr. Nach heutigen Maßstäben passe Gewerbe aber nicht mehr zu dem Gelände. Gerade mit Blick auf heimische Unternehmen, die angesiedelt werden sollen, fürchtet die Bürgerinitiative, dass die Gemeinde massiv in und um den Gewerbepark wird investieren müssen, ohne einen finanziellen Mehrwert davon zu haben.