Bevor auf dem Campingplatz in der Engelskirchener Ortschaft Loope die Wintersaison beginnt, feiert Gertrud Decker noch das 20-Jährige.
Dorf im DorfTrudi Decker ist 86 Jahre alt und führt seit 20 Jahren den Campingplatz Loope
Mitten in Engelskirchen-Loope liegt versteckt ein zweites Dorf am Aggerstrand und dessen Bürgermeisterin heißt Gertrud Decker. Vor 20 Jahren übernahm sie den Campingplatz vom Stift Ehreshoven und bis heute managt die 86-Jährige die Geschicke alleine. Bald beginnt die Winterpause und Trudi – wie hier gerufen wird – dreht das Wasser ab und schließt das große Tor zu.
Von November bis April ist geschlossen, doch vorher will die 86-Jährige noch mit Belegschaft und Nachbarn die 20 Jahre feiern. Für das zweite Oktober-Wochenende hat sie Camper und Nachbarn aus Loope zu Brezeln, Bier und Leberkäs in die „Campers Corner“ eingeladen. Die Campers Corner ist eine überdachte Terrasse am Wirtschaftgebäude, gegenüber liegt der Flachbau aus den 1960ern mit der knallblauen Aufschrift „Camping Verwaltung“.
Camper seit Generationen
Es ist warm an diesem Freitag im Herbst, als Trudi Decker ihr 8645 Quadratmeter großes Dorf im Dorf zeigt. „Mit Umlagen sind es 17 000 Quadratmeter“, erklärt sie. Seit Mittag trudeln die Bewohner im Mini-Loope ein. Sie kommen aus Dortmund, Düsseldorf und dem niederländischen Venlo. Vor allem aber: aus Porz, Wahn und Kölns Norden. So auch Patrick Blatzheim, der Trudi zur Begrüßung in den Arm nimmt. Der 43-Jährige ist im Mini-Loope aufgewachsen, zumindest an den Wochenenden. „20 Jahren hatten meine Eltern hier einen Wohnwagen.“ Seit vier Jahren ist er nun mit Familie selbst auf dem Platz.
Vor vier Jahren war Corona, und die Pandemie hat dem Mini-Loope einige Neubürger beschert. „Viele Alleinstehende, die hier noch Parzellen hatten, haben aufgegeben“, erinnert sich Decker. Eingezogen sind Familien mit Kindern, die sich außerhalb der Stadt einen Rückzugsort im Grünen schaffen wollten.
Seitdem wirbeln wieder mehr Kindern zwischen den gestutzten Hecken und dem akkurat geschnittenem Rasen am Aggerufer. Zum Beispiel Amelie. Die Fünfjährige greift Trudi Deckers Hand und begleitet die 86-Jährige beim Rundgang. Auch ihre Eltern kamen vor vier Jahren auf den Platz. Die Familie wohnt in Overath in einer Etagenwohnung. Die Entscheidung für die Parzelle am Aggerufer war keineswegs spontan. „Der Zahnarzt unserer Kinder ist in Loope und auf dem Weg habe ich immer ganz neidisch über die Agger geschaut“, erinnert sich Mutter Denise Kurth.
Als eine Parzelle frei wurde, griffen die Kurths zu. Wobei Wechsel bei den Campern selten ist, denn das Prozedere ist kompliziert: Die Wohnwagen und Vorbauten gehören den Campern, Grund und Boden pachten sie von Decker. Die Chefin wählt aus, wer neu zuziehen darf und hat in ihren insgesamt 34 Jahren in der Branche einen siebten Sinn dafür entwickelt, wer ins Gefüge passt.
Siebter Sinn für neue Camper
Die Auswahl sei manchmal schwer, berichtet sie. „Eine Frau mit vier Hunden musste ich leider abweisen.“ Auch wenn menschlich alles stimmte, wären vier neue Hunde auf einer Parzelle zu viel für das Mini-Loope gewesen. Decker dachte da zum Beispiel an die zehnjährige Mischlingshündin Phoebe, die an der Leine von Svenja Kreutzmann (43) an den Wohnwagen vorbei trottet. „Viele haben hier einen Hund und das funktioniert auch wunderbar“, sagt Decker. Doch vier Tiere auf einer der 64 Dauerplätze? Das wäre zu viel.
Bei Familie Kurth hat es auf Anhieb gepasst. Die Overather haben eine Parzelle direkt an der Agger. Gemeinsam mit ihrem Mann Hans achtet Denise jetzt auf den Platz, wenn Trudi Decker nicht da ist. Das war zuletzt ein paar Mal der Fall, weil ein komplizierter Bruch in der Hand der 86-Jährigen ihr zu schaffen machte.
Sorgen um die Zukunft
An Autofahren war nicht zu denken. Deswegen sammelte Siegfried Sagorsky sie in Porz ein und nahm sie mit auf den Platz. Dort wohnt Decker nämlich, wenn sie nicht in Loope ist, und dort wohnt auch ihr Pächter Sagorsky. Die beiden sind Nachbarn in der Freizeit und im Stadtleben. Beim Rundgang kommt bei den Dauercampern immer wieder eine Frage auf, die Decker gar nicht gerne hört: Wie geht es weiter? Der 86-Jährigen merkt man ihr Alter nicht an, wenn sie das große Tor an der Zufahrt aufschiebt. „Da ist noch nichts entschieden“, sagt sie mit Nachdruck und plant lieber das Oktoberfest.
Familienanschluss inklusive
Als Decker den Platz 2004 übernahm, machte sie das, um die Schließung des Mini-Loope abzuwenden. „Ich hatte als Verwalterin schon die Kündigungen für die Pächter fertig gemacht“, erinnert sie sich. Damals drohten Bäume aus einem benachbarten Hang auf Teile des Platzes zu stürzen. Eine Durchforstung hätte sich für die damaligen Eigentümer nicht gelohnt. Decker entschied, den Platz selbst weiterzuführen. Die Entscheidung traf sie auch, weil sie damals frisch verwitwet war. Das Mini-Loope und die Gemeinschaft unter den Campern boten Halt.
Zumindest in der Zeit zwischen April und November, wenn der Platz geöffnet hat. Den Winter verbringt sie in Porz im Einfamilienhaus und erledigt den Papierkram. „Der ist bis Januar immer erledigt“, berichtet sie. Dann geht's auf Reisen: 13 Kreuzfahrten hat sie in den vergangenen Jahren unternommen. „Bis runter nach Feuerland.“ Sie umrundete Kap Hoorn und schipperte durch die Südsee. Dann geht es zurück an den Aggerstrand.
Für Decker ist die Arbeit Beruf und Berufung zugleich: Sie kennt die Lebensläufe ihrer Camper, kennt deren Kinder und deren Haustiere. Sie weiß, wem sie auf die Füße treten muss, damit zwischen den Parzellen genug Platz bleibt, falls die Feuerwehr mal anrücken muss.
Im Winter geht’s auf Kreuzfahrt
Auch im großen Loope rundum kennt sie sich aus. Einen eigenen Kiosk gibt’s auf dem Campingplatz nicht. „Warum auch?“, fragt Decker und zeigt auf den Ort rundum. „Ist doch alles nebenan“.
Nach dem Rundgang treffen sich die ersten Bewohner in der Campers Corner, um das Wochenende einzuläuten, Trudi Decker mittendrin. Die Stimmung ist schnell gelöst, familiär. „Das ist mein Leben“, sagt Decker.