Das Cannabisgesetz erlaubt Volljährigen in Deutschland ab dem 1. April das Kiffen - mit genauen Regeln. Das stößt in Oberberg auf unterschiedliche Resonanz.
Cannabis-GesetzIn Oberberg gibt es Zweifel am Recht auf Rausch
Am 1. April ist das neue Cannabis-Gesetz in Deutschland in Kraft getreten und mit ihr die Teillegalisierung der Droge. Damit sind unter Vorgaben der Besitz und der Anbau von Cannabis für Erwachsene erlaubt. Der Verkauf der Droge an Minderjährige ist nach wie vor strafbar.
Das neue Gesetz verfolgt laut der Bundesregierung das Ziel, den Cannabiskonsum zu entkriminalisieren und den Schwarzmarkt einzudämmen. Es soll einen kontrollierten Umgang mit der Droge ermöglichen. Zu der Legalisierung von Cannabis gibt es kontroverse Meinungen. Wir haben mit mehreren Personen aus dem Oberbergischen gesprochen und gefragt, wie sie zu dem neuen Gesetz stehen.
Was sagt die Chefärztin der Jugendpsychiatrie Marienheide?
Tayalini Boll hat täglich mit Jugendlichen zu tun, die regelmäßig Cannabis konsumieren, denn die 44-Jährige ist Chefärztin der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Marienheide. Eine Freigabe von Marihuana lehnt sie entschieden ab. „Neun von zehn Kindern und Jugendlichen, die wir auf unserer Suchtstation behandeln, haben Cannabis als Einstiegsdroge genutzt und in Folge die Hemmschwelle für weitere Drogen reduziert. Unser jüngster Patient im Entzug war 13 Jahre alt“, erzählt sie.
Bei jungen Menschen unter 25 Jahren reift das Gehirn noch heran, sie sind besonders anfällig für psychische, physische und soziale Auswirkungen eines langfristigen, aber auch eines kurzfristigen Cannabiskonsums – das schreibt das Bundesgesundheitsministerium. Für Jugendliche unter 18 Jahren bleiben Besitz und Konsum von Cannabis deshalb weiterhin verboten. Für junge Erwachsene bis 21 Jahre gilt laut Gesetz eine Begrenzung des psychoaktiv wirkenden Tetrahydrocannabinol auf maximal zehn Prozent bei Weitergabe in Anbauvereinigungen sowie auf 30 Gramm pro Monat.
Boll hält diese Regelung für völlig unzureichend. „Jugendliche, die süchtig sind, konsumieren ein bis zwei Gramm am Tag, mit dem Gesetz unterstützen wir also diese Sucht.“ Für Heranwachsende über 21 Jahren seien gar keine Begrenzungen vorgesehen. Mit einem „Cannabis light“ für Heranwachsende mache man den „richtigen Stoff“ erst recht attraktiv. Die Erfahrung zeige, so Boll, dass der Cannabiskonsum bei jungen Menschen Angststörungen, Psychosen und Depressionen auslösen könne. „Eine Zunahme von psychischen Erkrankungen belastet am Ende auch unser Gesundheitssystem“, warnt die Ärztin.
Mit dem neuen Gesetz verbunden sind verschiedene Vorschriften zum Kinder- und Jugendschutz. „Diese Maßnahmen sind grundsätzlich zwar gut überlegt“, sagt Boll, „aber wie soll das umgesetzt werden? Wie bekommen wir diese Empfehlungen in Handlungen umgesetzt?“ Die Jugendhilfe, aber auch die Ordnungsämter, die Polizei und die Justiz seien schon jetzt völlig überlastet.
Die Psychiaterin befürchtet, dass die Hemmschwelle, mal einen Joint auszuprobieren, durch das neue Gesetz sinken wird, und damit – gerade bei Jugendlichen – auch die Beschaffungskriminalität steigt. Das neue Gesetz verfolgt vor allem das Ziel, den Cannabiskonsum zu entkriminalisieren und den Schwarzmarkt einzudämmen. „Der Erfahrungen aus den Niederlanden, den USA und Kanada zeigen aber, dass dies nicht gelingt“, sagt Boll.
Was sagt der Apotheker?
Eine Änderung bringt das neue Gesetz auch für medizinisches Cannabis. Seit 2017 dürfen Ärzte Patienten, die etwa an chronischen Schmerzen leiden, medizinisches Cannabis verschreiben. Dafür war bislang aber ein Betäubungsmittelrezept notwendig. Weil hierfür eine sehr aufwendige Dokumentationspflicht gilt, waren nur wenige Ärzte bereit, Cannabis zu verordnen. Die hohe Hürden schreckten bislang auch viele Apotheken ab.
