Was rennt da über die Wiesen, was blüht hier am Wegesrand, was schwirrt über den See? Mit Unterstützung der Biologischen Station stellen wir Arten vor, die uns im Oberbergischen aufgefallen sind.
„Lebendiges Oberberg“Der Schwefelporling hat eine wichtige Funktion im Ökosystem
Pilze werden bekanntlich weder dem Reich der Pflanzen, noch dem der Tiere zugeordnet. Weniger bekannt ist, dass sie in Mitteleuropa die einzigen Organismen sind, die die chemisch hochkomplexen Bestandteile von Holz abbauen können. Damit sorgen sie für die Bildung von Humus und die Regulierung des Wasserhaushalts – ein unschätzbarer Beitrag für intakte Ökosysteme und damit für unsere Lebensgrundlage.
Holz besteht im Wesentlichen aus Cellulose und Lignin
Holz besteht im Wesentlichen aus Cellulose und Lignin. Diese Stoffe geben dem Zellgewebe, das die Sprossachsen von Bäumen und Sträuchern bildet, seine typischen Eigenschaften, vor allem die Stabilität. Pilze ernähren sich von Holz, indem sie diese Bestandteile verarbeiten und die Energie für ihre eigenen Lebensvorgänge nutzen. Viele Pilzarten bauen das Lignin ab und sind damit für die Weißfäule des Holzes verantwortlich.
Das Lignin gibt dem Holz nämlich die braune Farbe. Wird es abgebaut, bleibt die weiße Cellulose übrig. Der in diesem Beitrag näher betrachtete Schwefelporling (Laetiporus sulphureus) verursacht hingegen Braunfäule. Die Art hat sich darauf spezialisiert, die aus weißen Zuckerverbindungen bestehende Cellulose zu verzehren, wobei das braune Lignin übrig bleibt.
Hat sich der Pilz mit seinen den Holzkörper durchdringenden Hyphen gut ernährt, bildet er bereits ab Mai auffällige Fruchtkörper. Der Schwefelporling bevorzugt Kirschbäume und Weiden, die man an Bergischen Waldrändern und Baumreihen häufig findet. Der Fruchtkörper ist durch seine zunächst schwefelgelbe Farbe leicht zu erkennen. Allerdings verblassen seine wie Dachziegel übereinanderstehenden Hüte im Alter zu einer creme- ockerfarbenen brüchigen Struktur. Frische Fruchtkörper können über einen Meter lang und mehrere Kilogramm schwer werden.
Pilzsammler sollten den Schwefelporling probieren
Bei guter Wasserversorgung bilden sich an der porigen Unterseite gelbliche Tropfen, die Gutationstropfen genannt werden. Das freut Pilzsammler, die auf einen speziellen Leckerbissen aus sind. Denn wer die Textur von Champignons noch so gerade akzeptiert, aber Steinpilze schon als zu schleimig empfindet, sollte mal einen Schwefelporling probieren.
Der Fruchtkörper erinnert vom Biss her an Geflügel. Kenner bezeichnen ihn als „Hühnchen des Waldes“. Das faserige Fruchtfleisch, das wie bei allen Pilzen zum Großteil aus Eiweißverbindungen besteht, kommt Geflügelfleisch tatsächlich recht nah, hat aber eine viel bessere CO2- Bilanz als das ähnlich schmeckende Schlachtprodukt.
Dennoch soll hier nicht zum exzessiven Sammeln aufgerufen werden. Nur verantwortungsvolle, geschulte Pilzkenner sollten ihren Konsum durch wildwachsende Naturprodukte ergänzen.
Ihrer immensen Bedeutung im Ökosystem und den interessanten Eigenschaften zum Trotz, sind Pilze im Naturschutz und der Landschaftsplanung erstaunlich unterrepräsentiert. Als Indikator für den ökologischen Wert einer Landschaft oder eines Lebensraumes werden in erster Linie Pflanzen und Vögel, Fledermäuse und Amphibien herangezogen, gern auch Insekten und vielleicht auch Algen oder Flechten. Das Auftreten besonderer Pilze hingegen fast nie, wie die Mykologen beklagen.
Pilze gelten in unserem Kulturkreis als Schädlinge in Haus und Wald, als kontroverse Delikatesse, Rauschmittel oder einfach als pittoreskes Objekt der Landschaft – manche sollen sogar Glück bringen. Wir sollten beim nächsten Pilzfruchtkörper, den wir aus einem Baumstumpf sprießen sehen, doch mal an seine Ökosystemleistung denken, der wir unsere Existenzgrundlage verdanken. Vielleicht ist es sogar ein Schwefelporling.