AboAbonnieren

Bürokratischer DschungelWipperfürther darf mit Elektromobil nicht auf die Straße

Lesezeit 3 Minuten

Drei Räder und 45 Stundenkilometer schnell: Hans Kort mit seinem Elektrogefährt auf seinem Privatgrundstück.

Wipperfürth – Schlüssel drehen, Gashebel ziehen und Mobilität völlig neu erleben. Kleine Elektromobile boomen derzeit im ganzen Land, vor allem bei Senioren, die mit ansprechender Werbung überzeugt werden sollen. Hans Kort aus Jörgensmühle entschied sich am Neujahrstag für einen solchen Akku-Flitzer – und wartet bis heute auf den ersten Meter, den er damit über öffentlichen Grund rollen darf.

Am 4. Januar 2019 ordert der 79-Jährige bei einem deutschen Versandhaus das Dreirad „Lizzy“, einen Kabinenroller mit zwei Sitzen und 1500 Watt-Elektromotor. GPS-Navigation, Rückfahrkamera, Radio und schwarze Lackierung sind im Preis von 4500 Euro inbegriffen. Die 45 Stundenkilometer reichen dem Wipperfürther für seine Ausflüge. Mal zum Einkauf in die Innenstadt oder nach Kürten, Bekannte in Thier besuchen, die Enkelin in Agathaberg von der Schule abholen. „Körper und Geist lassen es noch zu, dass ich die Familie bei Erledigungen unterstütze“, berichtet Kort.

Schwierigkeiten beim Import

Das neue Gefährt soll sein erstes E-Dreirad ohne Dach ersetzen. Der genannte Liefertermin Anfang März passt Kort ausgezeichnet. Denn Ende Februar endet beim Vorgänger die Gültigkeit des Versicherungskennzeichens. Mit dem im Volksmund als „Mofa-Kennzeichen“ bekannten Schild hatte Kort das ältere Modell problemlos versichert. Und auch für das neue Gefährt soll dieses Kennzeichen genügen, so verspricht es das Handbuch zum Dreirad-Modell.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Lieferung im März kann der Verkäufer nicht halten. Auch im zweiten Anlauf im Mai und beim dritten Versuch im Juli kommt keine Ware an. Gebaut wird „Lizzy“ in China. Den Import und eine europäische Betriebserlaubnis besorgt ein Unternehmer mit Sitz im englischen Manchester. Einer schiebt den Lieferstau auf den anderen. Schließlich ist es Anfang September, als ein Transporter in Jörgensmühle vorfährt und den Roller ablädt. Hans Kort erhält eine grobe Einweisung, jede Menge Papier und die besten Wünsche für allzeit gute Fahrt.

Ordnung muss sein

Mit der Betriebserlaubnis in der Tasche sucht Kort die Filiale der Ergo Group Versicherung auf der Gaulstraße auf, um für das neue Vehikel ein Versicherungskennzeichen zu besorgen. Reine Formsache und schnell erledigt, denkt Kort. Von wegen. Die Hauptverwaltung der Ergo stellt sich quer. Möglicherweise, so die Bedenken dort, sei „Lizzys“ zulässiges Gesamtgewicht von rund 450 Kilogramm zu schwer für eine Mofa-Versicherung. In Betracht komme auch ein amtliches Kennzeichen, wie sie Motorräder brauchen – plus damit verbundener Pflicht zur regelmäßigen Hauptuntersuchung. Man verspricht Prüfung, die bis heute ergebnislos geblieben ist.

„Die Dauer des Vorgangs ist sicher nicht akzeptabel“, räumt Mats Beyersdorf von der Wipperfürther Ergo-Vertretung ein. „Andererseits wollen die Kollegen sicherstellen, dass jeder Kunde das richtige Kennzeichen besitzt. Bevor es bei der Polizeikontrolle oder im Schadensfall zu Problemen kommt.“ Hans Kort versucht seither selbst herauszufinden, in welche Gruppe sein Dreirad fällt. Der TÜV kann mit der englischen Betriebserlaubnis nichts anfangen, er akzeptiert nur deutschsprachige Dokumente. In die Prüfstelle kommt Kort nicht, das Dreirad darf ja noch nicht auf die Straße. Parallel wühlt sich Beyersdorf durch Detailvorschriften des Kraftfahrt-Bundesamtes und der Zulassungs-Verordnung. „Bei der Gewichtsberechnung soll danach der Akku nicht mitzählen – damit wären wir im Mofa-Bereich“, melden die Wipperfürther den vorläufigen Zwischenstand.

Über einen Wechsel der Versicherung hat Hans Kort nie nachgedacht. „Ich brauche einen Ansprechpartner vor Ort und den habe ich dort.“ Trotzdem hat Kort inzwischen die Nase voll und möchte mit „Lizzy“ endlich zur ersten Ausfahrt starten. „Deutschland redet vom Elektroantrieb, aber offenbar ist man darauf gar nicht vorbereitet“, kritisiert Kort.