Eine der wenigen Apotheken, die Cannabis für medizinische Zwecke bereitstellten, war die Fuchs-Apotheke in Radevormwald. Wie Inhaber Ralph Bültmann erklärt, könnten Ärzte seit dem 1. April 2024 Cannabis per Kassenrezept verschreiben. Aber er habe seinen Zweifel, ob die Krankenkassen da mitziehen würden – wegen der Kosten. „Im Zweifelsfall werden etwa chronische Schmerzpatienten dann auf ein Privatrezept zurückgreifen, dass sie selbst bezahlen müssen“, sagt er.
Was sagt der Inhaber der „Kleinen Knospe“ in Gummersbach?
Alexander Penz ist Geschäftsführer der „Kleinen Knospe“ mit Geschäften in Gummersbach-Vollmerhausen und Köln. Dort haben er und seine Mitarbeiter bislang CBD-Produkte, also entschärfte Cannabis-Produkte, verkauft . Jetzt, wo die Cannabis-Teillegalisierung beschlossen ist, soll das Geschäft ausgebaut werden.
„Wir möchten unsere Läden zu Cannabis-Fachgeschäften umgestalten“, berichtet Penz, der ein Befürworter des neuen Gesetzes ist. „Zum einen ist das für mich als Unternehmer aus wirtschaftlicher Sicht gut. Zum anderen befürworte ich den liberaleren Umgang mit Cannabis in der Gesellschaft.“
In dieser Wochen kommt im Gummersbacher Geschäft das erste Saatgut für den Verkauf an. „Damit eröffnet sich uns ein ganz neuer Geschäftszweig. Viele kommen mit ihren Fragen gezielt zu uns und wollen Zubehör zum Anbau kaufen, da sie der Qualität bei uns vertrauen“, sagt Penz, der sein Saatgut von einem Hersteller auf einer speziellen Fachmesse in Spanien bekommt.
Der Verkauf des Rauschmittels ist jedoch nicht so einfach. Als Konsument gelangt man an Cannabis als Mitglied eines sogenannten „Cannabis Social Club“, einer nicht gewinnorientierten Vereinigung, erläutert Penz. Sein Geschäftspartner in Gummersbach habe bereits einen Antrag beim Amtsgericht auf Gründung eines solchen Clubs eingereicht. Maximal 500 Mitglieder dürfen diesem beitreten und für den Eigenbedarf anbauen.
Was neben dem Eigenverbrauch übrig bleibt, könne dem Verein überlassen und abgegeben werden – allerdings nur an Mitglieder. Möchte ein Verein gemeinschaftlich in größerem Stil anbauen, benötige er eine Genehmigung der örtlichen Behörde, so Penz. Der Social Club und seine Firma bleiben zwei unterschiedliche Säulen. „THC-haltige Substanzen werden in den Regalen unserer Geschäfte nicht offen ausgelegt“, betont Penz. Es gehe ihm um den verantwortungsvollen Umgang mit Cannabis. Dass Minderjährige nun leichter Zugang zu Rauschmittel haben könnten, mache ihm keine allzu großen Sorgen . „Ich vertraue auf die Vernunft der Erwachsenen. Es muss Aufklärung geben, damit kommt man weiter als mit Verboten.“
Was sagt der Sprecher der Polizeigewerkschaft Oberberg?
Die Polizei hatte seit Bekanntwerden der Pläne, Cannabis legalisieren zu wollen, immer wieder Bedenken angemeldet. Und daran hat sich bis heute nichts geändert, wie Ulrich Stahl, Vorsitzender der Kreisgruppe Oberberg der Gewerkschaft der Polizei, im Gespräch sagt. Das Gesetz sei nicht zu Ende gedacht. Nach wie vor gebe es viele Baustellen sagt er. Wie schon NRW-Innenminister Herbert Reul hat auch Stahl „kein Verständnis“ dafür, dass dieses Gesetz auf den Weg gebracht worden ist.
Und mit Blick auf den bevorstehenden Sommer hat Stahl durchaus die Sorge, dass die Hemmschwelle weiter sinke, zum Beispiel im Gummersbacher Stadtgarten. Dabei hätten zuletzt Straftaten in der Innenstadt gezeigt, dass man auch in Gummersbach mit schweren Kalibern zu tun habe.
Und was die Zahl der Unfälle unter Einfluss von Betäubungsmitteln angehe, so sei diese bereits jetzt schon hoch. „Da sind wir auf keinem guten Weg“, sagt Stahl, der die erlaubte Menge von 25 Gramm durchaus für viel hält. Aus Sicht der Polizei erwartet er, dass Fachleute hin zu gezogen werden, dass es genaue Grenzwerte für den Straßenverkehr gibt und klare Aussagen dazu, wann jemand nicht mehr fahrtüchtig ist. Das fehle noch völlig, so Stahl.